| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 21.8.1995 (VI R 49/95) BStBl. 1995 II S. 729

Wird in dem Einfamilienhaus eines Arbeitnehmers, in dem er ein häusliches Arbeitszimmer nutzt, die Gesamtwohnfläche durch Erweiterungsbaumaßnahmen vergrößert, so ergibt sich für die anteilig auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Werbungskosten ein veränderter Aufteilungsmaßstab. Sind die Erweiterungsbaumaßnahmen mit Krediten finanziert worden, so sind die darauf entfallenden Schuldzinsen dem häuslichen Arbeitszimmer selbst dann anteilig zuzuordnen, wenn die Baumaßnahmen das häusliche Arbeitszimmer nicht unmittelbar betroffen haben.

EStG § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines Einfamilienhauses. Die Gesamtwohnfläche des Hauses betrug 100 qm. Der Kläger machte erstmals im Jahr 1986 Aufwendungen für ein 16 qm großes häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Von den gesamten Schuldzinsen von 4.200 DM berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) dementsprechend einen Anteil von 16 v. H. als Werbungskosten.

Im Jahre 1988 führte der Kläger an seinem Einfamilienhaus Baumaßnahmen durch, die nach der Baugenehmigung die "Erweiterung des Wohngebäudes, Errichtung eines Vordaches und einer Dachgaube an der Nordseite des Gebäudes, Vornahme baulicher Änderungen im und am Gebäude" betrafen. Die Wohnfläche vergrößerte sich dadurch auf insgesamt 130 qm, so daß der auf das unverändert gebliebene Arbeitszimmer entfallende Anteil nur noch 12,3 v. H. betrug. Der Kläger setzte zur Finanzierung der Baumaßnahmen, die zu Herstellungskosten von ca. 360.000 DM geführt hatten, Fremdmittel ein. Er machte die anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden Schuldzinsen (12,3 v. H.) als Werbungskosten geltend.

Das FA lehnte den Werbungskostenabzug für die Schuldzinsen auf die nachträglichen Herstellungskosten mit der Begründung ab, die Erweiterungsbaumaßnahmen hätten das Arbeitszimmer unberührt gelassen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es vertrat die Ansicht, das Einfamilienhaus bilde trotz seiner gemischten Nutzung zu Wohn- und Arbeitszwecken ein einheitliches Wirtschaftsgut. Liege aber ein einheitliches Wirtschaftsgut "Gebäude" vor, so bestimme sich die Ermittlung des auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Anteils der Gesamtaufwendungen nach den vom Bundesfinanzhof (BFH) insbesondere in dem Urteil vom 18. Oktober 1983 VI R 68/83 (BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112) entwickelten Grundsätzen. In die Berechnung seien sämtliche Kredite, die zur Herstellung des Gebäudes aufgenommen worden seien, einzubeziehen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 745 veröffentlicht.

Das FA rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Kläger bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG) als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG) von den auf die Erweiterungsbaumaßnahmen entfallenden Schuldzinsen denjenigen Anteil abziehen darf, der sich aus dem Verhältnis der erweiterten Gesamtwohnfläche (130 qm) zum häuslichen Arbeitszimmer (16 qm) ergibt. Die Schuldzinsen sind nicht ausschließlich den nicht beruflich genutzten Räumen des Hauses zuzuordnen.

Die Frage, ob ein Einfamilienhaus bei teilweiser Nutzung zu beruflichen Zwecken eines Arbeitnehmers ein einheitliches Wirtschaftsgut bildet oder in zwei Wirtschaftsgüter aufzuspalten ist (vgl. § 7 Abs. 5 a EStG), kann dahingestellt bleiben. Denn die vom FG vorgenommene Berechnung der anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden Schuldzinsen ergibt sich folgerichtig aus derjenigen Berechnungsweise, die der Senat in den Urteilen in BFHE 139, 520, BStBl II 1984, 112 und vom 10. April 1987 VI R 94/86 (BFHE 149, 476, BStBl II 1987, 500) für die Ermittlung der auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Werbungskosten bestimmt hat. Danach sind die anteiligen Werbungskosten nach dem Verhältnis der Fläche des Arbeitszimmers zur gesamten Wohnfläche einschließlich der des Arbeitszimmers zu berechnen. Aus Gründen der Vereinfachung wird bei der Ermittlung der auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Werbungskosten grundsätzlich nicht danach differenziert, ob bestimmte Teile der Wohnfläche des Gebäudes kostenaufwendiger gestaltet sind und der auf sie entfallende Anteil der Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie die damit zusammenhängenden Zinsen pro Quadratmeter im Falle einer unmittelbaren Zuordnung der Kosten höher wären als bei anderen Wohnflächen. Für die insgesamt anfallenden Schuldzinsen bedeutet dies, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht, soweit die Zinsen nach dem beschriebenen Aufteilungsmaßstab auf das häusliche Arbeitszimmer entfallen.

Wird die Gesamtwohnfläche eines Hauses durch nachträgliche Baumaßnahmen vergrößert und bleibt die Fläche des häuslichen Arbeitszimmers unverändert, so folgt daraus zwangsläufig eine Veränderung des Aufteilungsmaßstabes für die anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden Aufwendungen. Die Aufwendungen für solche Baumaßnahmen, die eine Vergrößerung der Wohnfläche eines Hauses zur Folge haben, führen außerdem regelmäßig zu nachträglichen Herstellungskosten des Hauses (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 21 Rzn. 72 und 75). Dementsprechend geht das FA im Streitfall in seiner Einspruchsentscheidung zu Recht davon aus, daß die Erweiterungsbaumaßnahmen zu nachträglichen Herstellungskosten geführt haben und sich deshalb das Abschreibungsvolumen (§ 7 Abs. 4 und 5 EStG) für das Haus insgesamt erhöht sowie der Aufteilungsmaßstab für die anteilige Zuordnung der Absetzung für Abnutzung (AfA) verändert hat. Folgerichtig dazu sind auch die Schuldzinsen der Kredite für die Erweiterungsbaumaßnahmen zunächst dem Objekt insgesamt und nicht nur bestimmten Räumen zuzurechnen. Sie sind erst danach mit dem veränderten Maßstab aufzuteilen und zuzuordnen.

Die vom FA begehrte direkte Zuordnung der mit den Baumaßnahmen zusammenhängenden Schuldzinsen zu den Räumen, die unmittelbar von den baulichen Veränderungen betroffen sind, würde diese Berechnungsweise durchbrechen. Es würden die Schuldzinsen steuerlich anders zugeordnet werden als die AfA von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, für die die Kredite aufgenommen worden sind. Eine unterschiedliche Zuordnung der AfA einerseits und der Schuldzinsen andererseits wäre aber nicht einleuchtend und würde zu einer Komplizierung der Berechnung der anteilig auf das häusliche Arbeitszimmer entfallenden Werbungskosten führen. Die vom Senat geteilte Rechtsauffassung der Vorinstanz hat außerdem den Vorzug, daß die steuerliche Behandlung der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer nicht von der Zufälligkeit abhängig ist, ob der Arbeitnehmer nach der Anschaffung des Gebäudes selbst bauliche Erweiterungsmaßnahmen durchführt oder ob er das Gebäude erst nach den Baumaßnahmen zu einem dann erhöhten Gesamtpreis erwirbt.