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  BFH-Urteil vom 12.9.1995 (IX R 54/93) BStBl. 1996 II S. 158

Zur Frage, ob die Übertragung des Eigentums an einer von zwei Eigentumswohnungen auf einen nahen Angehörigen verbunden mit gleichzeitiger wechselseitiger Vermietung dieser Wohnungen einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts darstellt.

AO 1977 § 42; EStG § 21.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist teils nichtselbständig und teils selbständig als Arzt tätig. Er bewohnte eine Wohnung im Zweifamilienhaus seiner Mutter, das am 17. März 1988 in zwei Eigentumswohnungen aufgeteilt wurde. Am selben Tage übertrug ihm seine Mutter das Eigentum an der von ihr selbst bewohnten Eigentumswohnung in diesem Haus zum Preis von 311.000 DM (Übernahme von Darlehensverpflichtungen). Der Kläger hat vorgetragen, daß in Höhe von ca. 25 v. H. die Übertragung schenkungsweise erfolgt sei. Die erworbene Wohnung vermietete der Kläger ebenfalls mit Vertrag vom 17. März 1988 für 700 DM monatlich auf die Dauer von 20 Jahren an seine damals 62jährige Mutter. Die im Eigentum der Mutter verbliebene Eigentumswohnung vermietete die Mutter für 490 DM monatlich an den Kläger.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1988 machte der Kläger einen Werbungskostenüberschuß bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von 21.770 DM geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte diesen Werbungskostenüberschuß zunächst in dem gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheid 1988. Später änderte er diesen Bescheid und setzte keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mehr fest. Nachdem das FA den Kläger ferner vergeblich aufgefordert hatte, die bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit geltend gemachten Fortbildungskosten von 17.170 DM aufzugliedern, kürzte es diese Aufwendungen im Wege der Schätzung um 1.350 DM. Es handelt sich dabei um einen Teil der Kosten für eine vom 27. Februar bis 12. März 1988 in S/Österreich durchgeführte Weiterbildungsveranstaltung zur Erlangung der Zusatzbezeichnung "Sportmedizin".

Nach vergeblichem Einspruch erhob der Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet zurückwies.

Mit der Revision macht der Kläger Verletzung materiellen Rechts geltend.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Einkommensteuer 1988 auf 13.524 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Unrecht die Berücksichtigung eines Werbungskostenüberschusses bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) deshalb verneint, weil das Mietverhältnis des Klägers mit seiner Mutter wegen Rechtsmißbrauchs (§ 42 AO 1977) steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei.

1. Soweit das FG allerdings den Abzug der Kosten des Aufenthalts in S abgelehnt hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es kann dahingestellt bleiben, welcher Einkunftsart - nichtselbständige oder selbständige Arbeit (§ 18 oder § 19 EStG) - die Aufwendungen zur Erlangung der Bezeichnung "Sportmedizin" zuzuordnen wären. Sie sind weder als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) noch als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) abzugsfähig.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in mehreren Entscheidungen den Abzug von Aufwendungen für einen Lehrgang zum Erwerb der Bezeichnung "Sportmedizin" als Werbungskosten/Betriebsausgaben verneint, wenn der Lehrgang in der Skihauptsaison in einem bekannten Wintersportort stattfand und dabei Wintersport in nicht unbedeutendem Umfang so, wie es üblicherweise auch bei anderen Besuchern des Ortes als Freizeitsport geschah, betrieben wurde (z. B. Urteile vom 17. Juli 1992 VI R 140/89, BFH/NV 1993, 20; vom 19. Oktober 1989 VI R 155/88, BFHE 158, 532, BStBl II 1990, 134, und vom 15. März 1990 IV R 60/88, BFHE 160, 313, BStBl II 1990, 736).

