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  BFH-Urteil vom 21.12.1994 (I R 98/93) BStBl. 1995 II S. 419

Die Zusage einer Pension an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer ist eine verdeckte Gewinnausschüttung, wenn der Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der Zusage der Pension und dem vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand weniger als 10 Jahre beträgt.

KStG § 8 Abs. 3 Satz 2.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine 1969 gegründete GmbH. Mehrheitsgesellschafter der Klägerin ist A, der auch deren alleiniger Geschäftsführer ist.

Die Klägerin erteilte dem 59 Jahre alten A am 19. April 1985 eine schriftliche Versorgungszusage. Danach wurden A in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer folgende betriebliche Versorgungsleistungen nach Maßgabe einer Versorgungsordnung gewährt, die zum Gegenstand der Pensionszusage wurde:

- Altersrente gemäß § 4 der Versorgungsordnung in Höhe von 36 v. H. der Bemessungsgrundlage (Monatsgehalt + 20 v. H.);

- vorgezogene Altersrente gemäß § 5 der Versorgungsordnung in Höhe der bis zu diesem Zeitpunkt angesammelten Sollrückstellung;

- Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente gemäß § 6 der Versorgungsordnung in Höhe von 100 v. H. der Altersrente;

- Witwen- und Waisenrente gemäß § 7 der Versorgungsordnung in Höhe von 60 bzw. 15 v. H. der Altersrente.

Nach § 4 der Versorgungsordnung sollte die Altersrente mit Vollendung des 65. Lebensjahres gewährt werden. In der Versorgungszusage für A ist vereinbart, daß mit Vollendung des 60. Lebensjahres eine Altersrente in Höhe von 43 v. H. und mit Vollendung des 63. Lebensjahres eine Altersrente in Höhe von 50 v. H. gewährt werde.

Die Klägerin bildete für A eine Pensionsrückstellung, der sie im Streitjahr 1987 einen Betrag in Höhe von 28.203 DM zuführte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die Pensionsrückstellung und damit die Zuführung im Streitjahr gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) nicht an. Die Klage hatte keinen Erfolg.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision Verletzung der §§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG und 6a des Einkommensteuergesetzes (EStG) und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Körperschaftsteuerbescheides 1987 vom 16. November 1992 die Körperschaft-steuer für 1987 auf 119.744 DM festzusetzen, hilfsweise, den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Finanzgericht (FG) zurückzuverweisen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

A. Der Revision ist nicht bereits wegen eines Verfahrensverstoßes stattzugeben. Soweit die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung rügt, das FG habe seiner Entscheidung einen allgemeinen Erfahrungssatz zugrunde gelegt, der weder allgemein bekannt noch zutreffend sei, rügt sie materielle Unrichtigkeit des Urteils und keinen Verfahrensmangel (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. April 1992 VIII B 49/90, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671 m. w. N.).

B. Die Zusage der Pension am 19. April 1985 an den zu diesem Zeitpunkt bereits 59jährigen A ist eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Die nach den Vereinbarungen verbleibende Zeit aktiver Tätigkeit reicht für ein Erdienen der zugesagten Versorgung nicht aus.

Unter einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (nunmehr ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795 m. w. N.). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626; ständige Rechtsprechung).

Einem Geschäftsleiter stellen sich bei Gewährung einer Pensionszusage folgende Grundsatzfragen:

- Kann er unter den gegebenen Umständen überhaupt eine Altersversorgung zusagen ("ob"), und bejahendenfalls

- welchen Inhalt darf sie haben ("wie")?

