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  BFH-Urteil vom 1.6.1995 (V R 144/92) BStBl. 1995 II S. 867

Geben Eheleute in der Annahme, als Vermietergemeinschaft Unternehmer zu sein, eine Umsatzsteuererklärung ab, sendet das FA daraufhin nur an den Ehemann eine "Mitteilung über Umsatzsteuer", in der über festgesetzte Steuer und getilgte Beträge abgerechnet wird, und zahlt es den Überschuß an den Ehemann aus, liegt in der "Mitteilung" kein rechtlicher Grund, der einen gegen den Ehemann gerichteten Erstattungsanspruch des FA gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 ausschließt.

AO 1977 § 37 Abs. 2, § 155, § 168.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines Grundstücks, das in den Jahren 1982/83 mit einem Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung bebaut wurde. Die Baugenehmigung wurde der Ehefrau des Klägers erteilt, die auch den Bauantrag gestellt hatte. Die Baurechnungen wurden überwiegend an die Ehefrau gerich tet. Die Zahlungen leistete der Kläger aus seinen Mitteln.

Die Eheleute waren der Auffassung, sie seien wirtschaftliche Miteigentümer des Grundstücks, zumindest aber der Einliegerwohnung. Diese hätten sie gemeinsam - unter Verzicht auf die Steuerbefreiung - an eine BGB-Gesellschaft von Sachverständigen, zu denen der Kläger gehörte, vermietet.

Der Kläger und seine Ehefrau gaben für die Jahre 1981 bis 1983 Umsatzsteuererklärungen ab, in denen sie gemeinsam als Unternehmer bezeichnet waren. Sie machten die anläßlich der Gebäudeerrichtung angefallenen Umsatzsteuern als abziehbare Vorsteuerbeträge geltend, soweit diese auf die Einliegerwohnung entfielen, und berechneten für die Jahre 1981 bis 1983 jeweils einen Überschuß zu ihren Gunsten. Der Sachbearbeiter des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) fertigte für die Jahre 1981 bis 1983 jeweils einen Eingabewertbogen und eine Verfügung nur auf den Namen des Klägers. In den Eingabewertbögen berücksichtigte er jeweils den von den Eheleuten in ihrer Umsatzsteuererklärung errechneten Überschuß und in den Verfügungen erklärte er jeweils die Zustimmung zur Steueranmeldung. Dementsprechend erging unter dem Datum des 5. bzw. 7. August 1985 an den Kläger für jedes Jahr eine "Mitteilung .... über Umsatzsteuer", die unter "A. Abrechnung" die festgesetzte Steuer (Überschuß), die getilgten und verrechneten Beträge und das auszuzahlende Restguthaben anführte. Der Teil "B. Erläuterungen" enthält die Bemerkung: "Aufgrund Ihrer Umsatzsteuererklärung sind .... DM Überschuß unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt".

Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, die Gebäudeerrichtung habe sich im nichtunternehmerischen Bereich der Eheleute vollzogen. Das FA erließ deshalb unter dem 8. Oktober 1986 an den Kläger für die Jahre 1981 bis 1983 geänderte Bescheide, in denen es die Umsatzsteuer jeweils auf 0 DM festsetzte und die Rückzahlung des in den Mitteilungen vom 5. bzw. 7. August 1985 jeweils abgerechneten Betrages (Unterschiedsbetrag zwischen festgesetzter Umsatzsteuer und getilgten Beträgen) forderte.

Auf den Einspruch des Klägers hob das FA die Umsatzsteuerbescheide vom 8. Oktober 1986 auf.

Mit Bescheid vom 12. März 1990 forderte das FA gemäß § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) vom Kläger die Erstattung des in den Mitteilungen vom 5. bzw. 7. August 1985 jeweils abgerechneten Betrages (Unterschiedsbetrag zwischen festgesetzter Umsatzsteuer und getilgten Beträgen). Der Einspruch des Klägers gegen diesen Bescheid blieb erfolglos.

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) den Bescheid vom 12. März 1990 mit folgender Begründung auf: Der Bescheid sei rechtswidrig, weil das FA den Überschuß (jeweils für die Jahre 1981 bis 1983) nicht ohne rechtlichen Grund an den Kläger ausgezahlt habe und der rechtliche Grund auch nicht nach Auszahlung weggefallen sei. Rechtsgrund für die Auszahlung des Überschusses seien die Mitteilungen über Umsatzsteuer vom 5. bzw. 7. August 1985 gewesen, bei denen es sich um Steuerbescheide gehandelt habe.

