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  BFH-Urteil vom 28.9.1995 (IV R 57/94) BStBl. 1996 II S. 68

Abstockungen auf die Buchwerte der Wirtschaftsgüter der Personengesellschaft in einer negativen Ergänzungsbilanz, die zur Neutralisierung eines entstandenen Einbringungsgewinns erstellt wurde, sind entsprechend dem Verbrauch der Wirtschaftsgüter erfolgserhöhend aufzulösen.

UmwStG § 24.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1994, 858)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) brachte seine Steuerberaterpraxis in eine zum 1. Januar 1985 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ein. In der Eröffnungsbilanz der GbR wurden die Buchwerte der eingebrachten Wirtschaftsgüter fortgeführt und gleichzeitig die von den beiden anderen Gesellschaftern (Mitgesellschafter) erbrachten Bareinlagen von je 300.000 DM erfaßt. Da die Bareinlagen der beiden Gesellschafter ihre Kapitalkonten in der Gesellschaftsbilanz überstiegen, nahmen sie in positiven Ergänzungsbilanzen Aufstockungen auf die Buchwerte der Wirtschaftsgüter der GbR und einen nicht aktivierten Praxiswert vor. Der Kläger wies in seiner negativen Ergänzungsbilanz entsprechende Abstockungen aus.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte bei der Gewinnfeststellung für die Streitjahre 1985 und 1986 für die beiden Mitgesellschafter Abschreibungen auf die Aufstockungen in Höhe von insgesamt 49.168 DM (1985) und 4.680 DM (1986) und setzte entsprechende Gewinne des Klägers aus der Auflösung der Abstockungen an.

Der Kläger machte mit seiner nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage geltend, die Abstockungen seien nur insoweit gewinnerhöhend aufzulösen, als einzelne Wirtschaftsgüter aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden seien (15.248 DM für 1985 und 745 DM für 1986).

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, die Abstockungen seien nur Merkposten zur Dokumentation der durch die Einbringung steuerneutral übertragenen stillen Reserven, die nach § 24 Abs. 2 des Gesetzes über steuerliche Maßnahmen bei Änderung der Unternehmensform (UmwStG 1977) vom 6. September 1976 (BGBl I 1976, 2641) nicht zur Ermittlung der Buchwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter herangezogen werden dürften. Nach Sinn und Zweck des § 24 UmwStG 1977 könne nicht jede Veränderung in den positiven Ergänzungsbilanzen eine entsprechende Veränderung in der negativen Ergänzungsbilanz nach sich ziehen; in bezug auf die Abstockungen werde ein Gewinn des Einbringenden erst durch die Veräußerung der Wirtschaftsgüter realisiert. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 858 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 24 Abs. 2 und 3 UmwStG 1977).

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Das FG hat zu Unrecht angenommen, daß die Abstockungen in der negativen Ergänzungsbilanz nur bei einem Abgang der Wirtschaftsgüter gewinnerhöhend aufzulösen sind.

1. Nach § 24 Abs. 2, 3 UmwStG 1977 darf bei der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft in der Weise, daß der Einbringende Mitunternehmer der Personengesellschaft wird, die Personengesellschaft das eingebrachte Betriebsvermögen mit seinem Buchwert oder mit einem höheren Wert, höchstens mit dem Teilwert, ansetzen; der Wert, mit dem das eingebrachte Betriebsvermögen in der Bilanz der Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen für ihre Gesellschafter angesetzt wird, gilt für den Einbringenden als Veräußerungspreis. Einbringungswert ist danach der Wertansatz bei der Gesellschaft zuzüglich des Saldos aus positiven und negativen Ergänzungsbilanzen der Gesellschafter. Ein Einbringungsgewinn entsteht so nur, wenn und soweit in der Bilanz der Personengesellschaft einschließlich der Ergänzungsbilanzen der Gesellschafter in Ausübung des Wahlrechts für die Wirtschaftsgüter des eingebrachten Betriebs höhere Werte als die bisherigen Buchwerte angesetzt werden. § 24 Abs. 2 UmwStG 1977 läßt die Erstellung negativer Ergänzungsbilanzen zu, um Einbringungsgewinne zu neutralisieren; dabei ist es unerheblich, ob solche Gewinne dadurch entstehen, daß in der Bilanz der Personengesellschaft die eingebrachten Wirtschaftsgüter mit höheren Werten angesetzt werden oder ob in der Bilanz der Personengesellschaft zwar die Buchwerte fortgeführt werden, ein Gesellschafter jedoch eine positive Ergänzungsbilanz aufstellt, weil seine Einlage wegen stiller Reserven im eingebrachten Betriebsvermögen des Mitgesellschafters höher ist als sein Kapitalkonto in der Bilanz der Personengesellschaft (vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 1994 IV R 82/92, BFHE 176, 392, BStBl II 1995, 599).

