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  BFH-Urteil vom 19.12.1995 (III R 177/94) BStBl. 1996 II S. 197

Aufwendungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen sowie Kosten der Strafverteidigung sind bei einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a Abs. 2 StPO nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

EStG § 33.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr 1988 wegen Betrugs angeklagt. Mit Beschluß vom ... stellte das Amtsgericht das Verfahren gemäß § 153 a Abs. 2 der Strafprozeßordnung (StPO) unter der Auflage vorläufig ein, daß der Kläger innerhalb von sechs Monaten den Betrag von ... DM zur teilweisen Schadenswiedergutmachung an ... zahlt. Mit Beschluß vom ... stellte das Amtsgericht das Verfahren auf Kosten der Staatskasse, jedoch ohne Auslagenerstattung, endgültig ein. Der Kläger hatte im Streitjahr insgesamt ... DM zur Schadenswiedergutmachung geleistet.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr machte der Kläger die ihm im Zusammenhang mit dem Strafverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten einschließlich der Aufwendungen für Fahrten zum Rechtsanwalt sowie die Auflagenzahlung als außergewöhnliche Belastung geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Aufwendungen nicht. Der hiergegen erhobene Einspruch und die Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus: Aufwendungen für die Strafverteidigung seien nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn der Steuerpflichtige verurteilt werde und er die Kosten des Verfahrens einschließlich seiner eigenen Auslagen zu tragen habe. Solche Aufwendungen seien nicht zwangsläufig. Denn der Steuerpflichtige habe freiwillig die Ursache dafür gesetzt, daß er in einem Strafverfahren die Hilfe eines Strafverteidigers in Anspruch nehmen müsse. Die Kosten könnten nicht im Wege einer Steuerermäßigung teilweise auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Entsprechendes gelte bei einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a Abs. 2 StPO, die ein Verschulden des Angeschuldigten voraussetze. Nachdem der Kläger einer Einstellung des Verfahrens zugestimmt habe, könne das FG nicht selbständig prüfen, ob er schuldhaft gehandelt habe. Die Zahlung der Auflage sei nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen. Diese habe zwar keinen Strafcharakter. Es handele sich jedoch um eine Sanktion, die der Genugtuung und der Wiedergutmachung für begangenes Unrecht diene. Der Abzug als außergewöhnliche Belastung sei ausgeschlossen, da die Sanktion andernfalls durch die steuerliche Berücksichtigung mittelbar gemildert würde.

Mit der Revision trägt der Kläger vor: Er sei auf die angeregte Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage nur eingegangen, um das Verfahren abzukürzen und um die nervlichen Belastungen der Hauptverhandlung zu vermeiden. Er sei unschuldig und als unschuldig zu behandeln. Es könne ihm nicht angelastet werden, daß er in die Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage eingewilligt habe. Die ihm entstandenen Kosten habe er daher nicht freiwillig übernommen.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und außergewöhnliche Belastungen in Höhe von ... DM zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Aufwendungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen sowie Kosten der Strafverteidigung sind bei einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153 a Abs. 2 StPO nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Gemäß § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) können Aufwendungen u. a. nur dann als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, wenn sie dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstanden sind. Nach § 33 Abs. 2 EStG erwachsen Aufwendungen zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die aufgeführten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen, d. h. vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängig, derart auf seine Entschließung einwirken, daß er ihnen nicht auszuweichen vermag (Urteile des Senats vom 29. November 1991 III R 192/90, BFH/NV 1992, 457, und vom 26. April 1991 III R 69/87, BFHE 164, 426, BStBl II 1991, 755, jeweils m. w. N.). Dabei ist die Zwangsläufigkeit grundsätzlich nicht allein an der unmittelbaren Zahlungsverpflichtung zu messen. Auch das die Verpflichtung adäquat verursachende Ereignis muß für den Steuerpflichtigen zwangsläufig sein (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Oktober 1981 VI R 38/78, BFHE 134, 286, BStBl II 1982, 116).

Hiervon ausgehend sind dem Kläger die im Streitjahr geleisteten Aufwendungen zur Erfüllung der ihm erteilten Wiedergutmachungsauflage nicht zwangsläufig entstanden. Die Einstellung des Strafverfahrens unter Erteilung von Auflagen und Weisungen nach § 153 a Abs. 2 StPO setzt die Zustimmung des Angeschuldigten voraus. Der Kläger konnte sonach frei entscheiden, ob er die Wiedergutmachungsauflage übernehmen und die entsprechenden Zahlungen leisten oder zur Klärung der von ihm behaupteten Unschuld die Fortführung des Strafverfahrens hinnehmen wollte. Eine Zwangslage aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen ist nicht erkennbar.

Der Einwand des Klägers, er habe der Verfahrenseinstellung nur zugestimmt, um das Verfahren abzukürzen und die nervlichen Belastungen durch die Hauptverhandlung zu vermeiden, greift nicht durch. Der Kläger hat damit keine Umstände dargelegt, aufgrund derer die Durchführung des Strafverfahrens für ihn etwa ausnahmsweise hätte unzumutbar sein können. Im übrigen bietet die StPO die Möglichkeit, die Hauptverhandlung so zu gestalten, daß auf eine etwaige mangelnde Belastbarkeit eines Angeklagten hinreichend Rücksicht genommen wird.

Fehl geht auch der Hinweis des Klägers darauf, die Unschuldsvermutung sei bei einer Einstellung nach § 153 a Abs. 2 StPO nicht widerlegt (s. dazu Kleinknecht/Meyer-Goßner, Strafprozeßordnung, 42. Aufl., § 153 a Rdnr. 2 m. w. N.). Die Nichtanerkennung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen zur Erfüllung einer Auflage i. S. von § 153 a Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 StPO ergibt sich - entgegen der Auffassung des FG - nicht daraus, daß die Verfahrenseinstellung nach § 153 a Abs. 2 StPO ein Verschulden voraussetzt. Die fehlende Zwangsläufigkeit beruht vielmehr darauf, daß der Kläger - ohne aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen gezwungen gewesen zu sein - aufgrund freier Entscheidung der Einstellung des Verfahrens unter Erteilung der Wiedergutmachungsauflage zugestimmt hat.

Die gleichen Erwägungen gelten hinsichtlich der geltend gemachten Anwaltskosten. Auch insoweit fehlt es an der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen. Durch seine Zustimmung zu der Einstellung des Verfahrens hat der Kläger letztlich auch auf eine Kostenerstattung verzichtet (§ 467 Abs. 5 StPO), wie sie im Falle eines Freispruches gemäß § 467 Abs. 1 StPO auszusprechen gewesen wäre. Die Strafverteidigerkosten sind daher wie im Falle einer Verurteilung nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar (BFH-Urteil vom 21. Juni 1989 X R 20/88, BFHE 157, 397, BStBl II 1989, 831). Sie teilen auch hier im Ergebnis das Schicksal der vom Gericht verhängten Sanktion.