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  BFH-Urteil vom 14.12.1995 (II R 18/93) BStBl. 1996 II S. 243

Für die Berechnung der nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 zinslos zu stundenden Steuer kann der unter Beachtung des § 16 BewG ermittelte Kapitalwert einer Nutzungs- oder Duldungsauflage nur in Höhe des auf den freigebigen Teil der Zuwendung entfallenden Anteils als Last vom Erwerb abgezogen werden.

ErbStG 1974 § 25 Abs. 1 Satz 2; BewG § 16.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1993, 89)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) schloß 1984 mit seiner damals 59jährigen Mutter einen "Hofesübergabe-, Altenteils- und Abfindungsvertrag" (Übergabevertrag) ab. Danach übertrug die Mutter dem Kläger den ca. 92 ha großen Hof sowie Grundvermögen und weiteres Vermögen (u. a. Aktien); der Kläger verpflichtete sich gegenüber seiner Mutter zur Leistung eines lebenslänglichen Altenteils in Form einer monatlichen Rente sowie von Sach- und Dienstleistungen und zur Gewährung eines Wohnrechts an der ersten Etage des Altenteilerhauses.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung - AO 1977 -) Schenkungsteuer zunächst in Höhe von 25.074 DM fest. Im Einspruchsverfahren erhöhte das FA - nach vorangegangenem Hinweis auf die Verböserung - die Schenkungsteuer auf 30.907,50 DM, indem es die Aktien nicht mehr mit dem Nennwert, sondern mit dem gemeinen Wert berücksichtigte. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Den steuerpflichtigen Erwerb ermittelte das FA nach Maßgabe der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 10. Februar 1983 (BStBl I 1983, 238), wonach Schenkungen unter einer Auflage entsprechend den vom Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Urteilen vom 21. Oktober 1981 II R 176/78 (BFHE 134, 357, BStBl II 1982, 83) und vom 14. Juli 1982 II R 125/79 (BFHE 136, 303, BStBl II 1982, 714) entwickelten Grundsätzen für die schenkungsteuerrechtliche Erfassung gemischter Schenkungen zu behandeln sind.

Mit der Klage beantragte der Kläger, die Schenkungsteuer unter Berücksichtigung der im BFH-Urteil vom 12. April 1989 II R 37/87 (BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524) entwickelten Grundsätze festzusetzen und dabei die Duldungsauflage (Wohnrecht) mit dem Verkehrswert und nicht unter Berücksichtigung des § 16 des Bewertungsgesetzes in der am Stichtag maßgebenden Fassung (BewG a. F.) anzusetzen.

Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging in Übereinstimmung mit den Beteiligten von einer Schenkung unter einer Auflage aus. Bei den vom Kläger gegenüber seiner Mutter zu erbringenden Sach- und Dienstleistungen im Rahmen des Altenteils handle es sich um Leistungsauflagen, deren Kapitalwert (ohne das Wohnrecht) bei einem unstreitigen Jahreswert von 30.495 DM für Verpflegung, Heizung, Krankenversicherung usw. 345.142 DM (= 30.495 DM × 11,318) betrage. Auch bezüglich der sonstigen vom Kläger übernommenen Verbindlichkeiten in Höhe von 236.556 DM liege eine Leistungsauflage vor. Demgegenüber handle es sich bei dem der Mutter eingeräumten Wohnrecht um eine Duldungsauflage, denn der Kläger sei einerseits zur Leistung des versprochenen Altenteils verpflichtet und habe andererseits den Gebrauch der Sache durch die Mutter zu dulden. Einem Abzug dieser Last stehe § 25 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes vom 17. April 1974 i. d. F. des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung des Einkommensteuergesetzes und anderer Gesetze vom 18. August 1980 (BGBl I 1980, 1537, BStBl I 1980, 581, 586) - ErbStG 1974 - entgegen. Das FG ermäßigte die Schenkungsteuer unter Anwendung der in den gleichlautenden Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder vom 9. November 1989 (BStBl I 1989, 445) unter Tz. 3.1 enthaltenen Formel für die Ermittlung des Steuerwerts der Bereicherung wie folgt:

Steuerwert der Leistung der Schenkerin

585.534 DM

Verkehrswert der Leistung

 

der Schenkerin

 

Verkehrswert der Bereicherung

 

des Klägers

3.067.072 DM

(= 3.648.770 DM

 

./. 236.556 DM Schulden

 

./. 345.142 DM Jahreswert des Altenteils

 

ohne Wohnrecht)

 

 

585.534 DM x 3.067.072 DM

 

------------------------------------- =

492.186 DM

3.648.770 DM

 

 

./. Freibetrag

90.000 DM

steuerpflichtiger Erwerb (abgerundet)

