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  BFH-Urteil vom 23.3.1995 (IV R 58/94) BStBl. 1995 II S. 702

Der Zuschuß einer Gemeinde zum Bau einer Tiefgarage ist jedenfalls dann von den Herstellungskosten des Gebäudes abzusetzen und nicht als Einnahme des Zuflußjahres zu erfassen, wenn eine Mietpreisbindung und die Nutzung durch bestimmte Personen nicht vereinbart werden.

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 21; HGB § 255; BayBO Art. 62, 63.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Streitjahr 1984 mit einem Anteil von 95 v. H. Gesellschafter einer mit Vertrag vom 31. Dezember 1982 gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die restlichen Anteile wurden vom Beigeladenen zu 1 für die Beigeladene zu 2 gehalten.

Im Streitjahr (1984) errichtete die GbR auf ihrem Grundstück u. a. eine Tiefgarage mit ca. 450 Stellplätzen. Zum Bau der Tiefgarage erhielt sie aufgrund einer Vereinbarung mit der Stadt X vom 21. September 1982 eine als Zuschuß bezeichnete Zahlung in Höhe von 2 Mio. DM. Dazu heißt es auszugsweise in der Vereinbarung:

1. Von den 445 Stellplätzen der Tiefgarage werden mindestens 350 der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Die Tiefgarage wird an die Fa. A auf die Dauer von 30 Jahren zu einem Mietzins von 70 DM je Stellplatz zum ordnungsgemäßen Betrieb vermietet.

2. Da in der Innenstadt nicht genügend öffentliche Parkplätze zur Verfügung stehen, müßten Bauanträge abgelehnt werden, weil die erforderlichen Stellplätze weder nachgewiesen noch abgelöst werden können. Die Errichtung der 350 Stellplätze liegt im öffentlichen Interesse nach Art. 62, 63 (nunmehr Art. 55, 56) der Bayerischen Bauordnung (BayBO).

3. Zur Erfüllung künftiger Stellplatzverpflichtungen nach der BayBO leistet die Stadt einen Zuschuß.

4. Um sicherzustellen, daß die Tiefgarage der Öffentlichkeit zur Verfügung steht, wird zugunsten der Stadt folgende beschränkte Dienstbarkeit eingetragen: Die Grundstückseigentümer dulden die Benutzung von mindestens 350 Stellplätzen durch die Öffentlichkeit. Die Grundstückseigentümer sind damit einverstanden, daß die Stadt eine entsprechende Widmung vornimmt. Sie sind ferner verpflichtet, 203 Stellplätze der Stadt auf Verlangen auch als nachzuweisende Stellplätze für neue oder frühere Bauvorhaben Dritter zur Verfügung zu stellen. Diese Dienstbarkeit gilt auf die Dauer des Bestandes der Tiefgarage mindestens auf 30 Jahre ab ihrer Inbetriebnahme.

5. Der Mietvertrag mit der Fa. A ist im Einvernehmen mit der Stadt abzuschließen. Die Festsetzung der Parkgebühren für die öffentlichen Stellplätze und Änderungen (auch des Mietvertrages) erfolgen im Benehmen mit der Stadt. Dauervermietung von mehr als 35 Stellplätzen der 350 öffentlichen Stellplätze bedarf der schriftlichen Zustimmung der Stadt. Dabei ist die wirtschaftliche Zumutbarkeit für den Betrieb der öffentlichen Stellplätze zu berücksichtigen.

...

9. Mit der Inbetriebnahme der Tiefgarage ist die durch das Bauvorhaben ausgelöste Stellplatzverpflichtung der Fa. Z für 53 Stellplätze erfüllt.

In ihrer Feststellungserklärung für das Streitjahr hatte die GbR, die als Vermögensverwaltungsgesellschaft ihre Einkünfte durch Überschußrechnung ermittelte, die Herstellungskosten der Tiefgarage um die Zahlung der Stadt in Höhe von 2 Mio. DM gekürzt. Der Zuschuß hatte den im Streitjahr erlittenen Verlust demgemäß nur insoweit vermindert, als er die Bemessungsgrundlage der fünfprozentigen Absetzung für Abnutzung (AfA) verringerte. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte dagegen die Zahlung als Einnahme an und erhöhte entsprechend die AfA-Bemessungsgrundlage der Tiefgarage mit der Begründung, es handele sich um ein Entgelt für erbrachte bzw. zu erbringende Leistungen. Bei einem Leistungsaustausch bestehe aber kein Wahlrecht nach Abschn. 163 Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR). Den auf den Kläger entfallenden Anteil der Überschußeinkünfte rechnete das FA rechnerisch unverändert den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu, die anteiligen Einkünfte der übrigen Gesellschafter denen aus Vermietung und Verpachtung.

