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  BFH-Urteil vom 30.8.1995 (I R 77/94) BStBl. 1996 II S. 122

1. Sind Steuerinländer über eine Personengesellschaft unter den Voraussetzungen der §§ 7 ff. AStG an einer ausländischen Zwischengesellschaft beteiligt, so sind die Besteuerungsgrundlagen der Personengesellschaft hinzuzurechnen, wenn diese die Beteiligung unmittelbar hält; es besteht nur ein Hinzurechnungsbetrag.

2. Unter "fast ausschließlich" i. S. des § 8 Abs. 2 AStG ist eine nur relative Bagatellgrenze von 90 v. H. der Bruttoerträge zu verstehen. Die Regelung in Abschn. 76 Abs. 9 Sätze 3 und 4 KStR hat im Gesetz keine Grundlage.

AStG §§ 7, 8 Abs. 2; KStG 1977 § 26 Abs. 2 bis 5; KStR Abschn. 76 Abs. 9 Sätze 3 und 4.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1994, 955)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind vier von insgesamt fünf Gesellschaftern, die am 1. Januar 1983 an der M-OHG, einer der deutschen OHG im wesentlichen entsprechenden Personengesellschaft schweizerischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in Z/Schweiz, beteiligt waren. Der fünfte Gesellschafter war B, der während des Klageverfahrens verstorben ist und dessen Rechtsnachfolger der Kläger zu 2 ist.

Die M-OHG war am 31. Dezember 1982 zu 100 v. H. an der T-AG, einer schweizerischen Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in B/Schweiz, beteiligt, die ihrerseits in 1982 sämtliche Anteile an der E-AG, einer schweizerischen Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Z/Schweiz, hielt. Alle Unternehmen gehören zu dem noch aus weiteren Gesellschaften bestehenden X-Konzern. Im Wirtschaftsjahr 1982 schüttete die E-AG von ihrem Gewinn des Geschäftsjahres 1981 eine Dividende in Höhe von 3.636.464 sfr an die T-AG aus. Für diesen Dividendenertrag der T-AG ist zwischen den Beteiligten streitig, ob er zu den Einkünften aus aktivem Erwerb (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 des Außensteuergesetzes - AStG -) oder zu den Zwischeneinkünften zählt.

Die T-AG war im Jahr 1982 mit etwa neun bis zehn Mitarbeitern schwerpunktmäßig mit der internen Revision, einer betriebswirtschaftlichen Abteilung sowie der Erstellung der Bilanzen im Konzern befaßt. Daneben war sie Holdinggesellschaft für die europäischen (ausgenommen die inländischen) Gesellschaften des X-Konzerns. Außerdem vergab sie Lizenzen.

Die E-AG betrieb den Konzernhandel für den Teilkonzern Europa (ausgenommen die inländischen Gesellschaften) im Bereich Markenware, indem sie die Rohmaterialien zentral einkaufte und die Produktion und den Vertrieb disponierte. Daneben übte sie innerhalb des Teilkonzerns Europa die Funktion einer Abrechnungs- und Clearingstelle aus. Forderungen aus dem Clearingverkehr wurden mit 6,5 v. H. verzinst. Die E-AG hatte eigene Angestellte. Bei ihr waren die Buchhaltung und die Fakturierung für andere Gesellschaften sowie die Personalabteilung des Konzerns angesiedelt. Für ihre Dienstleistungen erhielt sie Umlagen der anderen Gesellschaften. Sie machten im Geschäftsjahr 1981 531.690 sfr aus. Außerdem fungierte die E-AG innerhalb des Konzerns als Finanzierungsgesellschaft.

Nach der eingereichten Bilanz zum 31. Dezember 1981 betrugen die Umsatzerlöse der E-AG für das Geschäftsjahr 1981 rd. 108,7 Mio. sfr und die Zinserträge rd. 4 Mio. sfr. Der Jahresüberschuß beträgt rd. 4 Mio. sfr.