Der Kläger hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und dadurch die Realisierung eines Veräußerungsgewinns nach Maßgabe des ihm in der Gesellschaftsbilanz eingeräumten Kapitalkontos vermieden.

2. Auf der Grundlage der Einbringungswerte aus Gesellschaftsbilanz und Ergänzungsbilanzen ist in der Folge auch das Beteiligungsergebnis der Gesellschafter zu ermitteln. Entgegen der Auffassung des FG, die auch von einem Teil der Literatur vertreten wird (Hübl in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 22 UmwStG 1969 Rdnr. 48; Regniet, Ergänzungsbilanzen bei der Personengesellschaft, S. 178 ff.; Müller/Rebensburg, Der Betrieb 1987, 68; Merkert in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 24 UmwStG Rdnr. 12; Bitz in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 15 EStG Rdnr. 64), sind hierbei nicht nur die Aufstockungen in den positiven Ergänzungsbilanzen, sondern auch die Abstockungen in der negativen Ergänzungsbilanz des Einbringenden entsprechend dem Verbrauch der Wirtschaftsgüter gewinnwirksam aufzulösen.

a) Ergebnisse aus einer Ergänzungsbilanz führen im Interesse einer zutreffenden Besteuerung zu einer Korrektur des Gewinnanteils des Gesellschafters i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dabei sind grundsätzlich sowohl Aufstockungen in einer positiven Ergänzungsbilanz als auch Abstockungen in einer negativen Ergänzungsbilanz einzubeziehen. Sie stellen Korrekturen zu den Wertansätzen in der Steuerbilanz der Personengesellschaft für die Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens dar, die mit dem Abgang oder Verbrauch dieser Wirtschaftsgüter gewinnwirksam aufzulösen sind; dies hat der Senat für den Fall, daß beim entgeltlichen Erwerb eines Gesellschaftsanteils eine Ergänzungsbilanz zu erstellen ist, um das Kapitalkonto des Veräußerers in der Gesellschaftsbilanz auf den Anschaffungspreis zu berichtigen, wiederholt ausgesprochen (Urteile vom 19. Februar 1981 IV R 41/78, BFHE 133, 510, BStBl II 1981, 730; vom 21. April 1994 IV R 70/92, BFHE 174, 413, BStBl II 1994, 745).

b) Dementsprechend sind Auf- und Abstockungen in Ergänzungsbilanzen auch dann mit dem Verbrauch der Wirtschaftsgüter - korrespondierend - aufzulösen, wenn durch eine negative Ergänzungsbilanz des Einbringenden gemäß § 24 Abs. 2 UmwStG 1977 ein Einbringungsgewinn neutralisiert wurde (so auch Tz. 79 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 16. Juni 1978 IV B 2 - S 1909 - 8/78, BStBl I 1978, 235; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Tz. 7928 m. w. N.; Glade/Steinfeld, Umwandlungssteuergesetz 1977, 3. Aufl., § 24 Rdnr. 1312, 1317; Dreissig, Steuerberater-Jahrbuch 1990/91, S. 221, 238 ff.).

Die Abstockungen können entgegen der Ansicht des FG nicht als bloße Merkposten in bezug auf die durch die Einbringung steuerneutral übertragenen stillen Reserven der Wirtschaftsgüter gewertet werden. Sie stellen vielmehr Korrekturen zu den entsprechenden Wertansätzen in der Bilanz der Personengesellschaft und den positiven Ergänzungsbilanzen der anderen Gesellschafter dar. Wenn nach § 24 Abs. 2 UmwStG 1977 der Wertansatz für das eingebrachte Betriebsvermögen durch die Wertansätze in der Bilanz der Personengesellschaft und in sämtlichen Ergänzungsbilanzen bestimmt wird, ist dieser Wertansatz nicht nur für die Entstehung eines Einbringungsgewinns, sondern auch für die weitere steuerliche Behandlung der eingebrachten Wirtschaftsgüter maßgebend. Dies kommt auch im Gesetz zum Ausdruck. Nach § 24 Abs. 4 UmwStG 1977 gilt nämlich § 23 (jetzt § 22) sinngemäß. Nach den Regelungen in Abs. 1 und 2 dieser Vorschrift ist für die Höhe der Absetzungen für Abnutzung (AfA) der von der aufnehmenden Kapitalgesellschaft angesetzte Einbringungswert maßgebend. Er wird im Falle der Einbringung in eine Personengesellschaft auch durch Auf- und Abstockungen in den Ergänzungsbilanzen bestimmt.