Hiergegen wandte sich der Kläger nach erfolglosem Einspruch mit der Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Zuschuß der Stadt in Höhe von 2 Mio. DM von den Herstellungskosten der Tiefgarage abzuziehen ist und nicht in vollem Umfang die Einkünfte des Streitjahres erhöht.

a) Öffentliche Investitionszuschüsse führen bei bilanzierenden Steuerpflichtigen nach der Auffassung des III. und IV. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich zu einer Minderung der Herstellungskosten (BFH-Urteile vom 14. Juli 1988 IV R 78/85, BFHE 154, 212, BStBl II 1989, 189, und vom 28. April 1989 III R 4/87, BFHE 156, 497, BStBl II 1989, 618). Zu den Ausprägungen des in § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) normierten Realisationsprinzips gehört das Anschaffungskostenprinzip (§ 253 Abs. 1 und § 255 HGB), das besagt, daß Anschaffungs- und Herstellungskosten gewinneutral behandelt werden sollen. Daraus folgt nicht nur, daß auch Nebenkosten der Anschaffung zu aktivieren sind (§ 255 Abs. 1 Satz 2 HGB), selbst wenn sie an einen Dritten gezahlt werden (BFH-Urteil vom 14. November 1985 IV R 170/83, BFHE 145, 67, BStBl II 1986, 60), sondern auch, daß Minderungen der Anschaffungskosten von diesen abzusetzen sind (§ 255 Abs. 1 Satz 3 HGB). Das gilt - selbst wenn mit der gesetzlichen Formulierung nur eine Reduzierung des Kaufpreises gemeint sein sollte - nach Sinn und Zweck des Anschaffungskostenprinzips auch für Investitionszuschüsse Dritter (Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, § 255 HGB Anm. 69). Demgegenüber will der X. Senat des BFH in Übereinstimmung mit R 34 Abs. 2 EStR 1993 ein Wahlrecht zwischen sofortiger Gewinnerhöhung und Absetzung von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten annehmen (BFH-Urteil vom 22. Januar 1992 X R 23/89, BFHE 167, 69, BStBl II 1992, 488). Da der Kläger die Absetzung von den Herstellungskosten wünscht, ist die Frage, ob ein solches Wahlrecht besteht, im Streitfall nicht relevant.

b) Für den Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hat sich der IX. Senat des BFH der Auffassung, daß öffentliche Investitionszuschüsse grundsätzlich zu einer Minderung der Herstellungskosten führen, angeschlossen (BFH-Urteil vom 26. März 1991 IX R 104/86, BFHE 164, 263, BStBl II 1992, 999). Dem ist zu folgen, weil der Begriff der Anschaffungs- und Herstellungskosten, wie er in § 255 Abs. 1 und 2 HGB definiert wird, auch für den Bereich der Überschußeinkünfte gilt (Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BFHE 160, 466, BStBl II 1990, 830).

c) Allerdings ist der Zuschuß den Einnahmen zuzurechnen, wenn er als Entgelt für eine Leistung des Empfängers anzusehen ist (Senatsurteil in BFHE 154, 212, BStBl II 1989, 189 unter 3. c). Der IX. Senat hat in seinem Urteil in BFHE 164, 263, BStBl II 1992, 999 daher angenommen, daß ein Zuschuß zu den Einnahmen i. S. des § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gehört, sofern gleichzeitig mit seiner Gewährung Vereinbarungen getroffen werden, die mit der Gebrauchsüberlassung des Grundstücks in unmittelbarem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Als solche Vereinbarungen hat er beispielsweise Mietzinsbindung und Belegungsrechte angesehen (so auch FG Baden-Württemberg, Urteil vom 3. März 1991 1 K 139/87, rechtskräftig, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1991, 600 zur Förderung von Studentenwohnraum; R 163 Abs. 2 EStR 1993; Stuhrmann, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1981, 299; anders noch Abschn. 163 Abs. 3 EStR 1990; Lademann/Söffing, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21 Anm. 158).