Die Kläger reichten für das Geschäftsjahr der T-AG 1982 eine "Feststellungserklärung 1983" ein. Darin gingen sie von Einkünften der T-AG aus aktiver Tätigkeit in Höhe von rd. 3,9 Mio. sfr aus. In diesen Einkünften waren solche aus Vermietung und Verpachtung i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG in Höhe von rd. 1,1 Mio. sfr und die o. g. Dividende der E-AG in Höhe von rd. 3,6 Mio. sfr enthalten. Die Einkünfte aus passivem Erwerb ermittelten die Kläger mit ./. 970.869 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ einen entsprechenden Feststellungsbescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Nach einer Betriebsprüfung vertrat das FA die Rechtsauffassung, die E-AG sei in 1981 zwar überwiegend aktiven Tätigkeiten nachgegangen. Es nahm insbesondere unverändert aktive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG in Höhe von rd. 1,1 Mio. sfr an. Den Dividendenertrag von rd. 3,6 Mio. sfr subsumierte das FA jedoch nicht mehr unter § 8 Abs. 2 AStG, weil die E-AG ihre Bruttoerträge nicht fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten i. S. des § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG erzielt habe. Zwar betrügen die Zinserträge weniger als 10 v. H. der gesamten Bruttoerträge der E-AG. Jedoch bilde deren Finanzierungsbereich einen eigenständigen Bereich passiven Erwerbs i. S. des Abschn. 76 Abs. 9 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR), der den Betrag von 120.000 DM übersteige. 50 v. H. des Betriebsvermögens der E-AG bestehe aus Darlehen an verbundene Unternehmen zwecks Erwerbs von Beteiligungen.

Das FA erließ am 9. Oktober 1989 gegenüber den Gesellschaftern der M-OHG einen geänderten Feststellungsbescheid für das "Feststellungsjahr 1983", in dem die Einkünfte aus passivem Erwerb mit rd. 3,3 Mio. DM angesetzt wurden. Sie wurden um einen Verlustvortrag aus einem Vorjahr in Höhe von rd. 0,7 Mio. DM und abziehbare Steuern in Höhe von 67.971 DM gemindert. Der Differenzbetrag von 2.521.572 DM wurde in Hinzurechnungsbeträge aufgeteilt und diese den Gesellschaftern der M-OHG hinzugerechnet.

Während der Einspruch ohne Erfolg blieb, gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 955 veröffentlicht.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG.

Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist schon deshalb materiell-rechtlich fehlerhaft, weil in ihm die Besteuerungsgrundlagen für insgesamt fünf anzusetzende Hinzurechnungsbeträge festgestellt und dieselben den Gesellschaftern der M-OHG zum 1. Januar 1983 hinzugerechnet wurden. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung des FA im übrigen hätten die Besteuerungsgrundlagen nur für einen Hinzurechnungsbetrag festgestellt werden dürfen. Als Empfänger der Hinzurechnung hätte die M-OHG behandelt werden müssen. Nur sie war am 31. Dezember 1982 zu 100 v. H. an der T-AG beteiligt.

a) Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 6. Februar 1985 I R 11/83 (BFHE 143, 340, BStBl II 1985, 410) entschieden, daß in dem gemäß § 18 Abs. 1 AStG zu erlassenden Feststellungsbescheid u. a. festzustellen sei, welchen Personen die festzustellenden Besteuerungsgrundlagen hinzuzurechnen seien. Da die Hinzurechnung dem Ziel dient, die nach § 7 Abs. 1 AStG steuerpflichtigen Einkünfte bei den sie erzielenden unbeschränkt Steuerpflichtigen (kurz: Steuerinländer) ansetzen zu können, müssen die Steuerinländer i. S. des § 7 Abs. 1 AStG die Adressaten des Hinzurechnungsbescheides sein, zumal die Hinzurechnung nur sie persönlich und nicht die zwischengeschaltete M-OHG angeht (vgl. § 352 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Von der Adressatenstellung der Steuerinländer ist jedoch die andere Frage zu unterscheiden, ob jeder an der M-OHG beteiligte Steuerinländer für sich einen anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag erzielt oder ob die M-OHG einen einzigen anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag erzielt, der den Steuerinländern über ihren Gewinnanteil an der M-OHG steuerlich zuzurechnen ist. Die Frage kann nur aus der Rechtsfolge des § 7 Abs. 1 AStG beantwortet werden, wobei die Einbettung der Vorschrift in andere zu beachten ist. Nach § 7 Abs. 1 AStG tritt die Steuerpflicht bei den Steuerinländern entsprechend der ihnen zuzurechnenden Beteiligung am Nennkapital der ausländischen Gesellschaft ein. Folgt aber die Hinzurechnung der Beteiligung am Nennkapital der ausländischen Gesellschaft, so spricht die von der M-OHG an der ausländischen Gesellschaft unmittelbar gehaltene Beteiligung dafür, daß sie der Empfänger der hinzuzurechnenden Besteuerungsgrundlagen sein muß. Bestätigt wird diese Überlegung durch die Rechtsfolge des § 10 Abs. 2 Sätze 1 und 2 AStG. Sind die Steuerinländer nur mittelbar über eine in- oder ausländische Personengesellschaft an der ausländischen Gesellschaft beteiligt, so gehört der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften der Personengesellschaft. Gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 5 Nr. 1 AO 1977 muß der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag in die gesonderte Feststellung der steuerpflichtigen oder steuerfreien Einkünfte der in- oder ausländischen Personengesellschaft einbezogen werden. Deshalb muß in dem Feststellungsbescheid nicht entschieden werden, zu welcher Art von Einkünften der Personengesellschaft der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag gehört. Es muß sich jedoch aus dem Bescheid ergeben, daß der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften der Personengesellschaft gehört, d. h. daß sie der Empfänger des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages ist. Andernfalls würden bei der Personengesellschaft nicht die Einkünfte i. S. des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a oder Abs. 5 Nr. 1 AO 1977 festgestellt. Außerdem liefen die Steuerinländer Gefahr, daß sie vor allem in einer ausländischen Personengesellschaft anfallenden Aufwendungen auf die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft i. S. des § 7 Abs. 1 AStG als negative Einkünfte i. S. des § 2 a Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beurteilt werden, was zumindest dann der materiellen Rechtslage widersprechen würde, wenn der Hinzurechnungsbetrag die Aufwendungen übersteigt.

b) Zwar gelten dann, wenn eine Personengesellschaft an einer ausländischen Gesellschaft i. S. des § 7 Abs. 1 AStG beteiligt ist, die Gesellschafter der Personengesellschaft gemäß § 7 Abs. 3 AStG als an der ausländischen Gesellschaft beteiligt. Die Regelung gilt jedoch nur zur Bestimmung der Beteiligung von Steuerinländern an der ausländischen Gesellschaft zu mehr als der Hälfte, wie sie in § 7 Abs. 1 AStG angesprochen und in Abs. 2 näher definiert ist. Dies ergibt sich aus den Gründen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Oktober 1983 I R 200/78 (BFHE 140, 35, BStBl II 1984, 258). Zwar betrifft das Urteil unmittelbar nur § 7 Abs. 4 AStG. Das dort Gesagte gilt jedoch für § 7 Abs. 3 AStG entsprechend. Damit regelt § 7 Abs. 2 bis 4 AStG nur das Tatbestandsmerkmal "Beteiligtsein zu mehr als der Hälfte". Nur so ist die Vorschrift in Einklang mit §§ 10 Abs. 2 AStG, 2 a EStG und 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Abs. 5 Nr. 1 AO 1977 zu bringen. Wollte man dieser Auffassung nicht folgen, so könnten sich materiell-rechtliche Ungleichbehandlungen gegenüber den Fällen ergeben, in denen ein einzelner Steuerinländer zu 100 v. H. an einer Zwischengesellschaft beteiligt ist. Hält er z. B. die Beteiligung in einem Betriebsvermögen, so erhöht der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag häufig auch den Gewerbeertrag. Diese Rechtsfolge kann bei einer zwischengeschalteten Personengesellschaft nicht dadurch unterlaufen werden, daß die Gesellschafter anstelle der Gesellschaft als Empfänger des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages behandelt werden.

c) Entgegen der Auffassung des FG folgt aus den BFH-Urteilen vom 20. April 1988 I R 41/82 (BFHE 153, 530, BStBl II 1988, 868 unter II. E. 4) und vom 15. März 1995 I R 14/94 (BFHE 177, 263, BStBl II 1995, 502) nichts anderes. Dort ist lediglich ausgeführt, daß über die Frage, in welche Einkunftsart des Steuerinländers der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag eingeht, außerhalb des Feststellungsbescheides gemäß § 18 Abs. 1 AStG zu entscheiden ist. An dieser Auffassung hält der Senat fest. Dies schließt jedoch nicht aus, daß in dem Bescheid gemäß § 18 Abs. 1 AStG über den Empfänger und damit mittelbar auch über die Zahl der anzusetzenden Hinzurechnungsbeträge zu entscheiden ist. Soweit diese Entscheidung die maßgebende Einkunftsart präjudiziert, ist dies bei den Folgeveranlagungen zu beachten.

