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  BFH-Beschluß vom 23.4.1996 (II B 127/95) BStBl. 1996 II S. 379

Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 15 Abs. 7 DB/EigenheimVO kann nur gewährt werden, wenn entweder am Gegenstand des Kaufvertrags selbständiges Gebäudeeigentum besteht oder im Vollzug des Vertrages entsteht.

DB/EigenheimVO § 15 Abs. 7; VerkaufsG § 4; ZGB § 295 Abs. 1 und 2, §§ 287, 288 Abs. 4, §§ 291, 292 Abs. 3, § 459.

Vorinstanz: FG Brandenburg

Sachverhalt

I.

Am 18. Juni 1990 schlossen der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) und seine Ehefrau mit dem VEB X (VEB) einen notariell beurkundeten Vertrag, der als Eigenheimkaufvertrag bezeichnet ist. Vertragsgegenstand war das in A, B-Straße gelegene, auf dem volkseigenen Flurstück ..., Flur ..., errichtete Eigenheim, als dessen Rechtsträger der VEB bezeichnet wurde. Die Eheleute erwarben das von ihnen bereits bewohnte Eigenheim zu gemeinschaftlichem Eigentum. In der Urkunde wurde beantragt, diese Rechtsänderung in das Grundbuch einzutragen und den Eheleuten das Nutzungsrecht für das volkseigene Grundstück zu verleihen. Der Kaufpreis für Eigenheim, Garage und bauliche Anlagen betrug zusammen 51.230 Mark der DDR. Der Notar belehrte die Erschienenen u. a. darüber, daß Voraussetzung für die Wirksamkeit des Vertrages die staatliche Genehmigung sei.

Mit einem weiteren notariell beurkundeten Vertrag, als Flurstückkaufvertrag bezeichnet, verkaufte der Rat des Kreises A als Rechtsträger des volkseigenen Flurstücks ..., Flur ..., dieses an die Eheleute zu gemeinschaftlichem Eigentum. Der Kaufpreis hierfür betrug 515 Mark der ehemaligen DDR. In dieser Urkunde belehrte der Notar u. a. darüber, daß der Vertrag als staatlich genehmigt gelte.

Am 23. Oktober 1990 wurde von der Stadt A eine Globalgenehmigung für die Grundstücke B-Straße erteilt, die auch die Verträge des Antragstellers und seiner Ehefrau umfaßte. Am 13. Mai 1991 wurden die Eheleute als Eigentümer im Grundbuch von D eingetragen. Zur Zeit des Erwerbs im Jahre 1990 waren beide Eheleute als Angestellte tätig.

Durch Bescheid vom 16. Dezember 1994 setzte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) für den Grundstücks- und Eigenheimerwerb des Antragstellers eine Grunderwerbsteuer in Höhe von 906 DM fest. Der Steuerbemessung lag das aus beiden Verträgen auf den Antragsteller entfallende halbe Entgelt zugrunde, das im Verhältnis 2 : 1 auf DM umgerechnet worden war.

Gegen den Bescheid hat der Antragsteller Einspruch eingelegt, mit dem er geltend machte, sein Erwerb sei nach § 15 Abs. 7 der Durchführungsbestimmung zur Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und Instandsetzung von Eigenheimen vom 18. August 1987 - DB/EigenheimVO - (Gesetzblatt der DDR - GBl DDR - I 1987, 215) von der Grunderwerbsteuer befreit. Die von dem Antragsteller während des Einspruchsverfahrens beim FA beantragte Aussetzung der Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids wurde vom FA abgelehnt.

Auf Antrag des Antragstellers setzte das Finanzgericht (FG) durch Beschluß die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 16. Dezember 1994 in Höhe von 897 DM aus. Im übrigen wies es den Antrag zurück. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand bestünden ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids. Der Erwerb des Miteigentumsanteils an dem Einfamilienhaus sei nach § 15 Abs. 7 DB/EigenheimVO von der Grunderwerbsteuer befreit. Diese Vorschrift enthalte eine ausschließlich grunderwerbsteuerrechtliche Regelung, die bis zum 31. Dezember 1990 in Kraft geblieben sei. Der Antragsteller habe als Angestellter zu dem in der Vorschrift begünstigten Personenkreis gehört. Er habe ein Eigenheim zu eigenen Wohnzwecken erworben. Der ebenfalls erworbene Miteigentumsanteil am Grundstück, auf dem dieses Gebäude stehe, sei dabei nicht zu berücksichtigen. Hinsichtlich des auf den Erwerb des Grundstücks fallenden Entgeltsanteils sei keine Grunderwerbsteuerbefreiung zu gewähren, weil der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem bebauten Grundstück nicht unter die Vorschrift des § 15 Abs. 7 DB/EigenheimVO falle. Das FG hat die Beschwerde zugelassen.

Mit der Beschwerde beantragt das FA, den Beschluß des FG aufzuheben. Die Rechtsfrage, ob der Erwerb eines Eigenheims nach § 15 Abs. 7 Satz 1 DB/EigenheimVO steuerbefreit sei, wenn gleichzeitig das Grundstück erworben werde, sei bisher höchstrichterlich nicht entschieden. Die Vorschrift umfasse nur den Fall, daß selbständiges Eigentum an einem Eigenheim erworben werde (§ 295 Abs. 1 Satz 1 des Zivilgesetzbuches der ehemaligen DDR - ZGB -).

Der Antragsteller hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung.