402.100 DM

7,5% Schenkungsteuer

30.157 DM.

Soweit der Kläger die teilweise Stundung der Schenkungsteuer begehre, sei die Klage ebenfalls begründet. Denn nach § 25 ErbStG 1974 sei der Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen dem Schenker zustehen, ohne Berücksichtigung dieser Belastung zu besteuern. Die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastung entfalle, sei jedoch bis zu deren Erlöschen zinslos zu stunden. Den Kapitalwert des Wohnrechts hat das FG unter Zugrundelegung des zwischen den Beteiligten unstreitigen Verkehrswerts (Jahreswerts) des Wohnrechts von 3.400 DM und des nach § 14 BewG i. V. m. Anl. 9 zum BewG a. F. maßgeblichen Vervielfältigers von 11,318 mit 38.481 DM ermittelt; die in § 16 BewG vorgesehene Begrenzung des Jahreswerts des Wohnrechts auf 1/18 des Steuerwerts der Wohnung sei im Streitfall nicht gerechtfertigt.

Den nach § 25 ErbStG 1974 zinslos zu stundenden Betrag ermittelte das FG wie folgt:

3.648.770 DM

Verkehrswert der Leistung

 

der Schenkerin

./. 236.556 DM

Schulden

./. 345.142 DM

Jahreswert des Altenteils ohne Wohn-

 

recht

./. 38.481 DM

Jahreswert des Wohnrechts

--------------------

 

3.028.591 DM

Verkehrswert der Bereicherung

 

des Klägers

 

585.534 DM x 3.028.591 DM

 

-------------------------------------

= 486.011 DM Erwerb

3.648.770 DM

 

 
 

./. 90.000 DM Freibetrag

 

396.011 DM

 

= 396.000 DM abgerundet

7% Schenkungsteuer

= 27.720 DM

Steuer bisher

= 30.157 DM

zinslos zu stunden

= 2.437 DM.

Mit der Revision beantragt das FA sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den nach § 25 ErbStG 1974 zu stundenden Betrag auf 2.402 DM festzusetzen. Die Vorinstanz habe zwar zutreffend festgestellt, daß das Wohnrecht als Duldungsauflage eingeordnet werden müsse, die nach § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 durch Abzug der Last zu berücksichtigen sei. Bei der Berechnung des Kapitalwerts gemäß § 25 Abs. 1 ErbStG habe das FG jedoch den ungekürzten Wert des Wohnrechts in Höhe von 38.481 DM als Abzugsposten in die Formel eingesetzt, die an sich zur Berechnung des Wertes der freigebigen Zuwendung verwendet werde, und dadurch entgegen der vom BFH in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524 getroffenen Unterscheidung das Wohnrecht genauso behandelt wie eine abzugsfähige Auflage.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Zutreffend hat das FG das im Übergabevertrag der Mutter des Klägers eingeräumte lebenslängliche Wohnrecht im Altenteilerhaus als Duldungsauflage beurteilt, die bei der Ermittlung des Steuerwerts der Bereicherung des Klägers nicht berücksichtigt werden kann. Denn die Einräumung des Wohnrechts stellt keine Leistung des Klägers dar, die ihm Aufwendungen im Sinne von Geld- oder Sachleistungen verursacht. Sie kann daher nicht wie eine Gegenleistung bei der gemischten Schenkung behandelt werden. Die Vereinbarung des Wohnrechts zugunsten der den Hof übergebenden Mutter des Klägers bewirkt lediglich ein Hinausschieben des mit dem Eigentumsübergang grundsätzlich verbundenen vollen Nutzungsrechts auf Zeit (vgl. Senatsurteile in BFHE 156, 244, 250, BStBl II 1989, 524, 526, sowie vom 8. Dezember 1993 II R 61/89, BFH/NV 1994, 373).

2. Die durch das Wohnrecht im Altenteilerhaus eintretende vorübergehende Einschränkung, die unmittelbar mit dem übernommenen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb als Zuwendungsgegenstand verknüpft ist, kann nur durch Abzug der Last berücksichtigt werden, soweit nicht § 25 Abs. 1 ErbStG 1974 dem entgegensteht.

a) Dessen Voraussetzungen hat das FG in Übereinstimmung mit den Beteiligten zu Recht bejaht, da bezüglich der ersten Etage des dem Kläger zugewandten Altenteilerhauses die Nutzungen der Schenkerin verbleiben. Die Vorinstanz hat jedoch die auf den Kapitalwert dieser Belastung entfallende Schenkungsteuer, die bis zum Erlöschen des Wohnrechts zinslos zu stunden ist, unzutreffend berechnet. Denn der gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 zu stundende Teil der Steuer besteht in der Differenz zwischen dem Steuerbetrag, der sich ohne Abzug des Kapitalwerts der Nutzungs- oder Duldungsauflage vom Steuerwert der freigebigen Zuwendung ergibt, und dem Steuerbetrag, der sich ergäbe, wenn vom Steuerwert der freigebigen Zuwendung die Nutzungs- oder Duldungsauflage - im Streitfall das Wohnrecht der Mutter des Klägers - mit dem Kapitalwert abgezogen würde.