d) Der Senat braucht nicht entscheiden, ob er sich dieser Auffassung anschließen könnte. Jedenfalls sind im Streitfall entgegen der Auffassung des FA bei der Gewährung des Zuschusses keine Vereinbarungen über eine Mietpreisbindung, ein Belegungsrecht oder ähnliche Rechte der Stadt getroffen worden. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß der für die Vermietung an die Fa. A vorgesehene Mietzins unter dem Marktpreis gelegen hätte. Dieser Mietpreis war aus der Sicht der Stadt auch nicht von ausschlaggebender Bedeutung. Maßgeblich waren vielmehr die vom Endverbraucher geforderten Parkgebühren. Ihre Festsetzung und eventuelle Änderung sollte "im Benehmen" mit der Stadt erfolgen. Eine irgendwie gekennzeichnete Obergrenze, sei es in Form eines festen Betrages, sei es in Form einer Verweisung auf die durch eine Wirtschaftlichkeitsberechnung nachzuweisende Kostenmiete, ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen. Ebensowenig hatte die Stadt nach dem Vertrag vom 21. September 1982 das Recht, bestimmte Nutzer der Tiefgarage zu benennen. Sie hatte hieran auch kein Interesse. Insbesondere war sie nicht gehalten, Bauherren, die ihrer Pflicht zum Nachweis von Stellplätzen nicht nachkamen und deshalb gemäß Art. 56 BayBO Ablösebeträge gezahlt hatten, Stellplätze zur individuellen Nutzung zur Verfügung zu stellen. Art. 56 BayBO sieht zwar als eine Möglichkeit vor, daß die Gemeinde auf Kosten der Bauherren für diese private Stellplätze errichtet. Die Vorschrift läßt daneben aber auch die Möglichkeit zu, daß die Stadt die Ablösebeträge zur Schaffung öffentlichen Parkraums in einem bestimmten Stadtgebiet verwendet (Simon, Bayerische Bauordnung, Art. 56 Rdnr. 6 ff.; vgl. auch Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 28. Januar 1983 IV OE 111/81, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1983, 2831). Wenn die Stadt im Streitfall so verfuhr, erhielten die Bauherren hierdurch nicht das Recht auf Zuweisung individueller Plätze in dieser Garage. Die GbR hat sich deshalb in dem Vertrag vom 21. September 1982 auch nicht verpflichtet, Aufgaben der Stadt wahrzunehmen. Die Stadt erfüllte ihre aus den Ablöseverträgen resultierenden Aufgaben, indem sie die vereinnahmten Mittel zur Förderung des Baus öffentlicher Stellplätze verwendete. Weitere Verpflichtungen hatte sie nicht. Sie konnten daher auch nicht von der GbR übernommen werden. Wenn in dem Vertrag vom 21. September 1982 die Zahl von 203 "nachzuweisenden Stellplätzen" genannt ist, so diente das offenbar nur dazu, der Gemeinde die Möglichkeit zu geben, den Nachweis der zutreffenden Verwendung von Ablösegeldern zu führen. Daß damit keine individuellen Nutzungsrechte der Bauherren verbunden waren, folgt schon daraus, daß auch diese Plätze "öffentliche Stellplätze" bleiben sollten und ohne Zustimmung der Stadt nicht mehr als 35 Plätze auf Dauer vermietet werden durften. Eine in unmittelbarem rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Grundstücksnutzung stehende Vereinbarung kann entgegen der Auffassung des FA auch nicht darin gesehen werden, daß der Zuschuß dazu diente, der Allgemeinheit zusätzliche Parkeinrichtungen, insbesondere zum Zwecke des Kurzzeitparkens, zur Verfügung zu stellen. Es fehlt insoweit an einer ausreichend engen Beziehung zu konkreten Nutzungsverhältnissen. Das Ziel, für die Infrastruktur notwendige Einrichtungen für die Öffentlichkeit vorzuhalten, stellt vielmehr lediglich eine Zweckbindung dar, wie sie für öffentliche Zuschüsse typisch ist, ohne daß man hierin eine Gegenleistung des Empfängers sehen könnte (Senatsurteil in BFHE 154, 212, BStBl II 1989, 189 unter 1. b cc). Auch die zugunsten der Stadt bewilligte Dienstbarkeit diente lediglich der Sicherung dieser Zweckbindung.