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  BFH-Urteil vom 13.3.1996 (VI R 94/95) BStBl. 1996 II S. 375

Aufwendungen für die Beseitigung eines Unfallschadens an einem PKW sind keine Werbungskosten, wenn sich der Unfall auf einer Umwegfahrt der berufstätigen Mutter eines Kleinkindes zum Hort unmittelbar vor Arbeitsbeginn ereignet hat.

EStG § 9 Abs. 1, § 12 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1995, 663)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind beide als Arbeitnehmer ganztags berufstätig. Sie haben eine Tochter, die im Streitjahr 1991 sechs Jahre alt war. Die Klägerin verursachte einen Verkehrsunfall, als sie unmittelbar vor Arbeitsbeginn die Tochter zum Hort brachte, was mit einem Umweg von 3 km gegenüber der Fahrtstrecke zur Arbeitsstätte verbunden war. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte es ab, die Aufwendungen für die Behebung des Schadens als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 663 veröffentlicht.

Das FA stützt seine Revision auf eine Verletzung der §§ 9 und 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet. Das FG hat zu Unrecht die Unfallkosten als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen.

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Unfall, der sich auf einer privat veranlaßten Abweichung von der Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ereignet, nicht beruflich oder betrieblich veranlaßt; dementsprechend können die Unfallkosten nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden (vgl. Urteile vom 11. Oktober 1984 VI R 48/81, BFHE 142, 137, BStBl II 1985, 10, m. w. N.; vom 14. November 1986 VI R 79/83, BFHE 148, 310, BStBl II 1987, 275; vom 22. März 1990 IV R 353/84, BFH/NV 1991, 512). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

Der Umweg der Klägerin zum Hort war ausschließlich privat veranlaßt. Bringen Eltern ihre Kinder in einen Hort, so betrifft dies ausschließlich ihre private Lebensführung. Die Kosten für die Unterbringung der Kinder im Hort und die Fahrten dorthin sind Aufwendungen des Steuerpflichtigen für den Unterhalt seiner Familienangehörigen. Sie dürfen gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht bei den einzelnen Einkunftsarten abgezogen werden.

Diese Beurteilung ändert sich auch dann nicht, wenn Eltern ihren Beruf ohne die Betreuung ihres Kindes durch Dritte gar nicht ausüben könnten und deshalb die Umwegfahrt zu einem Hort unerläßliche Voraussetzung für die eigene Berufsausübung ist. Dieser Fall kann nicht anders beurteilt werden als die Beschäftigung einer Kinderpflegerin durch beidseits berufstätige Eltern. Zu den Aufwendungen für die Beschäftigung einer Kinderpflegerin hat der BFH mit Urteil vom 9. November 1982 VIII R 198/81 (BFHE 137, 304, BStBl II 1983, 297) entschieden, daß sie bei der Einkommensteuerfestsetzung ausschließlich in dem Umfang berücksichtigt werden, der sich aus den Vorschriften über Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und über den Tarif ergibt. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt dieses Urteils Bezug genommen.

Sind danach die Kosten für die Fahrten der Klägerin zum Hort Aufwendungen für den Unterhalt von Familienangehörigen i. S. des § 12 Nr. 1 EStG und mithin keine Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, so gilt Gleiches für die Kosten des Unfalls, der sich auf einer solchen Fahrt ereignet. Auch hier trifft zu, daß die Unfallkosten das rechtliche Schicksal der Fahrtkosten teilen (vgl. z. B. BFH-Urteil in BFHE 148, 310, BStBl II 1987, 275, 276).

Im Streitfall ist dies auch nicht ausnahmsweise deswegen anders zu beurteilen, weil der Umweg mit 3 km möglicherweise als nur kurz angesehen werden könnte. Denn die Kürze des Umwegs hat auf die Wertung, ob das Abweichen von der Normalroute durch berufliche oder private Gründe veranlaßt ist, keinen Einfluß.

2. Die Vorentscheidung ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.