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  BFH-Urteil vom 30.8.1995 (I R 10/95) BStBl. 1995 II S. 868

1. Nach § 2 Nr. 1 SolZG 1991 sind abgabepflichtig natürliche Personen, die nach § 1 EStG einkommensteuerpflichtig sind. Dazu zählen auch beschränkt steuerpflichtige Personen i. S. des § 1 Abs. 4 EStG.

2. Ist eine natürliche Person gleichzeitig sowohl nach § 1 Abs. 4 EStG beschränkt einkommensteuerpflichtig als auch nach § 2 AStG erweitert beschränkt einkommensteuerpflichtig, so ist sie auch nach § 2 Nr. 1 SolZG 1991 abgabepflichtig. Als Bemessungsgrundlage ist jedoch nur die auf die inländischen Einkünfte i. S. des § 49 EStG erhobene Einkommensteuer anzusetzen.

3. Ist eine natürliche Person nur nach § 2 AStG erweitert beschränkt einkommensteuerpflichtig und nicht gleichzeitig nach § 1 Abs. 4 EStG (normal) beschränkt einkommensteuerpflichtig, so ist sie nicht abgabepflichtig i. S. des § 2 Nr. 1 SolZG 1991.

SolZG §§ 1, 2; EStG §§ 1 Abs. 4, 49; AStG § 2.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den letzten zehn Jahren vor dem 26. März 1991 als Deutscher mindestens fünf Jahre lang unbeschränkt steuerpflichtig. Am 26. März 1991 verlegte er seinen Wohnsitz auf die Bermudas. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger durch Bescheid vom 20. April 1994 gemäß § 2 des Außensteuergesetzes (AStG) zur Einkommensteuer 1991. Dabei setzte er auch einen Solidaritätszuschlag 1991 in Höhe von 3,75 v. H. von 240.840 DM (= Einkommensteuer 1991) = 9.032 DM fest.

Der Kläger legte ohne Erfolg Einspruch ein. Das Finanzgericht (FG) gab seiner Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 401, veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 2 AStG.

Es beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 1 des Solidaritätszuschlaggesetzes (SolZG) vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1318, BStBl I 1991, 640) wird zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ein Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben. Abgabepflichtig sind nach § 2 Nr. 1 SolZG natürliche Personen, die nach § 1 EStG einkommensteuerpflichtig sind. § 1 EStG regelt die Einkommensteuerpflicht im Sinne einer persönlichen Steuerpflicht. Nach § 1 EStG sind bestimmte natürliche Personen, jedoch keine Einkünfte steuerpflichtig. Während die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht einer natürlichen Person unabhängig von dem Erzielen eines Einkommens besteht, erstreckt sich die (persönliche) beschränkte Einkommensteuerpflicht nur auf die sog. inländischen Einkünfte der natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Damit erfährt die (persönliche) beschränkte Einkommensteuerpflicht einen Objektbezug auf die inländischen Einkünfte i. S. des § 49 EStG. Dennoch besteht sie unabhängig davon, ob die inländischen Einkünfte positiv oder negativ sind und ob sich eine wie auch immer zu erhebende Einkommensteuer ergibt. Gerade deshalb besteht die beschränkte Einkommensteuerpflicht auch unabhängig davon, ob die Person gleichzeitig die Voraussetzungen einer erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 2 AStG erfüllt und ob die Rechtsfolgen der beschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 4 i. V. m. §§ 49 ff. EStG von einer solchen nach § 2 AStG verdrängt werden. Die entsprechende Verdrängung vollzieht sich ausschließlich auf der Rechtsfolgenebene.

2. § 2 Abs. 1 AStG dehnt die in § 1 Abs. 4 EStG normierte beschränkte Einkommensteuerpflicht aus. Die Ausdehnung geht in drei verschiedene Richtungen. Zum einen wird die persönliche Einkommensteuerpflicht insoweit ausgedehnt, als Personen, die nach § 1 Abs. 4 EStG nicht beschränkt einkommensteuerpflichtig sind, nunmehr gemäß § 2 AStG beschränkt einkommensteuerpflichtig werden. Es handelt sich dabei um Personen, die unter den übrigen Voraussetzungen des § 2 AStG nur solche nichtausländische Einkünfte i. S. des § 34 d EStG erzielen, die nicht zugleich inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG sind.

Beispiel:

Ein im Ausland ansässiger Gläubiger erzielt von einem im Inland ansässigen Schuldner Darlehenszinsen, ohne daß das Darlehen besichert ist. Die Zinsen sind weder inländische (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG) noch ausländische Einkünfte (§ 34 d Nr. 6 EStG). Sie sind jedoch nichtausländische Einkünfte i. S. des § 2 AStG.