2. Der Senat kann trotz der fehlerhaften Feststellung der Besteuerungsgrundlagen in der Sache selbst entscheiden. Er kann insbesondere den fehlerhaften Bescheid inhaltlich korrigieren. Er könnte die Besteuerungsgrundlagen auch gegenüber der M-OHG hinzurechnen, ohne daß dieselbe dem Verfahren beigeladen wurde. Die Hinzurechnung berührt die steuerlichen Interessen der M-OHG nicht. Sie ist bezüglich der hinzugerechneten Besteuerungsgrundlagen nicht persönlich steuerpflichtig und kann deshalb auch nicht Adressat des Bescheides gemäß § 18 AStG sein. Da die Hinzurechnung nur inländischen Besteuerungszwecken dient, fällt das Erheben von Einwendungen gegen die festgestellten Besteuerungsgrundlagen auch nicht in den Geschäftsführungsbereich der M-OHG.

3. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß innerhalb des Hinzurechnungsbescheides über die Anwendung des § 10 Abs. 5 AStG zu entscheiden ist. Es hat die entsprechende Anwendung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 - DBA-Schweiz - (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i. d. F. des Protokolls vom 30. November 1978 (BGBl II 1980, 751, BStBl I 1980, 398) zutreffend verneint.

4. Das FG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß die Dividende, die die T-AG von der E-AG in 1982 erzielte, bei der T-AG i. S. des § 8 Abs. 3 AStG niedrig besteuert wurde.

5. Die Vorentscheidung ist auch insoweit nicht zu beanstanden, als das FG davon ausgegangen ist, daß die unter II. 4. genannte Dividende bei der T-AG zu Einkünften aus einer unter § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG fallenden Beteiligung führte. Die Dividende löst deshalb keine Einkünfte aus, für die die T-AG Zwischengesellschaft ist (= Zwischeneinkünfte).

a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG ist eine ausländische Gesellschaft (hier: T-AG) keine Zwischengesellschaft für Einkünfte aus einer Beteiligung an einer anderen ausländischen Gesellschaft (hier: E-AG), an deren Nennkapital sie mindestens zu einem Viertel unmittelbar beteiligt ist, wenn die Beteiligung ununterbrochen seit mindestens zwölf Monaten vor dem für die Ermittlung des Gewinns maßgebenden Abschlußstichtag besteht und wenn der Steuerpflichtige nachweist, daß diese Gesellschaft Sitz und Geschäftsleitung in demselben Staat wie die ausländische Gesellschaft hat und ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten bezieht. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der erkennende Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), streiten die Beteiligten nur darüber, ob die Beteiligung der T-AG an der E-AG das zuletzt genannte Tatbestandsmerkmal erfüllt. Dazu ist in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Dividende, die die T-AG in 1982 von der E-AG bezog, deren Gewinn für das Geschäftsjahr 1981 betrifft. In 1981 erzielte die E-AG Bruttoerträge insgesamt in Höhe von rd. 108,7 Mio. sfr. In diesem Betrag ist ein solcher in Höhe von rd. 4 Mio. sfr enthalten, bei dem es sich um konzerninterne Zinserträge handelt, die nicht die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG erfüllen und deshalb als Bruttoerträge aus passivem Erwerb zu beurteilen sind. Die Bruttoerträge aus passivem Erwerb machen weniger als 5 v. H. der gesamten Bruttoerträge der E-AG aus. Die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG sind im Streitfall zugunsten der Kläger erfüllt.

