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  BFH-Urteil vom 21.9.1995 (IV R 65/94) BStBl. 1996 II S. 66

1. Der alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist aufgrund eines verdeckten Gesellschaftsverhältnisses Mitunternehmer der Familien-GmbH & Co. KG, wenn er für die Geschäftsführung unangemessene gewinnabhängige Bezüge erhält und sich - wie bisher als Einzelunternehmer - als Herr des Unternehmens verhält.

2. Die Gesamtbezüge sind unangemessen, wenn der Geschäftsführer neben einem üblichen Festgehalt eine ungewöhnlich hohe Gewinnbeteiligung erhält, die stets den überwiegenden Teil des Gewinns abschöpft.

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

A betrieb unter der Firma "F, Inhaber A" in gemieteten Räumen ein Einzelunternehmen. Er veräußerte das Betriebsvermögen an die Klägerin und Revisionsklägerin, eine GmbH & Co. KG (im folgenden Klägerin oder KG), die ihren Geschäftsbetrieb am 1. Juli 1978 aufnahm. Am Festkapital der KG von 250.000 DM ist die A-GmbH (GmbH) als allein geschäftsführungsberechtigte Komplementärin mit 96 v. H. und die Ehefrau des A als alleinige Kommanditistin mit 4 v. H. beteiligt. Nach dem Gesellschaftsvertrag der KG sind die GmbH und ihre Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit. Gewinn und Verlust werden nach dem Verhältnis der Einlagen verteilt. Das Widerspruchsrecht der Kommanditistin gemäß § 164 des Handelsgesetzbuches (HGB) ist ausgeschlossen.

A ist seit dem 31. Mai 1979 alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH. Das Stammkapital beträgt 240.000 DM (seit dem 14. April 1978).

A erhält aufgrund eines mit der KG geschlossenen Anstellungsvertrages jährlich ein Festgehalt in Höhe des Doppelten der im Januar des betreffenden Jahres geltenden Beitragsbemessungsgrenze der Angestelltenversicherung sowie eine Tantieme von 56 v. H. des Reingewinns der KG vor Abzug der Ertragsteuern; die Tantieme verringert sich, sofern der Restgewinn der KG nach Abzug der Gewerbesteuer niedriger als 20 v. H. des Stammkapitals der GmbH ist, um 7/10 dieser Differenz. A ist berechtigt, in dem Geschäftszweig der KG Geschäfte zu machen und sich an gleichartigen Gesellschaften, auch als persönlich haftender Gesellschafter, zu beteiligen.

Im Anschluß an eine für die Jahre 1982 bis 1986 durchgeführte Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, daß A - neben seiner Ehefrau und der GmbH - als Mitunternehmer der KG anzusehen sei. Das FA stützte sich insbesondere auf folgende Feststellungen des Prüfers:

a) A habe unangemessene Gesamtbezüge erhalten (im Streitjahr 1985 ein Festgehalt von 132.600 DM, Nachtzuschläge von 7.133 DM und eine Tantieme von 169.173 DM).

b) A habe erhebliche Beträge für private Zwecke entnommen, deren Verbuchung auf einem Verrechnungskonto an sämtlichen Bilanzstichtagen im Prüfungszeitraum Salden zu seinen Lasten ergeben habe (zwischen rd. 203.000 DM am 31. Dezember 1982 und rd. 407.000 DM am 31. Dezember 1984); zwischen den Bilanzstichtagen sei der Saldo z. T. noch höher gewesen (z. B. rd. 683.000 DM am 17. Dezember 1984). Das Verrechnungskonto sei erst bei der Erstellung der Jahresabschlüsse der KG - ebenso wie die Darlehenskonten der Gesellschafter - mit 4 v. H. über dem zu Jahresanfang geltenden Diskontsatz der Bundesbank in der Weise verzinst worden, daß der Zinsbetrag dem jeweiligen Schuldenstand hinzugerechnet worden sei. Vereinbarungen in bezug auf Rückzahlungen und Sicherheiten seien nicht getroffen worden; Rückzahlungen habe A nach eigenem Gutdünken geleistet.

c) Ein Ladenumbau sei in der Weise finanziert worden, daß A ein Darlehen über insgesamt 272.000 DM aufgenommen und hierfür eine Sicherheit gestellt habe; A hafte ferner selbstschuldnerisch für die Verpflichtungen der KG gegenüber dem Vermieter der Geschäftsräume X-Straße, Frankfurt.

d) A sei auch nach außen als Einzelunternehmer im eigenen Namen aufgetreten.