1. a) Bei der Frage, ob einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer eine Pension zugesagt worden wäre, spielt - neben anderen Kriterien (z. B. wirtschaftliche Leistungskraft des Unternehmens) - eine wesentliche Rolle, ob der Geschäftsführer die Pension noch erdienen kann (vgl. BFH-Urteile vom 10. November 1993 I R 36/93, BFH/NV 1994, 827; vom 13. Dezember 1961 I 321/60 U, BFHE 74, 657, BStBl III 1962, 243; vom 20. Mai 1992 I R 2/91, BFH/NV 1993, 52; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl., § 8 Anm. 150 "Pensionszusage" Anm. 6). In der Literatur wird allerdings zum Teil die Auffassung vertreten, daß Versorgungszusagen in jedem Alter gegeben würden und daher nur die Angemessenheit der Gesamtausstattung steuerlich zu überprüfen sei (vgl. Baer, Betriebs-Berater - BB - 1989, 1529; Höfer/Kisters-Kölkes, BB 1989, 1157). Der Senat kann sich dem nicht anschließen. Die betriebliche Altersversorgung ist eine (freiwillige) Maßnahme des Arbeitgebers in Anerkennung längerer Betriebszugehörigkeit und in Erwartung weiterer Betriebstreue (vgl. Schaub, Arbeitsrecht-Handbuch, 7. Aufl., § 81 I 1 m. w. N.). Auch § 1 Abs. 1 - insbesondere Nr. 1 - des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) vom 19. Dezember 1974 (BGBl I 1974, 3610), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297), liegt die Vorstellung zugrunde, daß eine Altersversorgung erdient werden muß.

b) Die Erdienbarkeit hängt entscheidend vom Alter des Geschäftsführers im Zeitpunkt der Pensionszusage und von dem Zeitpunkt ab, ab dem der Pensionsberechtigte durch Eintritt in den Ruhestand die Verpflichtung zur Zahlung der Pension auslösen kann. Der Senat hat zur Prüfung der Erdienbarkeit im wesentlichen auf das Alter im Zeitpunkt der Pensionszusage abgestellt und insbesondere im Hinblick auf das mit dem Alter steigende Risiko kurzfristiger Inanspruchnahme der Pension die Erdienbarkeit verneint, sobald der Geschäftsführer das 60. Lebensjahr überschritten hat (vgl. BFH in BFH/NV 1993, 52; Urteile vom 23. Juli 1957 I 306/56, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Körperschaftsteuergesetz, § 6 Abs. 1 Satz 2, Rechts-spruch 35; vom 10. April 1962 I 70/61, StRK, Einkommensteuergesetz, § 6a, Rechtsspruch 12; vom 9. Oktober 1985 I R 149/82, BFHE 144, 561, BStBl II 1986, 51; vom 13. April 1988 I R 284/82, BFH/NV 1989, 395; vom 25. Mai 1988 I R 107/84, BFH/NV 1989, 195; in BFH/NV 1994, 827; vom 5. Mai 1993 II R 60/90, BFH/NV 1994, 529). Daran hält der Senat fest.