b) Was die Auslegung des Begriffs "fast ausschließlich" i. S. des § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG anbelangt, so ist durch den Wortlaut der Vorschrift vorgegeben, daß von einer Bagatellgrenze auszugehen ist, die auf das Beziehen von Bruttoerträgen aus unter § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten abstellt. Der Wortlaut zwingt dazu, die Bagatellgrenze an den tatsächlich bezogenen Bruttoerträgen der ausschüttenden E-AG auszurichten. Es stand dem Gesetzgeber frei, die von ihm beabsichtigte Bagatellgrenze an anderen Kriterien wie z. B. den Einkünften, dem Vermögen oder den Arbeitslöhnen zu messen oder mehrere Bemessungsgrundlagen nebeneinander vorzusehen. Die Tatsache, daß er die Bagatellgrenze nur an den Bruttoerträgen ausrichtete, schließt de lege lata die Berücksichtigung anderer Bemessungsgrundlagen aus, zumal eine solche andere Auslegung wiederum mit erheblichen Unsicherheiten verbunden wäre, wenn z. B. das Gesellschaftsvermögen gleichzeitig mehreren Zwecken dient oder aber keine Bruttoerträge abwirft.

c) Der Begriff "fast ausschließlich" läßt für sich allein genommen nicht erkennen, ob die maßgebliche Bagatellgrenze bei 1 v. H., bei 5 v. H., bei 10 v. H. oder bei einem anderen v. H.-Satz der Bruttoerträge liegen soll. Es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung Rechtsprechung und Schrifttum obliegt. Deshalb sind Rechtsprechung und Schrifttum jedoch in der Auslegung nicht völlig frei. Sie müssen die Auslegung an dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers und an den Wertentscheidungen des AStG ausrichten. So gesehen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das FG darauf abgestellt hat, daß der Begriff "fast ausschließlich" schon vor Inkrafttreten des AStG in einem fast gleichlautenden Zusammenhang in §§ 1 Abs. 3, 3 Abs. 2 Nr. 2 und 4 Abs. 1 Nr. 1 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG) vom 18. August 1969 (BGBl I 1969, 1214, BStBl I 1969, 480) sowie in § 1 Abs. 2 Nr. 2 des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes - EntwHStG - (später: Entwicklungsländer-Steuergesetz - EntwLStG -) vom 15. März 1968 (BGBl I 1968, 217, BStBl I 1968, 481) enthalten war. Der Begriff wurde außerdem in dem durch das Steueränderungsgesetz - StÄndG - vom 13. Juli 1961 (BGBl I 1961, 981, BStBl I 1961, 44) in das EStG eingefügten § 34 d EStG a. F. verwendet, der die Bildung von gewinnmindernden Rücklagen für besonders förderungswürdige Entwicklungshilfe durch Kapitalanlagen in Entwicklungsländern vorsah und mit dem heute geltenden § 34 d EStG nicht verwechselt werden darf, wie er durch das StÄndG vom 20. August 1980 (BGBl I 1980, 1545, BStBl I 1980, 589) in das EStG eingefügt wurde. Zu § 34 d EStG a. F. und zu § 1 Abs. 2 Nr. 2 EntwHStG bzw. EntwLStG vertrat insbesondere die Finanzverwaltung die Rechtsauffassung, daß der Begriff nur im Sinne einer relativen Grenze, und zwar einer solchen von 90 v. H. zu verstehen sei (Blümich, Einkommensteuergesetz, § 1 EntwHStG Rdnr. 11, Anhang zu § 34 d EStG). Diese Auffassung geht auf den gemeinsamen Ländererlaß vom 1. Februar 1962 S 2195 - 1 VB 1 (BStBl II 1962, 48) zurück. Es muß davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber beim Erlaß des AStG diese Verwaltungsauffassung kannte und sie teilte, da er in § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG nichts anderes regelte (vgl. Flick/Wassermeyer/Becker, Kommentar zum Außensteuergesetz, § 8 Rdnr. 107 e bis 107 h). Zwar bezog der genannte Erlaß die 90 v. H.-Grenze auf das Betriebsergebnis einerseits und auf das Betriebsvermögen andererseits. Dies erklärt sich jedoch damit, daß nach § 34 d EStG a. F. das Unternehmen in einem Entwicklungsland fast ausschließlich bestimmte Tätigkeiten ausüben mußte. Die Bemessungsgrundlage der Bagatellgrenze war also dort ausdrücklich eine andere. Es ging der Finanzverwaltung darum, für das Ausüben der Tätigkeiten eine geeignete Bemessungsgrundlage zu finden. Dieses Problem stellt sich innerhalb des § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG nicht, weil die Bemessungsgrundlage mit den Bruttoerträgen vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Die unterschiedlichen Gesetzesvorgaben schließen es aus, auch innerhalb des § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG die 90 v. H.-Grenze auf das Betriebsergebnis und das Betriebsvermögen zu beziehen (vgl. Flick/Wassermeyer/Becker, a. a. O.; Debatin, Der Betrieb - DB - 1975, 1714 ff., 1717, 1718; Lempenau, Deutsche Steuerzeitung - DStZ - 1975, 50, 52).