Das FA erließ u. a. einen entsprechend geänderten Gewerbesteuermeßbescheid 1985, in dem es den Gewerbeertrag unter Einbeziehung der Geschäftsführerbezüge (308.906 DM) und der Gewinnausschüttung der GmbH (78.125 DM) ermittelte.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sei A aufgrund eines verdeckten Innengesellschaftsverhältnisses als Mitunternehmer tätig geworden.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

FA und FG haben zu Recht angenommen, daß A als Mitunternehmer anzusehen und demzufolge der Gewerbeertrag (§ 7 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) um die gesamten Geschäftsführerbezüge sowie die Gewinnausschüttung der GmbH zu erhöhen ist.

1. Mitunternehmer i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist, wer als zivilrechtlicher Gesellschafter einer Personengesellschaft, die sowohl Außengesellschaft als auch Innengesellschaft sein kann, oder aufgrund eines wirtschaftlich einem Gesellschaftsverhältnis vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses Unternehmerrisiko trägt und Unternehmerinitiative entfalten kann (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Für die Annahme der Mitunternehmerschaft genügt danach auch ein verdecktes Gesellschaftsverhältnis; ob ein solches Gesellschaftsverhältnis vorliegt, ist unabhängig von der formalen Bezeichnung der zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehungen nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen (ständige Rechtsprechung des BFH, z. B. Urteil vom 13. Juli 1993 VIII R 50/92, BFHE 173, 28, BStBl II 1994, 282 m. w. N.).

2. Das FG hat zu Recht angenommen, daß im Streitfall ein verdecktes Gesellschaftsverhältnis zustande gekommen ist.

a) Ein gewichtiger Anhaltspunkt für ein Gesellschaftsverhältnis liegt darin, daß sich die in dem Anstellungsvertrag vereinbarten Bezüge durch die Dienstleistungen des A nicht erklären lassen.

Den Beteiligten steht es zwar frei, ihre Leistungen - ausschließlich - im Wege von Austauschverträgen zu erbringen. Danach können auch Dienstverträge als solche hinzunehmen sein, selbst wenn der Geschäftsführer neben einem Festgehalt eine gewinnabhängige Tantieme bezieht; das Vergütungsrisiko für die Tantieme wird grundsätzlich als üblich gewertet, da leitenden Angestellten auch sonst gewinnabhängige Bezüge zugestanden werden, um ihr Interesse am Unternehmenserfolg zu stärken (BFH-Urteil in BFHE 173, 28, BStBl II 1994, 282 m. w. N., ständige Rechtsprechung).

Anhaltspunkte für ein verdecktes Gesellschaftsverhältnis können sich aber aus der Höhe der vereinbarten Gesamtbezüge ergeben, sofern sie für die Leistungen eines Dritten nicht aufzubringen wären und damit unangemessen sind (z. B. Senatsurteile vom 22. Oktober 1987 IV R 17/84, BFHE 151, 163, BStBl II 1988, 62; vom 23. August 1990 IV R 58/89, BFH/NV 1991, 661). Bei einem für sich gesehen noch angemessenen Festgehalt kann, wie das FG zu Recht angenommen hat, eine im Verhältnis sowohl zum Festgehalt als auch zum verbleibenden Gewinn der KG ungewöhnlich hohe Erfolgsbeteiligung als ausschlaggebend angesehen werden. Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, daß eine ungewöhnlich hohe Erfolgsbeteiligung eher für ein Gesellschaftsverhältnis spricht (Urteile vom 6. Oktober 1971 I R 215/69, BFHE 103, 572, BStBl II 1972, 187; vom 28. Januar 1982 IV R 197/79, BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389); als ungewöhnlich sind jedenfalls Tantiemeregelungen zu werten, die zur Folge haben, daß stets der überwiegende Teil des Jahresergebnisses dem Geschäftsführer zufließt.

Danach zwingt im Streitfall die Gewinntantieme, die ungewöhnlich hoch ist und auf eine Gewinnabschöpfung abzielt, zu der Annahme, daß die Gesamtbezüge unangemessen sind. Bei dieser Sachlage läßt sich entgegen der Auffassung der Revision die Höhe der Bezüge weder mit Art und Umfang des Unternehmens der KG und der Dienstleistungen des A erklären, noch damit rechtfertigen, daß der KG angesichts hoher Erträge nach Abzug der Bezüge stets verteilbare Gewinne verblieben, die eine angemessene Verzinsung der Kapitaleinlagen der GmbH und der Ehefrau gewährleisteten. Da bereits die Abschöpfung des überwiegenden Teils des Gewinns für die Unangemessenheit der Bezüge spricht, kann es auf die Höhe des verbleibenden verteilbaren Gewinns nicht ankommen. Dieser Umstand wird in diesem Zusammenhang auch sonst als unerheblich angesehen. Demgemäß hat der Senat im umgekehrten Fall die Angemessenheit von Bezügen selbst dann bejaht, wenn diese der Arbeitsleistung entsprachen, nach ihrem Abzug aber nur noch ein geringer verteilbarer Gewinn verblieb (Urteile in BFHE 151, 163, BStBl II 1988, 62; in BFH/NV 1991, 661).