Da A im Zeitpunkt der Zusage das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, kommt es im Streitfall entscheidend darauf an, wie lange der Zeitraum sein muß, in dem eine Pensionszusage jedenfalls dem Grunde nach durch eine aktive Tätigkeit erdient erscheint. Da es praktisch unmöglich ist, dies in jedem Einzelfall festzustellen, geht der Senat jedenfalls bei beherrschenden Gesellschaftsverhältnissen im Interesse der Rechtssicherheit davon aus, daß dieser Zeitraum mindestens zehn Jahre ab Erteilung der Pensionszusage betragen muß. Der Senat greift insoweit auf die dem § 1 Abs. 1 erster Gedankenstrich BetrAVG zugrundeliegende Zeitvorstellung zurück. Nach § 1 Abs. 1 BetrAVG wird eine Pensionsanwartschaft unverfallbar, wenn die Pensionszusage zehn Jahre bestanden hat bzw. der Betreffende dem Betrieb 12 Jahre angehörte und die Pensionszusage für drei Jahre bestand. Diese Regelung basiert auf der Vorstellung, daß nach Ablauf der genannten Zeiträume eine Versorgungszusage durch eine angemessene Betriebszugehörigkeit erdient ist und damit nicht mehr - beim Arbeitgeberwechsel - verfällt. Wenn auch im Streitfall die Frage nach der Verfallbarkeit entscheidungsirrelevant ist, bieten die Zeitvorstellungen des Gesetzgebers eine ausreichende Grundlage für die hier zu entscheidende Streitfrage. Dabei kann im Streitfall, in dem die Pension bereits im Jahr 1985 zugesagt wurde, nicht auf künftig geplante Kürzungen der Unverfallbarkeitsfrist zurückgegriffen werden. Bei einem beherrschenden Gesellschafter, dem die Kapitalgesellschaft eine Pensionszusage macht, verbietet es sich allerdings, auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit (§ 1 Abs. 1 zweiter Gedankenstrich BetrAVG) abzustellen, da Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter dem sog. Nachzahlungsverbot unterliegen (vgl. z. B. BFH in BFH/NV 1989, 395; BFH/NV 1989, 195). Die aktive Tätigkeit vor Zusage der Pension an einen beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer muß daher unberücksichtigt bleiben (vgl. auch Deutsche Steuer-Praxis - DStPr -, Körperschaftsteuergesetz 1977, vGA § 8 Nr. 34). Daraus folgt, daß beispielsweise eine Pension nicht mehr erdient wird, die einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer in einem Alter von 50 Jahren zugesagt wird, dieser aber vor Vollendung des 60. Lebensjahres die Zahlung einer Alterspension beanspruchen kann. Andererseits kann eine Pensionszusage dem Grunde nach steuerlich anerkannt werden, die kurz vor Vollendung des 60. Lebensjahres versprochen wird, der Gesellschafter-Geschäftsführer aber noch zur Arbeitsleistung bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres ernstlich verpflichtet ist. Ist der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer im Zeitpunkt der Zusage 60 Jahre und älter, so verbleibt es grundsätzlich bei der bisherigen Rechtsprechung, weil mit steigendem Alter und insbesondere spätestens mit dem Überschreiten des 70. Lebensjahres das Risiko einer Inanspruchnahme der Pension vor Ablauf des zehnjährigen Erdienenszeitraumes in nicht mehr kalkulierbarer Weise ansteigt. Die Frage, ob in dem zuletzt genann-ten Fall ausnahmsweise nur die Angemessenheit der Gesamtausstattung zu prüfen bleibt, wenn dem Gesellschafter-Geschäftsführer bereits aus einer früheren nichtselbständigen Tätigkeit ein Pensionsanspruch zusteht und sich die Pensionszusage nur als Abdeckung einer verbleibenden Lücke in der Altersversorgung darstellt, kann der Senat im Streitfall offenlassen. Sehen die vertraglichen Regelungen einen mindestens zehnjährigen Erdienenszeitraum ab Erteilung der Pensionszusage bis zum Eintritt in den Altersruhestand vor und sind sie ernsthaft vereinbart, so ist es vorbehaltlich einer denkbaren Wartezeit grundsätzlich unschädlich, wenn in der Versorgungszusage zugleich eine - der Höhe nach angemessene - Invaliditäts- und/oder Hinterbliebenenversorgung vorgesehen ist.

Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung auch nicht den Entgeltcharakter einer Pensionszusage. Diese wird als Teil der Gesamtausstattung (vgl. BFH-Urteil vom 11. September 1968 I 89/63, BFHE 93, 382, BStBl II 1968, 809) und damit als Teil des Entgelts verstanden, das die Kapitalgesellschaft ihrem Geschäftsführer für seine Dienstleistung zahlt.

2. Nach diesen Grundsätzen kann die Revision keinen Erfolg haben. A war beherrschender Gesellschafter. Er war im Zeitpunkt der Zusage bereits 59 Jahre alt. Nach § 4 der Versorgungsordnung war er maximal nur noch zu einer Arbeitsleistung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres verpflichtet. Damit fehlt es an der vertraglichen Vereinbarung eines mindestens zehnjährigen Erdienenszeitraumes. Damit kann dahingestellt bleiben, ob A aufgrund des Abs. 3 der individuellen Versorgungszusage nicht bereits eine Pension mit Vollendung des 60. Lebensjahres gewährt werden sollte.