d) Für die Auslegung des Begriffes "fast ausschließlich" innerhalb des § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG im Sinne einer 90 v. H.-Grenze spricht nicht zuletzt die Regelung des § 9 AStG. Auch sie stellt sich als eine Bagatellgrenzenregelung dar, die sich einerseits auf Bruttoerträge bezieht und andererseits die Grenze von bis zu 10 v. H. der Bruttoerträge als Bagatellgrenze ausdrücklich nennt. Insoweit enthält § 9 AStG die Wertentscheidung des Gesetzgebers, daß er eine Grenze von bis zu 10 v. H. als Bagatelle gewertet wissen will. Zwar ist die prozentuale Bagatellgrenze des § 9 AStG mit zwei weiteren kombiniert, die sich auf die anzusetzenden Zwischeneinkünfte beziehen. Deshalb lassen sich jedoch die beiden zusätzlichen Bagatellgrenzen nicht auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG übertragen. Die Funktion und der Wortlaut der Vorschrift sind insoweit andere. In § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG geht es um die einheitliche Zuordnung einer bestimmten Dividende zu den Einkünften aus aktivem oder passivem Erwerb und nicht um das Außeransatzlassen von passiven Einkünften innerhalb des Hinzurechnungsbetrages. Die andere Funktion und der andere Wortlaut des § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG sind deshalb Indiz für unterschiedliche Regelungsinhalte (vgl. Debatin, DB 1975, 1714, 1718).

e) Zwar hat der Senat keine Bedenken, zur Auslegung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG auch auf den Sinn und Zweck des AStG zurückzugreifen. Dies führt jedoch letztlich zu keinem anderen Ergebnis. Das AStG differenziert in § 8 nur zwischen Einkünften aus aktiven Tätigkeiten und Beteiligungen und solchen aus passivem Erwerb. In der im Streitjahr geltenden Fassung wurde dagegen zwischen den verschiedenen Einkünften aus passivem Erwerb nicht mehr differenziert. Es gibt also keine Einkünfte, die etwas mehr oder etwas weniger dem passivem Erwerb zuzuordnen sind. Speziell für Zinserträge sieht § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG sogar vor, daß sie unter bestimmten engen Voraussetzungen, die im Streitfall allerdings nicht erfüllt sind, den Einkünften aus aktiven Tätigkeiten zuzuordnen sind. Bei dieser Rechtslage ist kein Raum für eine Differenzierung, wie sie in Abschn. 76 Abs. 9 Satz 4 Nr. 1 KStR vorgenommen wird. Unverständlich ist auch, weshalb die Regelung nur für eine ausländische Produktionsgesellschaft und nicht z. B. auch für ausländische Handels- oder Dienstleistungsgesellschaften gelten soll. Zu beachten ist ferner, daß § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG nicht nur dem Zweck dient, eine bestimmte Dividende den Einkünften aus aktiven Tätigkeiten bzw. Beteiligungen oder denen aus passivem Erwerb zuzuordnen. Die Vorschrift hat ihre Bedeutung ebenso im Bereich des § 26 Abs. 2 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG), dessen Vorgängervorschrift § 19 a KStG 1968 war; sie trat zusammen mit § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG in Kraft. Innerhalb des § 26 Abs. 2 bis 5 KStG geht es aber darum, ob eine Dividende, die eine unbeschränkt steuerpflichtige Muttergesellschaft von einer ausländischen Tochtergesellschaft bezieht, im Inland ermäßigt zu besteuern ist. Die Bagatellgrenze des § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG entscheidet insoweit darüber, welcher Bodensatz passiven Erwerbs auf der Ebene der ausschüttenden Tochtergesellschaft als unschädlich für die Gewährung der Steuerermäßigung gegenüber der Muttergesellschaft angesehen werden kann. Würde man insoweit auf einen absoluten Betrag von 120.000 DM Bruttoerträge aus passivem Erwerb oder auf 120.000 DM Zwischeneinkünfte abstellen, so wären die Muttergesellschaften benachteiligt, die wegen des Umfangs der in der ausländischen Tochtergesellschaft ausgeübten unternehmerischen Tätigkeiten diese Grenze nicht einhalten können. Es versteht sich von selbst, daß ein Unternehmen mit einem Umsatz von rd. 100 Mio. sfr die genannten absoluten Grenzen sehr viel schneller erreicht als ein Unternehmen mit einem Umsatz z. B. von nur 1 Mio. DM. Bei dieser Beurteilung geht der Senat davon aus, daß nicht zuletzt mit Rücksicht auf den weit gefaßten Katalog von Einkünften aus passivem Erwerb fast in jeder ausländischen Tochtergesellschaft ein Bodensatz passiven Erwerbs anfällt. Dies gilt z. B. für Erträge aus kurzfristig angelegten liquiden Mitteln, für Beteiligungserträge von nachgeschalteten Kapitalgesellschaften und für Ausgleichszahlungen, die im Konzern zur Vermeidung verdeckter Gewinnausschüttungen gezahlt werden, mögen sie auch in Einzelfällen aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit zu beurteilen sein. Es kann aber nicht der Sinn der Bagatellgrenze des § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG sein, die Anwendung des § 26 Abs. 2 bis 5 KStG auf Muttergesellschaften für den Fall praktisch auszuschalten, daß sie eine Dividende von einer Tochtergesellschaft mit hohen Umsätzen erhält.