Mit der Revision macht das FA geltend, die Auszahlung an den Kläger sei ohne rechtlichen Grund erfolgt, weil weder Steuerfestsetzungen gemäß § 168 AO 1977 noch gemäß §§ 155, 157 AO 1977 vorlägen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er vertritt die Auffassung, die Zustimmung gemäß § 168 Satz 2 AO 1977 sei ihm gegenüber wirksam erteilt worden.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Das FG hat zu Unrecht angenommen, die Mitteilungen vom 5. bzw. 7. August 1985 seien als Steuerfestsetzungen rechtlicher Grund (§ 37 Abs. 2 AO 1977) für die jeweilige Auszahlung des Überschusses.

1. Eine Steuerfestsetzung gemäß § 168 AO 1977 ist gegenüber dem Kläger nicht erfolgt. Nach der genannten Vorschrift steht eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Der Kläger hat jedoch keine Steueranmeldung abgegeben. Die Steueranmeldung der Eheleute ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Eigentümer- oder Vermietergemeinschaften sind im Umsatzsteuerrecht selbst Unternehmer (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. März 1993 V R 42/89, BFHE 172, 134, BStBl II 1993, 729) und als solche verpflichtet, Steuererklärungen abzugeben. Eine von der Gemeinschaft eingereichte Umsatzsteuererklärung kann - von denkbaren Ausnahmen bloßer, korrigierbarer Falschbezeichnung abgesehen - nicht als Steuererklärung ihrer einzelnen Teilhaber beurteilt werden. Der Umstand, daß das FA die Umsatzsteuererklärung der Eheleute als Steuererklärung des Klägers behandelt hat, ersetzt nicht die fehlende Umsatzsteuererklärung des Klägers. Unter diesen Umständen ging die Zustimmung gemäß § 168 Satz 2 AO 1977 ins Leere.

2. Dem Kläger gegenüber ist auch keine Steuer gemäß §§ 155, 157 AO 1977 durch die Mitteilungen festgesetzt worden. Der Regelungsinhalt der Mitteilungen ist im Wege der Auslegung klarzustellen. Es kann dahinstehen, ob es sich bei den Mitteilungen überhaupt um Verwaltungsakte handelt, wie der VII. Senat des BFH (Urteil vom 16. Oktober 1986 VII R 159/83, BFHE 148, 4, BStBl II 1987, 405) im Falle einer mit dem Steuerbescheid verbundenen Abrechnung von Vorauszahlungen angenommen hat. Jedenfalls enthielten die Mitteilungen nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt keine Steuerfestsetzungen und damit auch keinen rechtlichen Grund für die Auszahlung des in Wahrheit nicht festgesetzten Überschusses. Bereits ihre Bezeichnung als "Mitteilung über Umsatzsteuer" deutet darauf hin, daß es sich nicht um einen (Steuer-)"Bescheid über Umsatzsteuer" handelt. Dem weiteren Inhalt der Mitteilungen ist nicht die bei Steuerfestsetzungen übliche Überschrift "Festsetzung", sondern die Überschrift "Abrechnung" zugeordnet. Auch aus der nachfolgenden Formulierung "Festgesetzt sind ...." (anstelle von "Festgesetzt werden ....") sind die Bezugnahme auf eine anderweitige Steuerfestsetzung und der fehlende Festsetzungswille des FA ersichtlich. Dieser erkennbare Erklärungsinhalt der Mitteilungen steht mit der Gesetzeslage in Einklang. In Fällen der Abgabe einer Steueranmeldung wird, wenn das FA nicht von der Erklärung abweicht, die Steuer nicht vom FA festgesetzt, weil bereits die Steueranmeldung kraft Gesetzes (§ 168 AO 1977) als Steuerfestsetzung gilt. Das FA erteilt lediglich auf der Ebene der Steuererhebung eine Abrechnung, indem es von der - durch die Abgabe der Steueranmeldung als festgesetzt geltenden - Steuer die bereits getilgten Beträge absetzt und entweder ein Leistungsgebot oder eine Auszahlung anordnet. Dies hat das FA in den Mitteilungen unter der Überschrift "Abrechnung" getan. Eine Steuerfestsetzung liegt - entgegen der Ansicht des FG - darin nicht.

3. Da das FG von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben.

Die Sache ist entscheidungsreif (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klage wird abgewiesen. Der vom FA geltend gemachte Anspruch besteht gemäß § 37 Abs. 2 AO 1977 zu Recht. Der Kläger hat die an ihn ausgezahlten Beträge ohne rechtlichen Grund erlangt.