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  BFH-Urteil vom 28.3.1995 (IX R 47/93) BStBl. 1996 II S. 59

Vermieten Eltern ihrem unterhaltsberechtigten Kind eine ihnen gehörende Wohnung, dann ist dies kein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i. S. des § 42 AO 1977, wenn das Kind neben den Unterhaltsleistungen über eigene Mittel verfügt, aus denen es die Miete zahlen kann. Dies ist z. B. der Fall, wenn die Eltern ihrem Kind zuvor die Mittel, hier einen Betrag von 20.000 DM, geschenkt haben (Anschluß an das BFH-Urteil vom 23. Februar 1994 X R 131/93, BFHE 173, 551, BStBl II 1994, 694; Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 23. Februar 1988 IX R 157/84, BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604).

EStG § 21; AO 1977 § 42.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eigentümer eines Zweifamilienhauses, in dem sie eine Wohnung selbst bewohnen. Die andere Wohnung vermieteten sie von 1984 bis zum Sommersemester 1987 an ihre damals studierende Tochter und ab dem 1. September 1987 an ihren Sohn, der im Mai zuvor sein Abitur bestanden hatte. Die monatliche Miete betrug 480 DM (Tochter) bzw. 500 DM (Sohn).

Die Kläger zahlten ihren Kindern monatlich 1.000 DM als Unterhalt. Die Miete zahlten die Kinder aus den Mitteln einer Schenkung der Eltern in Höhe von jeweils 20.000 DM. Das Geld war der Tochter im Frühjahr 1984 und dem Sohn im Oktober 1987 gezahlt worden. Die Kläger tragen vor, die 20.000 DM seien anläßlich des jeweiligen Abiturs der Kinder geschenkt worden. Beim Sohn habe sich die Schenkung verzögert, weil zunächst erhebliche Spannungen zwischen den Klägern und ihm bestanden hätten.

Die Kläger machten einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 76.443 DM geltend, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nicht berücksichtigte, weil die Regelung des § 52 Abs. 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hier keine Anwendung finden könne. Bei dem Abschluß der Mietverträge mit den Kindern handele es sich um einen Gestaltungsmißbrauch i. S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977), weil die Mietzahlungen aus den Unterhaltsleistungen der Eltern getätigt worden seien.

Nach vergeblichem Einspruch erhoben die Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurückwies.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 42 AO 1977.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG Köln vom 11. November 1992 3 K 8 91/90 aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Das FA hat den angefochtenen Bescheid durch Bescheid vom 24. Mai 1993 und ein weiteres Mal durch Bescheid vom 1. Februar 1995 geändert. Die Kläger haben jeweils beantragt, den Änderungsbescheid gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat § 42 AO 1977 unzutreffend angewendet.

1. Entgegen der Auffassung des FA und des FG sind die zwischen den Klägern und ihren Kindern abgeschlossenen Mietverträge für die Einkommensteuerveranlagung des Streitjahres steuerrechtlich anzuerkennen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat im Urteil vom 23. Februar 1988 IX R 157/84 (BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604) und in dem Beschluß vom 14. Juni 1988 IX B 157/87 (BFH/NV 1990, 97) entschieden, daß die Vermietung einer den Eltern gehörenden Wohnung an ihr volljähriges Kind, das die Miete aus dem von den Eltern geleisteten Barunterhalt zahlen muß, eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung i. S. des § 42 AO 1977 ist. Gegen diese Entscheidungen sind in der Literatur Einwände erhoben worden (vgl. Pezzer, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1994, 341; Drenseck, Finanz-Rundschau - FR - 1988, 337; Sangmeister, Der Betrieb - DB - 1988, 1673; Reiner in Kommentierte Finanzrechtsprechung - KFR - Fach 2, § 42 AO, 8/88, 211; Kemmer, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - F2, 5133; Charlier, NWB F3 a, 1305, 1313; Bordewin, Rechts- und Wirtschaftspraxis - RWP - 1988, 1171, SG1. 3, 2595, 2598). Der Senat läßt offen, ob er diese Kritik für berechtigt hält. Im Streitfall kommt es darauf nicht an. Der hier zu entscheidende Sachverhalt ist in einem entscheidenden Punkt anders als der in den genannten Fällen. Beide Kinder hatten hier eigenes Kapitalvermögen, aus dem sie die Mietzahlungen entrichten konnten. Insofern gleicht dieser Sachverhalt dem des BFH-Urteils vom 23. Februar 1994 X R 131/93 (BFHE 173, 551, BStBl II 1994, 694). Dort war dem Kind allerdings ein Betrag geschenkt worden, der ihm erlaubte, seine gesamten Unterhaltsbedürfnisse während der voraussichtlichen Zeit seines Studiums aus den Zinsen und dem Kapital zu decken. Dieser Unterschied ist aber für die Entscheidung im Streitfall unerheblich. Maßgeblich ist, daß die Kinder die Miete nicht aus den laufenden Unterhaltszahlungen zu finanzieren brauchten. Ihnen standen darüber hinaus eigene Gelder zur freien Verfügung, aus denen sie die Miete bezahlen konnten; insoweit vermag der Senat den entgegenstehenden Urteilen einiger FG nicht zu folgen (vgl. FG des Saarlandes, Urteil vom 6. September 1989 1 K 76/88, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1989, 637, rkr.; Hessisches FG, Urteil vom 13. September 1989 13 K 520/87, EFG 1990, 317, rkr.; FG Münster, Urteile vom 18. Mai 1989 XIV-VI 1376/86 E, nicht veröffentlicht - NV -, aufgehoben durch BFH-Urteil vom 9. November 1993 IX R 74/90, BFH/NV 1994, 474, und vom 3. September 1991 12 K 6193/88 E - 12 K 287/90 E, NV, rkr.; offen Oberfinanzdirektion Münster, Verfügung vom 20. Februar 1992, S 2254 - 57 - St 12-31, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1992, 580). Die geschenkten Gelder sind den Kindern auch als eigenes Vermögen zuzurechnen. Sie sind zwar so bemessen, daß sie während einer üblichen Studienzeit für die Miete aufgebraucht werden. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß sie unter einer Bedingung oder sonst unter Vorbehalt geschenkt worden sind. Die Kinder konnten vielmehr die Mietverträge mit einer Frist von drei Monaten kündigen und das erhaltene Geld für Mietzahlungen an einen fremden Dritten verwenden.

Da die Kinder eigene Mittel zur Zahlung der Miete besaßen, bestand insoweit kein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern (§ 1602 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Mit der Überlassung der Wohnung erfüllten die Kläger also keinen gesetzlichen Anspruch ihrer Kinder auf Unterhaltsgewährung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 173, 551, BStBl II 1994, 694).

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus für die Beurteilung, ob die Durchführung der zwischen den Klägern und ihren Kindern vereinbarten Mietverträge der zwischen fremden Dritten entsprach. Der Mietvertrag zwischen nahen Angehörigen ist nämlich nur dann im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu berücksichtigen, wenn er nicht nur zivilrechtlich gültig wie unter Fremden vereinbart, sondern auch wie unter Fremden üblich tatsächlich durchgeführt worden ist (BFH-Urteile vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 164, 359, BStBl II 1992, 75, und vom 25. Mai 1993 IX R 17/90, BFHE 171, 452, BStBl II 1993, 834). Das FG hatte, aus seiner Sicht zu Recht, keinen Anlaß, dies zu prüfen. Der Senat kann die Feststellungen als Revisionsgericht nicht selbst treffen (§ 118 Abs. 2 FGO); die Sache ist daher an das FG zurückzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).