Das FG hat schließlich zu Recht davon abgesehen, die Bezüge in einen angemessenen und einen unangemessenen Teil aufzuteilen.

Die Unangemessenheit der Bezüge rechtfertigt die Annahme eines verdeckten Gesellschaftsverhältnisses und, sofern die beiden Merkmale der Mitunternehmerschaft ebenfalls erfüllt sind, die Erfassung der gesamten Bezüge als Tätigkeitsvergütung i. S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; demzufolge ist auch, was die Revision verkennt, der Betriebsausgabenabzug nicht nur für den unangemessenen Teil der Bezüge zu versagen.

b) Das FG hat im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung zu Recht weitere Anhaltspunkte für ein Gesellschaftsverhältnis bejaht.

Nach dem Senatsurteil vom 5. Juni 1986 IV R 272/84 (BFHE 147, 146, BStBl II 1986, 802), auf das sich das FG in diesem Zusammenhang berufen hat, kann auch berücksichtigt werden, ob ein Vertragsbeteiligter die sonst einem Gesellschafter zustehenden Befugnisse in Anspruch nimmt. Dementsprechend ist das FG anhand aller äußerlich erkennbarer Umstände des Streitfalls zutreffend zu der Schlußfolgerung gekommen, daß A sich nicht wie ein weisungsgebundener Geschäftsführer, sondern wie der Alleininhaber des Unternehmens verhalten hat. In die Gesamtbetrachtung waren ferner die Entstehungsgeschichte des Unternehmens und der Umstand einzubeziehen, daß nach der Eigenart des Unternehmens der geschäftliche Erfolg nahezu ausschließlich durch die persönlichen Leistungen des A bestimmt wird.

3. Das FG hat auch zu Recht die Merkmale der Mitunternehmerschaft bejaht.

A konnte in seiner Funktion als alleiniger Geschäftsführer der KG Initiative entfalten, die ihrer Wesensart nach als Mitunternehmerinitiative angesehen werden kann. Er hat nach den tatsächlichen Feststellungen des FG sämtliche unternehmerischen Entscheidungen allein getroffen; hinzu kommt, daß seine Geschäftsführungsbefugnisse weder nach dem Gesellschaftsvertrag der KG noch nach dem Anstellungsvertrag eingeschränkt waren und selbst das Widerspruchsrecht der Kommanditistin ausgeschlossen war.

A trug auch ein Mitunternehmerrisiko. Das FG hat zutreffend ausgeführt, angesichts der ausgeprägten Unternehmerinitiative genüge es, daß A durch seine ungewöhnlich hohe Tantieme an positiven Jahresergebnissen der KG in erheblichem Umfang teilhabe. Da A als alleiniger Anteilseigner und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH auch die Geschäfte der KG führt, ist die Möglichkeit zur Entfaltung der Mitunternehmerinitiative besonders stark ausgeprägt. In einem solchen Fall ist ein schwach ausgeprägtes Mitunternehmerrisiko hinreichend und folglich eine Beteiligung am Verlust, den stillen Reserven und dem Geschäftswert der KG entbehrlich (vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 VIII R 42/90, BFHE 170, 345, BStBl II 1994, 702 m. w. N.). Aus diesem Grund kann auch unentschieden bleiben, ob das stark ausgeprägte Risiko, das A als alleiniger Anteilseigner der mit 96 v. H. am Vermögen der KG beteiligten GmbH mittelbar trug, ausschlaggebend sein könnte.

4. Die vom FA und FG aus der Mitunternehmerschaft gezogenen Folgerungen sind nicht zu beanstanden. Der Gewinn und folglich auch der Gewerbeertrag waren in vollem Umfang um die Geschäftsführerbezüge des A (als Tätigkeitsvergütung) sowie die Gewinnausschüttung der Komplementär-GmbH (als Sonderbetriebseinnahme; vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 15 Rdnr. 714 m. w. N.) zu erhöhen.