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  BFH-Urteil vom 23.11.1995 (IV R 75/94) BStBl. 1996 II S. 194

Werden ausscheidende Gesellschafter einer Personengesellschaft in der Weise abgefunden, daß ihnen eine noch nicht realisierte Forderung aus einem Grundstücksverkauf (teilweise) abgetreten wird, so entspricht die steuerliche Behandlung dieses Vorgangs den für das Ausscheiden gegen eine Sachwertabfindung geltenden Grundsätzen.

EStG §§ 5 Abs. 1, 16, 34; HGB § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2; BGB § 740.

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb eine ... in der Rechtsform einer KG. Das Wirtschaftsjahr der Klägerin dauerte vom 1. Oktober bis zum 30. September eines Kalenderjahres.

Komplementärin der Klägerin war die zwischenzeitlich verstorbene MD, Mutter der Beigeladenen Kommanditisten FD, AD und HD.

Nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin waren nur die Kommanditisten zu je 1/3 am Gesellschaftsvermögen der Klägerin beteiligt. Die gleichen Beteiligungsverhältnisse lagen bei der S KG vor, die ebenfalls eine ... betrieb.

Mit notariellen Kaufverträgen vom 27. Juni 1980 verkaufte die Klägerin drei in ihrem Eigentum stehende Grundstücke in X an die Stadt Y. Der Kaufpreis belief sich insgesamt auf 3.360.000 DM (Buchwert ca. 104.000 DM). Der Besitz an den Grundstücken ging vereinbarungsgemäß am 31. Dezember 1980 auf die Erwerberin über. Die Eintragung ins Grundbuch folgte diesem Termin nach.

Mit notariellem Vertrag vom 27. August 1980 übertrug MD das in ihrem Alleineigentum stehende Grundstück E-Straße 2 auf ihre Töchter AD und HD. MD war lediglich Vorerbin nach ihrem verstorbenen Ehemann. Nacherben waren ihre drei Kinder FD, AD und HD. Im Grundstückskaufvertrag vom 27. August 1980 bewilligten und beantragten die Kinder die Löschung des Nacherbenvermerks im Grundbuch. Die beiden Töchter übernahmen im Vertrag die gesamte Unterhaltspflicht für ihre Mutter und stellten ihren Bruder (FD) von dessen Unterhaltspflicht frei. Außerdem verzichteten die Geschwister untereinander auf etwaige spätere Ausgleichungen von erhaltenen Vorempfängen aus dem Vermögen ihrer Eltern.

Ebenfalls am 27. August 1980 schlossen MD und ihre drei Kinder einen notariellen Auseinandersetzungsvertrag über die Beteiligung an der Klägerin und der S KG. Es wurde vereinbart, daß MD mit Wirkung vom 31. Oktober 1980 und AD und HD mit sofortiger Wirkung aus der Klägerin und der S KG ausscheiden sollten. Der Auseinandersetzung lagen die Bilanzen der beiden Gesellschaften auf den 30. September 1979 zugrunde. An den Ergebnissen des Geschäftsjahres 1979/1980 nahmen AD und HD nicht mehr teil. Als Abfindung für das Ausscheiden von AD und HD aus den beiden Gesellschaften wurde ein Gesamtbetrag von 1 Mio. DM für jede der ausscheidenden Kommanditistinnen vereinbart. Hierauf war bereits ein Betrag von insgesamt 90.000 DM gezahlt worden. Hinsichtlich des Restbetrages von 1.910.000 DM waren sich die Vertragsschließenden darüber einig, daß den ausscheidenden Kommanditistinnen in dieser Höhe die am 30. Juni 1981 und am 30. Juni 1982 fällig werdenden Kaufpreisanteile aus der Veräußerung der Betriebsgrundstücke an die Stadt Y (Kaufvertrag vom 27. Juni 1980) zuzüglich Zinsen zustehen sollten. Die Klägerin trat deshalb ihre, gegenüber der Stadt Y bestehenden anteiligen Kaufpreis- und Zinsansprüche an AD und HD ab.

Nach dem Ausscheiden der Kommanditistinnen wurden die Klägerin und die S KG bis zum 31. Oktober 1980 mit MD als Komplementärin und FD als alleinigem Kommanditisten fortgesetzt. Mit Ausscheiden der MD am 1. November 1980 trat als Komplementärin ohne Vermögensbeteiligung die G GmbH in die Klägerin ein. Die S KG führte FD als Einzelunternehmen fort.