Das FG hat diese Voraussetzungen hier zu Recht bejaht. Der Lehrgang fand im Februar/März in S statt und schloß im praktischen Teil sowohl den alpinen Skilauf wie den Skilanglauf ein. Unerheblich ist demgegenüber, daß die Skipraxis nach der Weiterbildungsverordnung der Landesärztekammer erforderlich war (vgl. BFH-Urteile vom 14. Dezember 1990 VI R 117/89, BFH/NV 1991, 448; vom 15. März 1990 IV R 109/88, BFH/NV 1991, 438, und vom 23. Juni 1992 VI R 15/90, BFH/NV 1992, 814). Der Senat sieht auch im Hinblick auf die von der Revision angeführten Urteile des FG des Saarlandes vom 19. März 1991 1 K 55/91 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1991, 377, rkr.), und vom 2. Juli 1991 1 K 272/90 (EFG 1991, 725, rkr.) keinen Anlaß, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen.

Das FA und das FG haben den nicht abziehbaren Aufwand auf 1.350 DM geschätzt, weil der Kläger trotz Aufforderung im Einspruchsverfahren und im finanzgerichtlichen Verfahren keine Angaben dazu gemacht hat. Der geschätzte, nicht zum Abzug zugelassene Betrag ist jedenfalls nicht zu hoch. Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gehört zu den tatsächlichen Feststellungen des FG, an die der BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich gebunden ist. Diese Bindung besteht dann nicht, wenn die tatsächlichen Feststellungen auf einem Rechtsirrtum oder Verfahrensmangel beruhen oder gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder anerkannte Schätzungsgrundsätze verstoßen (vgl. BFH-Urteile vom 19. September 1990 IX R 72/85, BFH/NV 1991, 369, und vom 27. Juni 1995 IX R 130/90, BFHE 178, 151). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

2. a) Entgegen der Auffassung des FG sind die Voraussetzungen eines Mißbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO 1977) nicht gegeben. Die Steuerpflichtigen sind grundsätzlich frei, ihre rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, daß sich eine geringere Steuerbelastung ergibt (BFH-Urteil vom 12. Juli 1988 IX R 149/83, BFHE 154, 93, BStBl II 1988, 942, zu 3. a); die gewählte Gestaltung ist auch der Besteuerung zugrunde zu legen. Das gilt nicht, wenn die Voraussetzungen des Rechtsmißbrauchs i. S. des § 42 AO 1977 gegeben sind, d. h. wenn eine Gestaltung gewählt wird, die, gemessen an dem angestrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteile vom 19. Juni 1991 IX R 134/86, BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904, m. w. N., und vom 3. Dezember 1991 IX R 142/90, BFHE 166, 276, BStBl II 1992, 397, betr. "Kauf" eines Grundstücks von der Mutter).

Die Aufteilung des Zweifamilienhauses in zwei Eigentumswohnungen und die Übertragung der Wohnung, in der die Mutter des Klägers wohnte und wohnen bleiben wollte, ist kein Mißbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Es stand der Mutter des Klägers frei, über ihr Eigentum, z. B. auch zum Zwecke der vorweggenommenen Erbfolge, zu verfügen. Dabei war es wirtschaftlich nicht geboten, die Wohnung zu übertragen, in der sie selbst nicht wohnte.

Es kann offenbleiben, wie die Übertragung auf den Kläger steuerrechtlich zu behandeln wäre, wenn sich die Mutter dadurch außerstande gesetzt hätte, für ihren eigenen Unterhalt aufzukommen (§ 1602 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) und dann möglicherweise der Kläger unterhaltspflichtig geworden wäre (§ 1601, § 1610 Abs. 1 und 2, § 1612 Abs. 1 BGB). Die Frage stellt sich hier nicht, weil die Entlastung der Mutter durch die Schuldübernahme des Klägers offensichtlich den zukünftigen Mietaufwand übersteigt.