Diese nur auf § 2 AStG gestützte persönliche Einkommensteuerpflicht ist keine solche "nach § 1 EStG". Zum anderen betrifft die Ausdehnung den Objektbezug der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Dieselbe wird über die inländischen Einkünfte i. S. des § 49 EStG hinaus auch auf die sog. nichtausländischen Einkünfte i. S. des § 34 d EStG ausgedehnt. Insoweit bestehen die Einkommensteuerpflichten nach § 1 Abs. 4 EStG und nach § 2 AStG konstitutiv und selbständig nebeneinander. Sie haben nur jeweils einen anderen Objektbezug. Die Steuerpflicht nach § 2 AStG ist zwar keine solche nach § 1 Abs. 4 EStG. Da aber § 2 Nr. 1 SolZG nur auf die persönliche Einkommensteuerpflicht abstellt, schließt die Steuerpflicht nach § 2 AStG es nicht aus, daß daneben eine solche nach § 1 Abs. 4 EStG besteht, selbst wenn sie nicht zu einer selbständigen Steuererhebung führt. Schließlich löst die Anwendung des § 2 Abs. 5 AStG häufig eine höhere Steuerschuld als die aus, die sich unter Anwendung der §§ 1 Abs. 4, 49 ff. EStG ergeben hätte. Diese Ausdehnung ist jedoch für die hier zu entscheidende Rechtsfrage unerheblich, weil § 2 Nr. 1 SolZG die Abgabepflicht nur von der persönlichen Einkommensteuerpflicht i. S. des § 1 EStG und nicht von der Höhe der Einkommensteuerschuld abhängig macht. Nichts anderes ergibt sich aus der Tatsache, daß § 2 Abs. 1 AStG eine beschränkte Einkommensteuerpflicht "über die beschränkte Steuerpflicht im Sinne des EStG hinaus" begründet. Die insoweit erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht hat ihre Rechtsgrundlage nur in § 2 AStG und gerade nicht in § 1 Abs. 4 EStG. Auch die Rechtsfolgen, die mit der beschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 2 AStG verbunden sind, sind gegenüber denen nach § 1 Abs. 4 EStG andere. Sie sind der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht angenähert.

3. Im Ergebnis ist deshalb davon auszugehen, daß der Kläger nicht schon deshalb nach § 2 Nr. 1 SolZG abgabepflichtig ist, weil er gemäß § 2 AStG als erweitert beschränkt Steuerpflichtiger zur Einkommensteuer 1991 veranlagt wurde. Er ist jedoch nach § 2 Nr. 1 SolZG abgabepflichtig, weil er - wie das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat - im Streitjahr 1991 inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG bezog und deshalb beschränkt einkommensteuerpflichtig i. S. des § 1 Abs. 4 EStG war. Deshalb ist die Sache jedoch nicht entscheidungsreif. Das FG hat in tatsächlicher Hinsicht nicht festgestellt, ob der Kläger nur inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG oder daneben auch solche Einkünfte erzielte, die zwar nichtausländische Einkünfte i. S. des § 34 d EStG, jedoch keine inländischen Einkünfte i. S. des § 49 EStG sind (vgl. II.2 erste Fallgruppe). Sollte das FG im zweiten Rechtszug ersteres feststellen, so ist die Klage abzuweisen. Sollte dagegen der Sachverhalt unter die zweite Alternative zu subsumieren sein, so hätte der Kläger bei verfassungskonformer Auslegung Anspruch auf Gleichbehandlung mit einem solchen Steuerausländer, der nur nichtausländische Einkünfte i. S. des § 34 d EStG erzielt, die nicht zugleich inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG sind. Ein solcher Steuerausländer wäre nicht nach § 1 Abs. 4 EStG einkommensteuerpflichtig. Damit wäre er, soweit es um solche Einkünfte geht, auch nicht nach § 2 Nr. 1 SolZG abgabepflichtig. Entsprechend kann auch der Kläger für derartige Einkünfte nicht allein deshalb abgabepflichtig sein, weil er daneben noch inländische Einkünfte i. S. des § 49 EStG erzielte. Es kommt deshalb darauf an, welche Art von Einkünften der Kläger bezog. Die diesbezüglich fehlenden Feststellungen nachzuholen ist die Aufgabe des FG. Deshalb war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache war an das FG zurückzuverweisen.