Mit Gesellschaftsvertrag vom 19. Dezember 1980 wurden die Kinder des verbliebenen Kommanditisten FD, die Beigeladenen PD und MtD, neben FD als Kommanditisten in die Klägerin aufgenommen.

Im Jahre 1983 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung für die Jahre 1979 bis 1981 statt. Im Anschluß hieran vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, der Gewinn aus der Veräußerung der Betriebsgrundstücke der Klägerin an die Stadt Y sei im Wirtschaftsjahr 1. Oktober 1980 bis 30. September 1981 zu erfassen. Den die Kapitalkonten von AD und HD übersteigenden Abfindungsbetrag setzte das FA als steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn des Jahres 1980 bei AD und HD an und aktivierte ihn zuzüglich der Anschaffungsnebenkosten im Verhältnis der aufgedeckten stillen Reserven in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens der Klägerin und der S KG.

Gegen die nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Gewinnfeststellungsbescheide sowie den Gewerbesteuermeßbescheid 1980 erhob die Klägerin nach (im wesentlichen) erfolglosen Einsprüchen Klage. Sie machte geltend, der Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Betriebsgrundstücke in X sei bereits im Wirtschaftsjahr 1979/1980 zu erfassen. Ohne den Grundstücksverkauf sei keine Auseinandersetzung möglich gewesen. Die Gewinnrealisierung müsse deshalb logisch vor dem Ausscheiden liegen. Selbst wenn man die Forderung aus dem Grundstückskaufvertrag nicht bereits zum 27. August 1980 einbuchen wolle, so sei sie doch zu diesem Zeitpunkt abgetreten und mithin entnommen worden. Den neuen Kommanditisten dürfe der Gewinn aus der Veräußerung der Grundstücke jedenfalls nicht zugerechnet werden. Außerdem müsse der Wert des Verzichts von FD auf seine Nacherbenstellung am Grundstück E-Straße den Anschaffungskosten für den Erwerb der Anteile an der Klägerin zugerechnet werden.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das FG hat zu Recht entschieden, daß der Gewinn aus der Veräußerung des Grundbesitzes in X nicht im Wirtschaftsjahr 1979/1980 zu erfassen ist.

a) Nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung, die gemäß § 5 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch für die Gewinnermittlung zum Zweck der Einkommensbesteuerung maßgeblich sind, dürfen Gewinne erst ausgewiesen werden, wenn sie am Abschlußstichtag realisiert sind (vgl. nunmehr § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 des Handelsgesetzbuches n. F.). Gewinne aus entgeltlichen Veräußerungsgeschäften werden nicht bereits bei Abschluß des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts (des Kaufvertrags) realisiert. Forderungen und Schulden aus einem noch schwebenden Geschäft dürfen nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung grundsätzlich nicht aktiviert bzw. passiviert werden. Verwirklicht ist der Gewinn vielmehr erst dann, wenn der Veräußerer die vereinbarte Leistung erbracht hat. Das ist bei der Veräußerung eines Grundstücks jedenfalls solange nicht der Fall, wie das Grundstück nicht übergeben worden ist, sofern der Käufer nicht bereits vorher ins Grundbuch eingetragen wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. März 1990 III R 70/87, BFHE 161, 22, BStBl II 1990, 733 m. w. N.).

Im Streitfall war im Kaufvertrag bestimmt, daß der Besitz an dem veräußerten Grundbesitz zum 31. Dezember 1980 auf die Käuferin übergehen sollte. Die Umschreibung im Grundbuch erfolgte noch später. Die vereinbarte Leistung wurde demzufolge nach dem Bilanzstichtag 30. September 1980 erbracht.

b) Es ist kein Grund ersichtlich, warum sich an diesem durch § 5 Abs. 1 EStG gebotenen Ergebnis etwas ändern sollte, weil der Abfindungsanspruch der ausscheidenden Kommanditistinnen aus dem Veräußerungserlös bestritten werden sollte.

aa) Im Auseinandersetzungsvertrag vom 27. August 1980 wurde vereinbart, daß die beiden Schwestern des in der Klägerin verbleibenden Beigeladenen FD gegen eine Abfindung von je 1 Mio. DM aus den Gesellschaften (Klägerin und S KG) ausscheiden sollten. Allein hierdurch entstanden - unabhängig von den gleichzeitig vereinbarten anteiligen Forderungsabtretungen - nach §§ 16, 34 EStG steuerbegünstigte Veräußerungsgewinne in Höhe der Differenz zwischen dem Abfindungsbetrag und den Buchwerten der Kapitalkonten der Ausscheidenden. In Höhe dieser Gewinne (2.011.120 DM) waren auf der Aktivseite der Bilanzen der Gesellschaften die Buchwerte derjenigen Wirtschaftsgüter, die stille Reserven beinhalteten, anteilig aufzustocken. Auf der Passivseite der Bilanz der Klägerin führten sie zum Ausweis entsprechender Auseinandersetzungsverbindlichkeiten gegenüber den Ausscheidenden (vgl. Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Rdnr. 8065). Damit waren die bei ihnen anfallenden Gewinne abschließend erfaßt. Die anteilige Abtretung der Forderungen aus dem Grundstückskaufvertrag konnte lediglich zur Folge haben, daß diese Forderungen, sobald sie nach den unter 1. a aufgeführten Grundsätzen aktiviert werden durften, gegen die Auseinandersetzungsverbindlichkeiten zu verrechnen waren. Zu Entnahmegewinnen, wie sie die Klägerin für möglich hält, konnte es bei den Ausgeschiedenen nicht mehr kommen.

bb) Etwas anderes folgt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht aus der Vorschrift des § 740 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), derzufolge der Ausgeschiedene am Ergebnis aus schwebenden Geschäften teilnimmt. Zum einen ist die Vorschrift abdingbar (vgl. Ulmer in Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 138 Anm. 102 m. w. N.). Hiervon haben die Vertragsschließenden im Auseinandersetzungsvertrag vom 27. August 1980 Gebrauch gemacht, indem sie vereinbart haben, daß Grundlage der Auseinandersetzung die Bilanz auf den 30. September 1979 sein sollte und daß die Ausscheidenden am Ergebnis des Geschäftsjahres 1979/1980 nicht mehr beteiligt waren. Zum anderen weisen die Beigeladenen zu 1 und 2 zutreffend darauf hin, daß - wie sich aus § 740 Abs. 2 BGB ergibt - die im Zeitpunkt der Auseinandersetzung schwebenden Geschäfte nicht in der Abschichtungsbilanz auszuweisen sind. Vielmehr trägt § 740 BGB gerade dem Umstand Rechnung, daß nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung Rechtsgeschäfte in der Bilanz erst dann ihren Niederschlag finden, wenn sie zur Ausführung gekommen sind (Ulmer, a. a. O., Anm. 97). § 740 BGB zeigt somit, daß das Realisationsprinzip im Rahmen der Auseinandersetzung von Personengesellschaften zu beachten, und nicht - wie die Klägerin meint - zu durchbrechen ist.

cc) Die Auffassung der Klägerin, bei der von FA und FG für richtig gehaltenen Lösung würden dem verbleibenden Gesellschafter und den Neugesellschaftern Gewinne zugerechnet, die ihnen wirtschaftlich nicht zugeflossen, sondern von den Ausscheidenden "an sich gezogen" worden seien, ist unzutreffend. Die Ausgeschiedenen und der verbleibende Gesellschafter werden nicht anders behandelt als auch sonst im Falle einer Sachwertabfindung mit Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens der Gesellschaft. Die Ausgeschiedenen realisieren hierbei entsprechend dem Wert der vorgesehenen Abfindung ihre Anteile an den stillen Reserven sämtlicher Wirtschaftsgüter der Gesellschaft einschließlich der zur Abfindung bestimmten Sachwerte als Bestandteil ihres Veräußerungsgewinns. Der anschließende Vollzug der Sachwertabfindung führt zur Realisierung der verbliebenen stillen Reserven in diesen Sachwerten; dieser Gewinn ist nunmehr den verbliebenen Gesellschaftern zuzurechnen (vgl. Senatsurteil vom 24. Mai 1973 IV R 64/70, BFHE 109, 438, BStBl II 1973, 655; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 13. Aufl., § 16 Anm. 95). Das Ergebnis ist damit nicht anders, als hätte die Gesellschaft die Mittel für eine vereinbarte Geldabfindung durch Veräußerung von Betriebsvermögen gewonnen.

Dementsprechend versteuern auch im Streitfall der verbliebene und die neuaufgenommenen Gesellschafter keineswegs die gesamten stillen Reserven der veräußerten Grundstücke. Vielmehr ist der Anteil der ausgeschiedenen Gesellschafterinnen an den stillen Reserven in ihren Veräußerungsgewinn eingegangen. In demselben Umfang sind, wie beschrieben, die Buchwerte der von der Gesellschaft weiterhin bilanzierten Grundstücke aufgestockt worden; hierdurch verminderte sich der im Wirtschaftsjahr 1980/1981 angefallene Gewinn aus der Grundstücksveräußerung. Soweit die Abfindungsverpflichtung zu weiteren Aufstockungen bei anderen Wirtschaftsgütern der Gesellschaft geführt hat, mindert sich ihr späterer Gewinn ebenfalls, sei es im Wege von Abschreibungen, sei es durch Berücksichtigung höherer Buchwerte bei ihrer Veräußerung.

2. Die Annahme des FG, daß der Verzicht des Beigeladenen FD auf seine Nacherbenstellung nicht als zusätzliches Entgelt für das Ausscheiden seiner Schwestern aus der Klägerin und der S KG angesehen werden kann, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Dabei kann dahinstehen, ob ein solcher Verzicht bereits deshalb nicht als Gegenleistung in Betracht kommt, weil der Verzicht auf etwas, was der Vorerbe dem Nacherben jederzeit zu entziehen vermag, kein Entgelt darstellen kann (BFH-Urteil vom 7. April 1992 VIII R 59/89, BFHE 167, 515, BStBl II 1992, 809 zum Erb- und Pflichtteilsverzicht).

Das FG hat aufgrund der Vernehmung des beurkundenden Notars und der damaligen Rechtsberater der Vertragsschließenden als Zeugen die Überzeugung gewonnen, daß der Verzicht auf die Nacherbenstellung ausschließlich dazu diente, frühere Vorschenkungen an FD abzugelten und einen Ausgleich dafür zu schaffen, daß die Schwestern die Unterhaltspflicht gegenüber der Mutter übernahmen. In diesem Sinne hat es insbesondere die Aussage des beurkundenden Notars gewürdigt, die gesellschaftsrechtliche Auseinandersetzung und den Verzicht auf das Haus in der E-Straße habe er als zwei selbständige Sachen angesehen, die jede ihren eigenen Grund gehabt habe. Für die Richtigkeit dieser Aussage sprach nach Auffassung des FG der Umstand, daß die beiden Verträge nicht aufeinander Bezug nahmen. Ferner sprachen nach Auffassung des FG zwei Aktenvermerke des Zeugen Rechtsanwalt Z dafür, daß der Verzicht auf die Nacherbenstellung nicht Entgelt für die Übertragung der Gesellschaftsanteile habe sein sollen. In einem dieser Aktenvermerke weise der Zeuge Z insbesondere darauf hin, daß der Wert des Grundstücks E-Straße im wesentlichen durch die Kosten des Unterhalts und der Unterbringung der pflegebedürftigen Mutter MD aufgezehrt würde. Dagegen hielt das FG die Aussage des Zeugen W, die Beurkundung habe wegen der Verschiedenheit der Vertragsparteien in zwei verschiedenen Vertragsurkunden vorgenommen werden müssen, deshalb nicht für überzeugend, weil tatsächlich dieselben Personen in beiden Urkunden als Vertragsschließende aufgetreten waren.

Diese Beweiswürdigung des FG kann die Klägerin nicht mit Erfolg angreifen. Sie ist nur insoweit revisibel, als sie gegen die Verfahrensordnung, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Die Würdigung des FG muß denkgesetzlich möglich, sie muß jedoch nicht die einzig in Betracht kommende sein. Daraus folgt, daß die auf einer Beweiswürdigung beruhende Entscheidung eines FG revisionsrechtlich nur dann beanstandet werden kann, wenn das FG zu dem von ihm gefundenen Ergebnis nicht kommen konnte (BFH-Urteil vom 19. März 1982 VI R 25/80, BFHE 135, 479, BStBl II 1982, 442; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Tz. 7; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 118 Rdnr. 23). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erkennbar nicht erfüllt.