b) Die Übertragung ist nicht deshalb als Mißbrauch zu beurteilen, weil gleichzeitig zwischen dem neuen und der alten Eigentümerin über die übertragene Eigentumswohnung ein Mietvertrag abgeschlossen worden ist. Darin ist keine den wirtschaftlichen Zielen der Beteiligten gegenüber unangemessene Gestaltung zu sehen. Die Mutter des Klägers konnte ihm die Wohnung ohne jede Auflage oder Einschränkung übertragen, sie konnte sich aber auch die Nutzungsmöglichkeit, sei es dinglich gesichert, sei es lediglich schuldrechtlich, vorbehalten (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 1988 III R 268/84, BFHE 156, 403, BStBl II 1989, 872). Im Streitfall hat die Mutter des Klägers diesem zwar das volle Eigentum übertragen, sie wollte aber auch sicherstellen, daß sie die Wohnung wie bisher nutzen konnte. Dieses Recht (die übertragene Wohnung weiter als Mieterin nutzen zu können) ist gleichzeitig mit der Übertragung am 17. März 1988 vereinbart worden und daher einem schuldrechtlich vorbehaltenen Nutzungsrecht vergleichbar. Diesem gegenüber ist es lediglich insoweit ein minderes Recht, als es entgeltlich ist.

Mit dieser Rechtsauffassung weicht der Senat nicht von den Entscheidungen zur wechselseitigen Vermietung ab (vgl. Urteile in BFHE 164, 498, BStBl II 1991, 904; vom 1. April 1993 V R 85/91, BFH/NV 1994, 64, und vom 25. Januar 1994 IX R 97, 98/90, BFHE 174, 386, BStBl II 1994, 738). Dort wurden planmäßig jeweils zwei in etwa gleichwertige Wohnungen von zwei Personen angeschafft bzw. von Miteigentümern in Wohnungseigentum umgewandelt, um sie sogleich wieder ("über Kreuz") dem anderen zu vermieten, so daß sich die Vorgänge wirtschaftlich neutralisierten. Demgegenüber lag es im Streitfall allein in der Entscheidungsbefugnis der Mutter des Klägers als der Alleineigentümerin, ob und welche der Eigentumswohnungen sie übereignete.

Damit weicht der Senat auch nicht von der Rechtsprechung des BFH zur schenkweise begründeten Darlehensforderung ab. Die Übertragung von Darlehensforderungen oder auch Geldbeträgen ist mit der Übertragung eines Grundstücks nicht vergleichbar: Ist der neue Grundstückseigentümer im Grundbuch eingetragen - und davon geht der Senat im Streitfall mangels Anhaltspunkten für das Gegenteil aus -, dann steht fest, wer zivilrechtlicher und in aller Regel auch, wer wirtschaftlicher Eigentümer ist (vgl. § 39 AO 1977). Demgegenüber beruht die steuerliche Nichtanerkennung von schenkweise begründeten Darlehensforderungen im wesentlichen darauf, daß durch die Verbindung von Schenkung des Kapitals und seiner darlehensweisen Rückgewährung unklar ist, ob das Kapital tatsächlich in die Verfügungsmacht des angeblich Beschenkten gelangt ist (grundlegend BFH-Urteile vom 10. April 1984 VIII R 134/81, BFHE 141, 308, BStBl II 1984, 705; vom 12. Februar 1992 X R 121/88, BFHE 167, 119, BStBl II 1992, 468, m. w. N.; vom 4. März 1993 X R 70/91, BFH/NV 1994, 156; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 1. Dezember 1992, BStBl I 1992, 729).

c) Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen; daher war seine Entscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann als Revisionsgericht nicht selbst Feststellungen zu der Frage treffen, ob der Mietvertrag des Klägers mit seiner Mutter auch im übrigen den Anforderungen entspricht, die die Rechtsprechung an Verträge zwischen nahen Angehörigen stellt (§ 118 Abs. 2 FGO). Danach setzt die steuerrechtliche Anerkennung eines solchen Vertrages voraus, daß er eindeutig und ernstlich vereinbart ist und entsprechend der Vereinbarung tatsächlich durchgeführt (vollzogen) wurde (BFH-Beschluß vom 27. November 1989 GrS 1/88, BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160). Das FG hat zu diesen Voraussetzungen - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Die Sache war daher an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).