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  BFH-Urteil vom 25.10.1995 (II R 5/92) BStBl. 1996 II S. 97

Wird ein dem Steuerpflichtigen von dem Erblasser ausgesetztes Geldvermächtnis durch Übertragung von Grundstücken an "Erfüllungs Statt" erfüllt, so ist Besteuerungsgrundlage bei der Erbschaftsteuerfestsetzung der (Nominal-)Wert der Geldforderung und nicht der (indizierte) Einheitswert der übertragenen Grundstücke.

ErbStG 1974 § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 4, § 9 Abs. 1 Nr. 1, §§ 11, 12 Abs. 1; BGB § 364 Abs. 1, § 2174.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

I.

Die am 4. Juli 1982 verstorbene Erblasserin setzte in ihrem Testament vom 24. Mai 1977 ihrer Nichte, der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), neben einem Barvermächtnis ein Vermächtnis des Inhalts aus, daß ihr aus dem - sofort nach dem Tod der Erblasserin vorzunehmenden - Verkauf bestimmter zum Nachlaß gehörender Grundstücke nach Abzug der Kosten 1/3 des Erlöses zufließen sollte. Zwei weiteren Nichten der Erblasserin wurden inhaltsgleiche Vermächtnisse ausgesetzt. Mit notariellem Vertrag vom 11. Februar 1983 übertrug die Erbin "in Erfüllung der Vermächtnisse" die in Rede stehenden Grundstücke den drei Vermächtnisnehmerinnen zu je 1/3 Miteigentumsanteil.

Das FA X ging von Geldvermächtnissen aus und setzte mit Bescheid vom 14. Dezember 1983 gegen die Klägerin Erbschaftsteuer in Höhe von 3 718 DM fest. Dabei bewertete es den Anspruch auf den Verkaufserlös unter Zugrundelegung eines Quadratmeter-Preises in Höhe von 10 DM. Diesen Betrag hatten die Vertragsparteien in dem notariellen Vertrag vom 11. Februar 1983 angegeben.

Im Rahmen einer im Jahr 1986 durchgeführten Außenprüfung wurde bekannt, daß am 22. März 1983 2/3 der Gesamtfläche aller "Vermächtnisgrundstücke" (= 7 782 qm) zum Preis von 100 DM/qm verkauft worden waren, wobei der Kaufpreis den beiden Cousinen der Klägerin zugeteilt und die nicht verkaufte Restfläche von 3 892 qm der Klägerin zu Alleineigentum übertragen wurde. Der Prüfer ermittelte, daß es sich bei den von den Vermächtnissen betroffenen Grundstücken um Ackerland, Straßenflächen und einen Bauplatz handelte, und schätzte den Verkehrswert unter Ansatz eines Quadratmeter-Preises von 60 DM.

Unter Zugrundelegung dieses Wertes setzte das FA X mit dem angefochtenen, auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Änderungsbescheid vom 12. November 1986 die Erbschaftsteuer auf 45 360 DM fest. In der Einspruchsentscheidung erhöhte das FA X die Erbschaftsteuer nach vorherigem Hinweis auf 45 740 DM.

Mit der Klage machte die Klägerin u. a. geltend, daß die vom FA X vorgenommene Beurteilung des Vermächtnisses als reines Geldvermächtnis unzutreffend sei. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien der Erbschaftsteuerfestsetzung die Einheitswerte der an Erfüllungs Statt übertragenen Grundstücke zugrunde zu legen (vgl. Urteil vom 17. Februar 1982 II R 160/80, BFHE 135, 336, BStBl II 1982, 350).

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -), der im Wege der Funktionsnachfolge während des Revisionsverfahrens an die Stelle des FA X getreten ist, Verletzung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974. Er beantragt (sinngemäß), die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zu Unrecht hat das FG angenommen, daß Besteuerungsgrundlage für den Erwerb der Klägerin nicht der ihr von der Erblasserin vermachte anteilige (Geld-)-Erlös aus der Veräußerung bestimmter Nachlaßgrundstücke, sondern der anteilige (erhöhte) Einheitswert dieser Grundstücke sei.

a) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 gilt als Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) unter anderem der Erwerb durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Gegenstand des Erwerbs ist beim Vermächtnis eine gegen den Beschwerten (Erben) gerichtete Forderung auf den vermachten Gegenstand (vgl. §§ 1939, 2174 BGB). Vermachter Gegenstand war im Streitfall eine Geldforderung, nämlich der Anspruch auf ein Drittel des bei der Veräußerung bestimmter Grundstücke durch den Erben erzielten Verkaufserlöses. Allein diesen Anspruch hat die Erblasserin der Klägerin durch letztwillige Verfügung vermacht und allein dieser Anspruch unterliegt daher als steuerpflichtiger Erwerb der Erbschaftsteuer.

Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 ErbStG 1974 entstand die Erbschaftsteuer im vorliegenden Fall mit dem Tode der Erblasserin. Dieser Zeitpunkt, in dem - wie dargelegt - der Geldvermächtnisanspruch der Klägerin begründet wurde, ist zugleich maßgebend für die Wertermittlung, d. h. für Bestand und Wert des Erwerbs (§ 11 ErbStG 1974) sowie für die sich nach den Vorschriften des Ersten Teils des Bewertungsgesetzes (BewG) richtende Bewertung des Erwerbs (§ 12 Abs. 1 ErbStG 1974).

Ohne Einfluß auf die Bestimmung des bürgerlich-rechtlichen und erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbsgegenstands sowie dessen Bewertung ist es, durch welche Leistungen der mit dem Tode des Erblassers entstandene Vermächtnisanspruch erfüllt worden ist. Nimmt der Vermächtnisnehmer (Gläubiger) - wie es im Streitfall geschehen ist - eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs Statt an, so führt dies zu einem Erlöschen des ursprünglichen Schuldverhältnisses (§ 364 Abs. 1 BGB). Der ursprüngliche - im Zeitpunkt der Entstehung des Erbschaftsteueranspruchs gegebene und damit maßgebliche - Inhalt des durch das Vermächtnis begründeten Schuldverhältnisses wird jedoch davon nicht berührt. Nach der Entstehung des Steueranspruchs zwischen dem Erben und dem Vermächtnisnehmer getroffene Erfüllungsabreden vermögen den einmal entstandenen Steueranspruch nicht aufzuheben oder zu modifizieren.

Das von der Klägerin erstrebte und vom FG gefundene Ergebnis, wonach der Besteuerung des Vermächtniserwerbs die anteiligen (indizierten) Einheitswerte der betreffenden Grundstücke zugrunde zu legen seien, wäre nur dann richtig, wenn die Erblasserin der Klägerin - anders als geschehen - nicht den anteiligen Verkaufserlös der Grundstücke, sondern die Grundstücke bzw. Grundstücksanteile selbst vermacht hätte.

b) Ein anderes Ergebnis kann entgegen der von der Vorinstanz und der Klägerin vertretenen Ansicht auch nicht aus § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1974 hergeleitet werden. Die Anwendung dieser Vorschrift würde voraussetzen, daß die Klägerin das ihr ausgesetzte Geldvermächtnis (gegen Abfindung) ausgeschlagen hätte. Eine solche Ausschlagung hätte bewirkt, daß der Anfall des Vermächtnisses - rückbezogen auf den Zeitpunkt des Erbfalls - als nicht erfolgt anzusehen wäre (§ 2180 Abs. 3 i. V. m. § 1953 Abs. 1 BGB).

Ein solcher Sachverhalt liegt hingegen im Streitfall nicht vor. Die Klägerin hat das ihr ausgesetzte Vermächtnis gerade nicht ausgeschlagen, sondern angenommen. Dies zeigt sich daran, daß der von ihr geltend gemachte Vermächtnisanspruch - wenn auch durch eine andere als die von der Erblasserin ins Auge gefaßte Leistung (an Erfüllungs Statt) - getilgt wurde. Die Erfüllung des Vermächtnisanspruchs und dessen Ausschlagung schließen sich aber gegenseitig aus.

Auch eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG 1974 kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Sie scheitert schon daran, daß angesichts der eindeutigen Verwirklichung des Steuertatbestands des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 eine (planwidrige) Gesetzeslücke nicht existiert.

Der Senat kann in diesem Zusammenhang offenlassen, ob er an seinem zu einem Pflichtteilsanspruch ergangenen Urteil in BFHE 135, 336, BStBl II 1982, 350 auch weiterhin festhalten könnte.

2. Zu Unrecht hat die Klägerin im Revisionsverfahren gerügt, es sei dem FA verwehrt gewesen, den Umstand zu berücksichtigen, daß mit dem notariellen Kaufvertrag vom 22. März 1983 ein Teil der den Vermächtnisnehmerinnen durch die Erbin am 11. Februar 1983 übertragenen Grundstücke zu einem qm-Preis von 100 DM veräußert wurde. Wird ausgeführt.

3. Gleichwohl ist die Sache nicht spruchreif. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine (ausreichenden) Feststellungen darüber getroffen, ob der vom FA in dem angefochtenen Erbschaftsteuer-Änderungsbescheid der Besteuerung zugrundegelegte und von der Klägerin bestrittene Wert des Erlösvermächtnisses (60 DM/qm) zutreffend war. Maßgebend für die Wertermittlung ist der auf die Klägerin entfallende 1/3-Anteil des Verkehrswerts (gemeinen Werts) aller Nachlaßgrundstücke, die die Erbin "für Rechnung" der Vermächtnisnehmerinnen veräußern sollte, im Zeitpunkt des Erbfalles. Das FG wird diese Wertermittlung nachzuholen haben, wobei es auch zu berücksichtigen haben wird, ob und inwieweit die ca. 3/4 Jahr nach dem Erbfall - im Kaufvertrag vom 22. März 1983 - erfolgte Veräußerung von rd. 2/3 der Grundstücke zu einem qm-Preis von 100 DM Rückschlüsse auf den Wert der Grundstücke im Zeitpunkt des Erbfalles zuläßt. Die Sache geht daher an die Vorinstanz zurück.