Dabei ist der Kapitalwert der Nutzungs- oder Duldungsauflage gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG 1974 nach §§ 13 bis 15 BewG und unter Beachtung der Begrenzung des Jahreswerts von Nutzungen nach § 16 BewG zu ermitteln. Daraus folgt, daß auch für die Berechnung des nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 zu stundenden Steuerbetrags im Streitfall der Jahreswert des Wohnrechts entgegen der Auffassung der Vorinstanz gemäß § 16 BewG nach Maßgabe des (anteiligen) steuerlichen Werts der Wohnung im Altenteilerhaus begrenzt ist. Insoweit kann für die Ermittlung des Kapitalwerts im Rahmen des § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nichts anderes gelten als für die Berechnung eines nach § 25 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zulässigen Abzugsbetrags, die unbestritten nach den §§ 13 bis 16 BewG vorzunehmen ist (vgl. Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 25 Anm. 13; Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 25 Anm. 30; Troll, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 25, Tz. 2).

b) Für die Ermittlung des (fiktiven) Steuerbetrags ist die Nutzungs- oder Duldungsauflage jedoch nicht mit dem vollen Steuerwert abzugsfähig. Nutzungs- oder Duldungsauflagen können vielmehr nur in Höhe des Anteils abgezogen werden, der sich aus dem Verhältnis des Verkehrswerts der Bereicherung des Beschenkten zum Verkehrswert der Leistung des Schenkers ergibt. Da dieses Verhältnis nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteile in BFHE 134, 357, BStBl II 1982, 83; in BFHE 136, 303, BStBl II 1982, 714, und in BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524) bei gemischten Schenkungen und Schenkungen unter Leistungsauflage für die Ermittlung des Steuerwerts der freigebigen Zuwendung maßgebend ist, kann auch eine Nutzungs- oder Duldungsauflage nur mit dem entsprechenden Anteil berücksichtigt werden. Derartige Nutzungsauflagen beziehen sich auf den gesamten übertragenen Vermögensgegenstand und damit auch auf den entgeltlichen Zuwendungsanteil (Meincke, a. a. O., 9. Aufl., § 7 Anm. 36, sowie 10. Aufl., § 7 Anm. 37). Folgerichtig kann daher auch für die Berechnung der nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 zinslos zu stundenden Steuer der unter Beachtung des § 16 BewG ermittelte Kapitalwert einer Nutzungs- oder Duldungsauflage nur in Höhe des auf den freigebigen Teil der Zuwendung entfallenden Anteils als Last vom Erwerb abgezogen werden (vgl. Meincke, a. a. O., 10. Aufl., § 7 Anm. 37 sowie Moench, a. a. O., § 7 Rz. 145 a unter Hinweis auf die Neufassung der Tz. 3.3 des Ländererlasses vom 9. November 1989 durch den gleichlautenden Erlaß der obersten Finanzbehörden der Länder vom 6. Dezember 1993, BStBl I 1993, 1002). An der im Urteil vom 16. Dezember 1992 II R 114/89 (BFH/NV 1993, 298) in einem obiter dictum zu § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 vertretenen Auffassung, der nach Maßgabe der §§ 13 bis 16 BewG ermittelte Kapitalwert der Nutzungs- oder Duldungsauflage sei in vollem Umfang abzuziehen, hält der Senat nicht mehr fest.

c) Für den Streitfall bedeutet dies, daß zur Berechnung des nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG 1974 zu stundenden Steuerbetrags von der Schenkungsteuer von 30.157 DM die Schenkungsteuer abzuziehen ist, die sich ergäbe, wenn der Erwerb von 492.186 DM um den Anteil des steuerlichen Kapitalwerts des Wohnrechts vermindert wird, der dem Verhältnis des Erwerbs (492.186 DM) zum Steuerwert der Leistung der Schenkerin (585.534 DM) entspricht, d. h. daß das Wohnrecht der Mutter des Klägers nur in Höhe von 84 v. H. des Steuerwerts abgezogen werden kann.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Der Senat kann mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen zur Höhe des auf die erste Etage des Altenteilerhauses entfallenden Einheitswertanteils nicht selbst entscheiden, in welcher Höhe der Kapitalwert des der Mutter des Klägers eingeräumten Wohnrechts unter Berücksichtigung des § 16 BewG anzusetzen ist. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben.