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BFH-Urteil
vom 28.6.1995 (II R 89/92) BStBl. 1995 II S. 786
Kosten, die dem Erben im Zusammenhang mit der Erfüllung eines vom Erblasser angeordneten Vermächtnisses entstehen, sind als Nachlaßverbindlichkeiten abzugsfähig. ErbStG 1974 § 10 Abs. 5 Nr. 3; BGB § 2174. Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz Sachverhalt I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist aufgrund Testaments Alleinerbe nach seinem Onkel E geworden. Der Erblasser hatte den Kläger mit Vermächtnissen, darunter Barvermächtnisse in Höhe von .... DM, belastet und Testamentsvollstreckung angeordnet. Die Testamentsvollstrecker sollten das Hausanwesen in A, X-straße renovieren lassen, wobei sie nach Erreichen von Renovierungsarbeiten in Höhe von 1.600.000 DM für weitere Renovierungsarbeiten die Zustimmung des Erben brauchten; Veräußerung und Belastung des Hauses X-straße waren den Testamentsvollstreckern untersagt. Zum Nachlaß gehörte u. a. ein Wertpapierdepot mit einem Wert von .... DM. Bei der Ermittlung des der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerbs setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) das Grundstück X-straße mit dem um 40 v. H. erhöhten Einheitswert an. Von den vom Kläger geltend gemachten Nachlaßverbindlichkeiten ließ das FA den im Testament für Renovierungskosten angesetzten Betrag von 1.600.000 DM nicht zum Abzug zu, weil es sich bei der Verpflichtung, das Gebäude zu renovieren, um eine Auflage handele, die dem Erben selbst zugute komme (§ 10 Abs. 9 des Erbschaftsteuergesetzes - ErbStG - 1974). Darüber hinaus versagte das FA den Abzug von 60.020 DM als Kosten der Nachlaßregelung. Dabei handelte es sich nach Angabe des Klägers um Kosten für die Auflösung des Wertpapierdepots, die zur Erfüllung der testamentarisch angeordneten Auflagen bzw. Vermächtnisse notwendig gewesen sei. Die Klage, mit der der Kläger den Abzug der Renovierungskosten in Höhe von 1.600.000 DM sowie den Abzug der 60.020 DM für die Auflösung des Wertpapierdepots als Nachlaßverbindlichkeiten begehrt hatte, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) teilte die Auffassung des FA, daß es sich bei der Auflage, das Anwesen X-straße zu renovieren, um eine nach § 10 Abs. 9 ErbStG 1974 nicht als Nachlaßverbindlichkeit zu berücksichtigende Auflage handele. Zu den Kosten für die Auflösung des Wertpapierdepots führte das FG aus, daß nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 zwar auch solche Aufwendungen als Nachlaßverbindlichkeiten zu berücksichtigen seien, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Erfüllung eines Vermächtnisses stünden. Dies könne aber nur für Aufwendungen gelten, die unmittelbar mit der Erfüllung des Erblasserwillens zusammenhängen, nicht dagegen für Aufwendungen, die auf eigenen Vermögensdispositionen des Erben nach dem Erbfall beruhten. Die mit der Erfüllung der Geldvermächtnisse zusammenhängenden Aufwendungen und Vermögensverluste seien nicht anders zu beurteilen als die Begleichung anderer Nachlaßschulden. Entschließe sich der Erbe, Nachlaßgegenstände zu veräußern, um solche Nachlaßverbindlichkeiten zu tilgen, so könnten dadurch entstehende Vermögensminderungen selbst dann nicht zu einer Ermäßigung der Erbschaftsteuer führen, wenn sie für den Erben unvermeidlich gewesen seien. Dies müsse auch für Kosten gelten, die durch eine zur Erfüllung von Nachlaßverbindlichkeiten erfolgte Auflösung eines Wertpapierdepots anfallen, und zwar unabhängig davon, ob dieses Depot zum Nachlaß gehört habe oder nicht. Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 10 Abs. 5 Nr. 3 und Abs. 9 ErbStG 1974. Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Erbschaftsteuer unter Berücksichtigung von insgesamt 1.660.120 DM als Nachlaßverbindlichkeiten festzusetzen. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Auf die Revision des Klägers wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. 1. Zutreffend hat das FG entschieden, daß die (voraussichtlichen) Renovierungsaufwendungen in Höhe von 1.600.000 DM den Erwerb des Klägers nicht mindern. a) Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung ist nicht das renovierte Gebäude Gegenstand des Erwerbs des Klägers. Insbesondere sind die Grundsätze, die der erkennende Senat zur sog. mittelbaren Grundstücksschenkung entwickelt hat, wie der Senat im Beschluß vom 23. Januar 1991 II B 46/90 (BFHE 163, 233, BStBl II 1991, 310) ausführlich begründet hat, beim Erwerb von Todes wegen nicht anwendbar. Dies gilt auch für den dem Streitfall zugrundeliegenden Sachverhalt. Der die Annahme einer Grundstücksschenkung durch Hingabe einer Geldsumme rechtfertigende Umstand, daß sich die - endgültige - Vermögensmehrung des Beschenkten im Zeitpunkt der Zuwendung nicht in Form einer Geldsumme, sondern in Form des Grundstücks darstellt (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. November 1994 II R 87/92, BFHE 176, 53, BStBl II 1995, 83), ist, überträgt man diesen Gedanken auf den Streitfall, in bezug auf das renovierte Gebäude nicht erfüllt. Denn nicht (erst) dieses ist auf den Kläger als Erben übergegangen (§ 1922 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), sondern bereits das Gebäude in dem (nicht renovierten) Zustand, in dem es sich im Vermögen des Erblassers befunden hatte; der Erbe wird nämlich mit dem Erbanfall Inhaber des Vermögens des Erblassers mit demselben rechtlichen Inhalt und demselben Entwicklungsstand, wie er beim Erbfall gegeben war (Beschluß in BFHE 163, 233, BStBl II 1991, 310, und BFH-Urteil vom 16. Juli 1975 II R 154/66, BFHE 117, 76, BStBl II 1976, 17 zu 2. der Gründe). Die infolge der Anordnung der Testamentsvollstreckung den Erben treffende Verfügungsbeschränkung (§ 2211 Abs. 1 BGB) berührt Umfang und Bestand des Vermögensanfalls an den Erben nicht. Unrichtig ist die Auffassung des Klägers, daß durch die Testamentsvollstreckung mit dem Erbfall ein Sondervermögen entstanden sei, das von dem des Erben getrennt sei. Dies entspricht weder der - dargestellten - Gesetzeslage noch ergibt sich dies aus den vom Kläger angeführten Fundstellen. Sowohl der Bundesgerichtshof - BGH - (Urteil vom 1. Juni 1967 II ZR 150/66, BGHZ 48, 214, 219) als auch Soergel/Damrau (Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., Rz. 17 Vor § 2197) sprechen lediglich davon, daß infolge der Anordnung der Testamentsvollstreckung (bzw. der Nachlaßverwaltung) eine Trennung des Nachlasses vom übrigen Vermögen des Erben eintrete. Der Nachlaß bleibt also Vermögen des Erben; dieser ist lediglich in seiner Verfügungsbefugnis über den Nachlaß durch den Testamentsvollstrecker ausgeschlossen (§§ 2205, 2211 Abs. 1 BGB). Soergel/Damrau, a. a. O., führt in Rz. 18 dementsprechend auch aus, daß der Erbe Herr des Nachlasses bleibe und das Recht an der Erbschaft behalte. Infolge der Anordnung der Testamentsvollstreckung fallen Inhaberschaft und Ausübung des Rechts auseinander; dem Erben ist - lediglich - die Ausübung seines Rechts verwehrt (§ 2211 Abs. 1 BGB). Diese Beschränkung des Verfügungsrechts des Erben hat keine Auswirkung auf die erbschaftsteuerrechtliche Bewertung des Erwerbs durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974, § 1922 Abs. 1 BGB). Nach § 11 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1, 1. Halbsatz ErbStG 1974 ist für die Wertermittlung beim Erwerb von Todes wegen der Zeitpunkt des Todes des Erblassers maßgebend. Für den Fall der Verfügungsbeschränkung durch Testamentsvollstreckung hat der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Möglichkeit keine abweichende Regelung vorgesehen (vgl. auch BFH-Urteil vom 2. Februar 1977 II R 150/71, BFHE 121, 500, BStBl II 1977, 425, 426 a. E.). b) Die vom Testamentsvollstrecker zu erfüllende Verpflichtung, das Gebäude X-straße aus Mitteln des Nachlasses zu renovieren (Auflage, § 1940 BGB), ist bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974) gemäß § 10 Abs. 9 ErbStG nicht als Nachlaßverbindlichkeit abzugsfähig. Durch diese Verpflichtung wird zwar die Dispositionsmöglichkeit des Erben hinsichtlich seines Erwerbs beeinträchtigt, sie kommt ihm aber wirtschaftlich zugute. Die entsprechenden Mittel gehören zu dem der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb durch Erbanfall (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974, § 1922 Abs. 1 BGB). 2. Entgegen der Auffassung des FG kommt der Abzug der Aufwendungen, die durch die Auflösung des zum Nachlaß gehörenden Wertpapierdepots entstanden sind, als Nachlaßverbindlichkeiten i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 in Betracht. Nach § 2174 BGB wird durch das Vermächtnis für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern. Das Vermächtnis begründet danach einen obligatorischen Anspruch des Bedachten, den der Beschwerte entsprechend dem Inhalt des Vermächtnisses (durch Übereignung eines Grundstücks oder beweglicher Sachen, durch Forderungsabtretung usw.) zu erfüllen hat. Die dabei entstehenden Kosten fallen, soweit der Erblasser nichts anderes bestimmt hat, in der Regel dem Beschwerten zur Last (Staudinger/Otte, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., § 2174 Rz. 21; Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 54. Aufl., § 2174 Rz. 4; Skibbe in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch - MünchKomm -, 2. Aufl., § 2174 Rz. 9; BGH-Urteil vom 20. März 1963 V ZR 89/62, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1963, 1602 unter III. 2. zu den Kosten der Umschreibung beim Grundstücksvermächtnis), denn dieser schuldet die ordnungsgemäße Erfüllung des Vermächtnisses. Entsprechend dieser zivilrechtlichen Beurteilung als Kosten, die den Beschwerten aufgrund des vom Erblasser angeordneten Vermächtnisses - zusätzlich zur Erfüllung des Vermächtnisanspruches selbst - treffen (sog. Erbschaftsverwaltungsschulden), handelt es sich i. S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 um abzugsfähige Nachlaßverbindlichkeiten, denn sie entstehen dem mit dem Vermächtnis belasteten Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der durch den Erblasser angeordneten Regelung des Nachlasses. Etwas anderes folgt auch nicht aus den vom FG herangezogenen Urteilen des Reichsfinanzhofs vom 18. Februar 1937 III eA 1/37 (RStBl 1937, 459) und des BFH vom 2. Februar 1977 II R 150/71 (BFHE 121, 500, BStBl II 1977, 425), denn keine der beiden Entscheidungen betraf den Abzug von Kosten, die als Folge der ordnungsgemäßen Nachlaßregelung entstanden waren. Vielmehr wurde die Frage erörtert, ob nach dem Bewertungsstichtag (s. nunmehr § 11 ErbStG 1974) eintretende Wertminderungen der zum Nachlaß gehörenden Gegenstände selbst (z. B. durch Kursrückgänge oder sonstige Wertminderungen) den Wert des Erwerbs im Zeitpunkt des Erbanfalls beeinflussen; dies wurde - zu Recht - verneint (vgl. BFH-Beschluß vom 28. November 1990 II S 10/90, BFH/NV 1991, 243). Zu Unrecht hat das FG Wertminderungen der auf den Erben durch Erbanfall übergegangenen Vermögenssubstanz den Aufwendungen des Erben gleichgestellt, die diesem bei der ordnungsgemäßen Abwicklung, Regelung oder Verteilung des auf ihn übergegangenen Nachlasses als Kosten entstehen; letztere sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 abzugsfähig. Nicht zu berücksichtigen wären dagegen seit dem Bewertungsstichtag bis zum Verkauf eingetretene Wertminderungen der Wertpapiere. Bezogen auf den Streitfall folgt hieraus, daß die Kosten der Veräußerung des Wertpapiervermögens (wie z. B. Bankprovisionen), soweit die Veräußerung zur Erfüllung der vom Erblasser angeordneten Geldvermächtnisse und Auflagen vorgenommen worden ist, als Nachlaßverbindlichkeiten berücksichtigt werden können. Zur Ermittlung dieser Kosten wird die Sache an das FG zurückverwiesen, denn aus dem bisher festgestellten Sachverhalt ist nicht zweifelsfrei ersichtlich, ob die geltend gemachten Aufwendungen die Auflösung des gesamten Wertpapierdepots oder nur den nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG 1974 abzugsfähigen Teil betreffen, der zwecks Erfüllung der vom Erblasser angeordneten Vermächtnisse aufgelöst worden ist. Nicht zu prüfen ist dabei, ob der Erbe (bzw. im Streitfall der Testamentsvollstrecker, § 2203 BGB) die angeordneten Vermächtnisse auch auf andere, weniger Kosten verursachende Weise hätte erfüllen können, denn der Erbe ist im Rahmen der Anordnung des Erblassers grundsätzlich frei, wie er seiner Verpflichtung nachkommt.
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