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  BFH-Urteil vom 21.9.1995 (IV R 96/94) BStBl. 1996 II S. 85

Betreibt ein Viehhändler neben einer Großschlächterei in erheblichem Umfang auch eine Viehmast, ohne die für eine landwirtschaftliche Betätigung erforderliche Futtergrundlage zu haben, sind die aus der Tierhaltung resultierenden Verluste gemäß § 15 Abs. 4 EStG nicht ausgleichs- und nicht abzugsfähig.

EStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3, § 15 Abs. 4.

Vorinstanz: Niedersächsisches Finanzgericht (EFG 1995, 209)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Viehhandelsgeschäft und eine Großschlächterei. Zu deren besseren Auslastung läßt er in verschiedenen angemieteten Ställen Vieh mästen.

Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer fest, daß der Kläger bei der Tierhaltung in den Streitjahren Verluste in Höhe von 14 342 DM (1986) und von 16 026 DM (1987) erzielt hatte. Er vertrat die Ansicht, daß die Verluste nach § 15 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht mit den übrigen Einkünften des Klägers verrechnet werden könnten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem und erließ entsprechend geänderte Steuerbescheide. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Mit der Klage machte der Kläger u. a. geltend, das Ausgleichs- und Abzugsverbot des § 15 Abs. 4 EStG diene dazu, die in der traditionellen Landwirtschaft betriebene Tierzucht und Tierhaltung vor der Konkurrenz durch industrielle Tierveredelungsproduktion, insbesondere in Form von Verlustbeteiligungsgesellschaften zu schützen. Das könne nicht für Verluste gelten, wenn sie in einem Betriebszweig angefallen seien, der dem einheitlichen Betrieb nicht das Gepräge gebe, sondern dienender oder nebensächlicher Art sei. Im Streitfall diene die betriebene Tierhaltung nicht zur Ausnutzung der für die Landwirtschaft geschaffenen steuerlichen Vorteile und Vergünstigungen, sondern ausschließlich dazu, die jederzeitige Versorgung des Schlachtbetriebes mit ausreichenden Schlachtviehmengen sicherzustellen.

Die während des Klageverfahrens ergangenen, teilweise für vorläufig erklärten Änderungsbescheide hat der Kläger zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 209 veröffentlichten Entscheidung, daß der Kläger die geltend gemachten Verluste nach § 15 Abs. 4 EStG weder mit anderen Einkünften ausgleichen könnte noch dürften sie nach § 10 d EStG abgezogen werden.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet.

I. Der Kläger hat in der Revisionsbegründungsschrift - wie nach § 120 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erforderlich - mit § 15 Abs. 4 EStG die Rechtsnorm bezeichnet, die nach seiner Auffassung das FG im angefochtenen Urteil verletzt haben soll. Auch hat der Kläger seine tatsächlichen Angaben aus dem Klageverfahren nicht lediglich wiederholt, sondern damit sowie anhand der, gemessen an den Gesamtumsätzen geringfügigen, rechnerisch auf die Tierhaltung entfallenden Umsätze auch seine Auffassung dargetan, daß entgegen der Ansicht des FG nur ein einheitlicher gewerblicher Betrieb vorliegt, zumal er die gehaltenen Schweine nur an den eigenen Schlachtbetrieb geliefert habe.

II. Die Revision ist unbegründet; zu Recht hat das FG die geltend gemachten Verluste dem Ausgleichs- und Abzugsverbot des § 15 Abs. 4 EStG unterworfen.

1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2 und 3 EStG gehören zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft auch die Einkünfte aus der Tierzucht und Tierhaltung, sofern der Betrieb über eine hinreichende Futtergrundlage in Gestalt von landwirtschaftlichen Nutzflächen verfügt. Fehlt es - wie im Streitfall - an dieser Voraussetzung, handelt es sich um einen Gewerbebetrieb (Senatsurteil vom 14. September 1989 IV R 88/88, BFHE 158, 353, BStBl II 1990, 152). Grundsätzlich kann ein Steuerpflichtiger die in einem Gewerbebetrieb entstandenen Verluste mit positiven anderen Einkünften ausgleichen (§ 2 Abs. 3 EStG) oder im Wege des Verlustabzugs (§ 10 d EStG) geltend machen. Davon ausgenommen sind jedoch Verluste aus gewerblicher Tierzucht oder gewerblicher Tierhaltung (§ 15 Abs. 4 EStG; früher § 15 Abs. 2 EStG 1975 und § 2 a EStG 1971), und zwar sämtliche Verluste (Senatsurteil vom 5. Februar 1981 IV R 163/77, BFHE 132, 456, BStBl II 1981, 359). Dieser Ausschluß ist eindeutig, wenn die gesamte Betätigung des Steuerpflichtigen sich darauf beschränkt, Vieh ohne die erforderliche landwirtschaftlich genutzte Fläche zu erzeugen oder zu halten (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).

