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  BFH-Urteil vom 30.8.1995 (I R 113/94) BStBl. 1996 II S. 96

§ 32 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG i. d. F. des StRefG 1990 ist auch auf Krankengeld anzuwenden, das Steuerpflichtige im Jahr 1990 nach dem SGB V bezogen.

EStG § 32 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; SGB V §§ 44 ff.; Gesundheits-Reformgesetz Art. 77 Abs. 1.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1995, 890)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1990 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Beide Eheleute erzielten im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin bezog außerdem von der Deutschen Angestellten Krankenkasse Krankengeld nach § 44 des V. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) in Höhe von 9 507,69 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ am 23. Mai 1991 gegenüber den Klägern einen Einkommensteuerbescheid 1990. In diesem Bescheid behandelte das FA das Krankengeld zwar nicht als Einkünfte. Es bezog dasselbe jedoch gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1990 in die Bemessung des Einkommensteuertarifs ein. Es ermittelte den Einkommensteuersatz mit 16,774 v. H.

Der Einspruch und die Klage der Kläger blieben ohne Erfolg.

Mit ihrer vom Bundesfinanzhof zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG 1990.

Sie beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid entsprechend der Klagebegründung zu ändern.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Nach § 32 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG i. d. F. des Steuerreformgesetzes vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) ist auf das nach § 32 a Abs. 1 EStG zu versteuernde Einkommen ein besonderer Steuersatz u. a. dann anzuwenden, wenn ein Steuerpflichtiger Krankengeld, Mutterschaftsgeld, Verletztengeld, Übergangsgeld oder vergleichbare Lohnersatzleistungen nach der Reichsversicherungsordnung (RVO), dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte, dem Angestelltenversicherungsgesetz oder dem Reichsknappschaftsgesetz bezieht. Dazu ist unstreitig, daß die §§ 182 ff. RVO durch Art. 5 des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 1988, 2477) aufgehoben wurden. An ihre Stelle traten die §§ 4 ff. SGB V, die als Art. 1 des Gesundheits-Reformgesetzes erlassen wurden. Die Gesetzesänderung trat am 1. Januar 1989 in Kraft (Art. 79 Abs. 1 des Gesundheits-Reformgesetzes). Seit dem 1. Januar 1989 wird deshalb kein Krankengeld nach der RVO, sondern nur noch ein solches nach dem SGB V oder VI ausbezahlt. Die Beteiligten haben jedoch Art. 77 Abs. 1 des Gesundheits-Reformgesetzes übersehen. Danach treten die Bestimmungen und Bezeichnungen des Gesundheits-Reformgesetzes an die Stelle der Bestimmungen und Bezeichnungen, die in anderen Vorschriften unter Verweisung auf solche Vorschriften verwendet werden, die durch das Gesundheits-Reformgesetz geändert oder aufgehoben wurden. Für die Anwendung des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG 1990 bedeutet dies, daß die Verweisung auf "das Krankengeld nach der RVO" nach Art. 77 Abs. 1 des Gesundheits-Reformgesetzes durch eine solche auf "das Krankengeld nach dem SGB V" gesetzlich ersetzt wurde. Dies gilt unabhängig davon, ob der Gesetzgeber die bereits vollzogene Gesetzesänderung nach dem 20. Dezember 1988 in der Bekanntmachung des EStG vom 7. September 1990 (BGBl I 1990, 1898, BStBl I 1990, 453) nachvollzog. Insoweit liegt nur ein Bekanntgabefehler vor, der jedoch die Rechtswirksamkeit der Änderung des § 32 b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht berührt, weil Art. 77 Abs. 1 des Gesundheits-Reformgesetzes ordnungsgemäß bekanntgegeben wurde. Dies gilt auch unabhängig davon, ob der damalige Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung von der ihm in Art. 77 Abs. 2 des Gesundheits-Reformgesetzes eingeräumten Befugnis Gebrauch machte. Die Nichtausübung dieser Befugnis läßt die Wirksamkeit der nach Art. 77 Abs. 1 des Gesundheits-Reformgesetzes eingetretenen Gesetzesänderung unberührt.

2. Die Vorentscheidung entspricht im Ergebnis der wiedergegebenen Rechtslage. Sie verletzt deshalb kein Bundesrecht. Entsprechend ist die Revision der Kläger unbegründet.