Werden die Buchwerte des Einbringenden in der Bilanz der Personengesellschaft auf den Teilwert aufgestockt und hat der Einbringende die Aufstockungen und sein erhöhtes Kapitalkonto in einer negativen Ergänzungsbilanz durch entsprechende Abstockungen neutralisiert, so ist allgemein anerkannt, daß er die Abstockungen in dem Umfang auflösen muß, als die betroffenen Wirtschaftsgüter in der Bilanz der Personengesellschaft durch Verbrauch, Abnutzung oder Veräußerung abgehen oder gemindert werden (vgl. Hübl in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 22 UmwStG 1969 Rdnr. 80; Reiß in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 16 Rdnr. B 54). Hierdurch wird gewährleistet, daß der Einbringende die stillen Reserven in derselben Weise wie bei Fortführung des eingebrachten Unternehmens versteuert. Diese Auflösung tritt, was das FG verkannt hat, nicht nur im Falle der Veräußerung des Wirtschaftsguts, sondern auch durch die Verrechnung zu geringer AfA ein, die den Teilwert der Anlagegüter nicht berücksichtigen.

Entsprechendes gilt, wenn die Buchwerte des Einbringenden in der Bilanz der Gesellschaft fortgeführt werden, ihm aber im Hinblick auf die Einlagen von Mitgesellschaftern ein sein früheres Eigenkapital übersteigendes Kapitalkonto eingeräumt, der Mehrbetrag jedoch durch eine negative Ergänzungsbilanz ausgeglichen wird. In diesem Fall erhöht die Auflösung der stillen Reserven durch Verbrauch, Abnutzung oder Veräußerung der unterbewerteten Wirtschaftsgüter zwar den Gesellschaftsgewinn, an dem der Einbringende jedoch nur entsprechend seinem Gewinnanteil teilnimmt. Durch die Auflösung der Abstockungsbeträge in der negativen Ergänzungsbilanz erhöht sich sein Gewinnanteil bis zu dem Maße, in dem ihm die stillen Reserven auch bei Fortführung seines Unternehmens zugute gekommen wären. Im Falle der Buchwertfortführung in der Gesellschaftsbilanz steht der Auflösung von Abstockungsbeträgen in der negativen Ergänzungsbilanz eine entsprechende Abschreibung von Aufstockungen in der positiven Ergänzungsbilanz eines Mitgesellschafters gegenüber.

Diese Fortentwicklung der negativen Ergänzungsbilanz des Einbringenden ist nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 4 i. V. m. §§ 23 Abs. 1, 15 Abs. 3 UmwStG 1977 geboten und verstößt auch nicht gegen Sinn und Zweck des § 24 UmwStG 1977. Danach kann zwar der entstehende Einbringungsgewinn durch Aufstellung einer negativen Ergänzungsbilanz für den einbringenden Gesellschafter "in die Zukunft verlagert" werden (BTDrucks 12/5630, S. 80 mit Hinweis auf Tz. 79 des BMF-Schreibens in BStBl I 1978, 235); vom Zeitpunkt der Einbringung an werden indes bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern sowohl die Mehr- als auch die Minderwerte in den Ergänzungsbilanzen mit dem Verbrauch der Wirtschaftsgüter gewinnwirksam. Daß die Auflösung der Abstockungen für den Einbringenden ungünstiger sein kann als eine tarifbegünstigte Besteuerung des Einbringungsgewinns bei Ansatz des eingebrachten Betriebsvermögens mit seinem Teilwert (§ 24 Abs. 3 UmwStG 1977 i. V. m. §§ 16 Abs. 4, 34 Abs. 1 EStG) trifft zwar zu, ist aber ohne Bedeutung, da die Personengesellschaft und die Gesellschafter in Ausübung ihres Wahlrechts den Buchwert angesetzt haben und hieran gebunden sind.

3. Anhaltspunkte für die Annahme, daß die von den Mitgesellschaftern erbrachte Bareinlage wieder ausgekehrt wurde und deshalb eine gewinnerhöhende Zuzahlung an den Einbringenden anzunehmen ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 176, 392, BStBl II 1995, 599), ergeben sich aus den Feststellungen des FG nicht.