f) Der Senat sieht auch keine Rechtsgrundlage für die in Abschn. 76 Abs. 9 Satz 4 Nr. 2 KStR vorgenommene Differenzierung. Das AStG stellt nur auf die Einkünfteerzielung durch eine ausländische Gesellschaft ab. Schon deshalb geht es nicht an, das bloße Halten von Beteiligungen an einer ausländischen Gesellschaft, die ihrerseits bestimmten Zwecken nachgeht, als eigenständigen Bereich passiven Erwerbs zu behandeln. Im übrigen ist die Aufzählung in Abschn. 76 Abs. 9 Satz 4 Nr. 2 KStR so umfassend ("oder für einen anderen Bereich passiven Erwerbs einsetzt"), daß praktisch jede passive Tätigkeit darunter fällt. Damit läuft der Sinn der Bagatellgrenze ins Leere (vgl. Debatin, DB 1975, 1714, 1718). Entscheidend ist jedoch letztlich, daß das AStG zwischen den einzelnen Bereichen passiven Erwerbs nicht differenziert. Deshalb ist es willkürlich, die Bagatellgrenze nur auf solche Einkünfte oder Bruttoerträge zu beziehen, die nicht zu den "klassischen" Bereichen passiven Erwerbs zählen. Das AStG gibt dafür keinen Anhaltspunkt. Eine entsprechende Differenzierung erfordert eine gesetzliche Grundlage. Der Senat folgt deshalb auch nicht der Auffassung des FA, das darauf abstellen möchte, ob im Streitfall die E-AG zu den Unternehmenstypen zählt, die ihre passiven Erträge aus dem Ansammeln von Kapital beziehen, die das AStG bekämpfen wollte. § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG stellt eine Bagatellgrenze auf, die nicht durch Überlegungen eingeschränkt werden darf, die mit dem Gesetzeswortlaut nicht mehr in Einklang stehen.

6. Die Vorentscheidung entspricht im wesentlichen den hier wiedergegebenen Rechtsüberlegungen. Sie verletzt deshalb § 8 Abs. 2 Nr. 1 AStG nicht. Zwar bedeuten die Ausführungen zu II. 1., daß das FG den angefochtenen Feststellungsbescheid eigentlich hätte ersatzlos aufheben müssen. Der erkennende Senat kann jedoch die Vorentscheidung insoweit nicht mehr ändern, weil dies gegenüber dem FA eine Verböserung wäre, die gegen §§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO verstoßen würde. Die Kläger haben ihrerseits weder Revision noch Anschlußrevision eingelegt, weshalb auch aus diesem Grunde das angefochtene Urteil zu ihren Gunsten nicht geändert werden kann. Aus dem gleichen Grunde konnte der Senat nicht darüber entscheiden, ob das FA nicht - wie von den Klägern ursprünglich beantragt - verpflichtet war, die offenbar bei der T-AG angefallenen negativen Zwischeneinkünfte festzustellen.