2. a) Nicht geklärt ist jedoch u. a., ob das Ausgleichs- und Abzugsverbot auch eingreift, wenn der Steuerpflichtige eine gewerbliche Tätigkeit ausübt und außerdem Tierzucht oder Tierhaltung ohne die erforderliche Fläche betreibt, sei es in einem gemischten Betrieb oder in einem Nebenbetrieb (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20. Aufl., § 15 EStG Anm. 463). Nach der Auffassung der Finanzverwaltung gilt § 15 Abs. 4 EStG nicht für Verluste aus Tierzucht oder Tierhaltung, die für sich gesehen als landwirtschaftliche Tätigkeit einzuordnen wäre, selbst wenn diese als Nebenbetrieb (vgl. dazu Senatsurteil vom 23. Januar 1992 IV R 19/90, BFHE 167, 355, BStBl II 1992, 651) zu einem gewerblichen Hauptbetrieb anzusehen ist (R 138 c Abs. 1 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 1994 - EStR 1994 -; zustimmend Birkholz in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 15 Anm. 827; Schulze zur Wiesche in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 15 Rz. 664). Danach darf ein Verlust aus der gewerblichen Tierzucht oder Tierhaltung selbst dann nicht mit einem Gewinn aus der anderen gewerblichen Tätigkeit verrechnet werden (R 138 c Abs. 2 EStR 1994), wenn ein einheitlicher Gewerbebetrieb anzunehmen ist und daher insgesamt nur gewerbliche Einkünfte vorliegen (Senatsurteil in BFHE 167, 355, BStBl II 1992, 651) und an sich ein Verlustausgleich oder Verlustabzug möglich wäre (Bitz in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 15 EStG, Rdnr. 182). Der auf die gewerbliche Tierzucht oder Tierhaltung entfallende Verlust ist dann ggf. durch Schätzung zu ermitteln. Folgerichtig gilt das Verbot auch dann, wenn die gewerbliche Tierzucht oder Tierhaltung, also ohne die erforderliche landwirtschaftliche Fläche, planmäßig und auf Dauer im Interesse des gewerblichen Hauptbetriebes angelegt und betrieben wird und nur die untergeordnete Bedeutung einer Hilfstätigkeit hat (vgl. zum Begriff des Nebenbetriebs Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Dezember 1965 IV 299/61 U, BFHE 84, 530, BStBl III 1966, 193; vom 19. Mai 1971 IV R 156-157/67, BFHE 103, 320, BStBl II 1972, 8; vom 13. September 1985 III R 193/81, BFH/NV 1986, 278, und Senatsurteile vom 1. Februar 1990 IV R 45/89, BFHE 159, 475, BStBl II 1991, 625, sowie in BFHE 167, 355, BStBl II 1992, 651). Dies ist insbesondere der Fall, wenn die ohne ausreichende Futtergrundlage betriebene Tierzucht oder Tierhaltung Nebenbetrieb eines Viehhandels (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 1976 V R 107/73, BFHE 121, 106, BStBl II 1977, 273) oder eines Schlachtereibetriebes (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 1986, 278) ist.

b) Der abweichenden Auffassung des Schleswig- Holsteinischen FG im Urteil vom 17. August 1976 III 368-369/75 (EFG 1977, 5; zustimmend Schütte/Freese, Betriebs-Berater - BB - 1978, 1410 ff., 1412) folgt der Senat nicht.

Da mit dem Ausgleichs- und Abzugsverbot des § 15 Abs. 4 EStG der Schutz der traditionellen Tierzucht und Tierhaltung auf ausreichenden landwirtschaftlichen Nutzflächen bezweckt ist (Senatsurteile in BFHE 132, 456, BStBl II 1981, 359; vom 12. August 1982 IV R 69/79, BFHE 136, 470, BStBl II 1983, 36; vom 4. Oktober 1984 IV R 195/83, BFHE 142, 272, BStBl II 1985, 133; in BFHE 158, 353, BStBl II 1990, 152, und in BFHE 159, 475, BStBl II 1991, 625, sowie BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 VIII R 272/83, BFHE 151, 408, BStBl II 1988, 264), muß das Verbot folgerichtig auch in den Fällen eingreifen, in denen die Tiere ohne ausreichende landwirtschaftliche Fläche, sei es im Rahmen eines einheitlichen gewerblichen Betriebes, sei es in einem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb zu einem gewerblichen Hauptbetrieb, gehalten oder gezüchtet werden.

Etwas anderes folgt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht daraus, daß er das gemästete Vieh seinen Angaben zufolge grundsätzlich nur im eigenen Schlachtbetrieb verwertet und nicht am allgemeinen Markt abgesetzt hat. Der Kläger mästet sein Vieh - nicht anders als Landwirte - ebenfalls zu dem Zweck, um es am Markt zu verwerten, und zwar im eigenen Schlachtbetrieb. Insofern tritt er in Konkurrenz zur traditionellen landwirtschaftlichen Tierzucht und Tierhaltung. Seine Betriebskonzeption ist darauf gerichtet, wie ein Landwirt Tiere zu halten. Seinem Schutzgedanken nach greift das Ausgleichs- und Abzugsverbot grundsätzlich auch dann ein, wenn die Tiere in einem gesonderten Betriebsteil gehalten und nicht am allgemeinen Markt umgesetzt, sondern im übrigen, das Gesamtunternehmen prägenden, gewerblichen Betrieb verwertet werden (Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 2. Aufl., Rdnr. 201; vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 15 Anm. 897; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 3. Aufl., A 111; Freese, BB 1977, 743 ff., 745).