Entgegen der Auffassung des FG bestehen keine die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Grunderwerbsteuerbescheids vom 16. Dezember 1994, weil die Voraussetzungen des § 15 Abs. 7 Satz 1 DB/EigenheimVO nicht erfüllt sind.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die am 18. und 19. Juni 1990 abgeschlossenen und noch im Jahre 1990 genehmigten Verträge nach dem Grunderwerbsteuergesetz der ehemaligen DDR (GrEStG DDR) vom 18. September 1970 (GBl DDR Sonderdruck Nr. 677) zu beurteilen sind. Das GrEStG DDR ist sowohl für die Zeit vor dem Wirksamwerden des Beitritts als auch nach diesem Zeitpunkt bis zum Inkrafttreten des Grunderwerbsteuergesetzes 1983 im Beitrittsgebiet zum 1. Januar 1991 (Art. 8 i. V. m. Anlage I Kapitel IV Sachgebiet B Abschn. II Nr. 14 Abs. 1 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August 1990, BGBl II 1990, 889) wie partielles Bundesrecht zu behandeln (vgl. Senatsurteil vom 19. Mai 1993 II R 29/92, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630). Dies gilt auch für § 15 Abs. 7 DB/EigenheimVO, weil diese Vorschrift eine ausschließlich grunderwerbsteuerrechtliche Regelung enthält (Senatsurteil vom 11. Januar 1995 II R 78/93, BFHE 176, 461, BStBl II 1995, 270).

2. Die Eheleute haben jedoch kein begünstigungsfähiges Wohngebäude erworben.

Nach § 14 der Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und die Instandsetzung von Eigenheimen (EigenheimVO) vom 31. August 1978 (GBl DDR I 1978, 425) i. V. m. § 15 Abs. 7 Satz 1 DB/EigenheimVO waren Bürger i. S. von § 12 Abs. 2 EigenheimVO u. a. beim Erwerb eines Eigenheims zu eigenen Wohnzwecken von der Grunderwerbsteuer befreit. Eigenheime im Sinne der Vorschrift waren nach der Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 1 DB/EigenheimVO Wohngebäude, die als persönliches Eigentum für den Wohnbedarf einer Familie bestimmt sind. Diese Definition bezieht sich ihrerseits auf ein spezielles Rechtsinstitut der ehemaligen DDR, nämlich das selbständige Gebäudeeigentum.

a) Das "Eigenheim" war im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags vom 18. Juni 1990 kein selbständiges Wohngebäude; es war vielmehr gemäß § 295 Abs. 1 ZGB Bestandteil des volkseigenen Grundstücks. Der Umstand, daß der VEB sich als Rechtsträger des Gebäudes bezeichnete, ändert daran nichts.

Nach der Grundregel des § 295 Abs. 1 ZGB umfaßte das Eigentum am Grundstück den Boden und die mit dem Boden fest verbundenen Gebäude. Durch Rechtsvorschriften konnte nach § 295 Abs. 2 Satz 1 ZGB zwar festgelegt werden, daß Eigentum am Gebäude unabhängig vom Eigentum am Grundstück bestehen kann. Im Streitfall kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß an dem Gebäude selbständiges Eigentum entstanden war. Gebäude, an denen persönliches Eigentum des Nutzungsberechtigten bestand, konnten aufgrund verliehenen Nutzungsrechts an volkseigenen Grundstücken bzw. genossenschaftlich genutzten Flächen entstehen (vgl. §§ 287, 288 Abs. 4 ZGB bzw. §§ 291, 292 Abs. 3 ZGB). Selbständiges Gebäudeeigentum ohne derartiges Nutzungsrecht entstand u. a. an den von landwirtschaftlichen Produktionsgemeinschaften auf dem von ihnen genutzten Boden errichteten Gebäuden (§ 27 des Gesetzes über die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften - LPG-Gesetz - vom 2. Juli 1982 GBl DDR I 1982, 443) sowie an Gebäuden, die von volkseigenen Betrieben, staatlichen Organisationen oder Einrichtungen auf vertraglich genutzten (Privat-)Grundstücken errichtet wurden (vgl. § 459 ZGB, aufgehoben durch Gesetz vom 22. Juli 1990, GBl DDR I 1990, 903). Diese rechtlichen Voraussetzungen lagen hinsichtlich des Gebäudes, das Gegenstand des Vertrages vom 18. Juni 1990 war, ersichtlich nicht vor.

b) Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel daran, daß an dem "Eigenheim" im Vollzug des Vertrages vom 18. Juni 1990 kein selbständiges Gebäudeeigentum entstanden ist.

Auch im Zusammenhang mit dem Kauf eines volkseigenen Einfamilienhauses nach dem Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude (VerkaufsG) vom 7. März 1990 (GBl DDR I 1990, 157) konnte selbständiges Gebäudeeigentum entstehen, wenn nämlich für das verkaufte Gebäude ein Gebäudegrundbuchblatt angelegt und auf diesem der Käufer als Eigentümer des Gebäudes eingetragen wurde (§ 4 Abs. 1 VerkaufsG). In einem solchen Falle war für das zum Gebäude gehörende Grundstück ein Nutzungsrecht zu verleihen, und zwar auf Antrag des Käufers, der einen Bestandteil des Kaufvertrags bildete (§ 4 Abs. 2 Satz 1 VerkaufsG i. V. m. der dazu ergangenen Durchführungsverordnung vom 15. März 1990, GBl DDR I 1990, 158).

Zwar hatten die Eheleute den Antrag auf Verleihung eines Nutzungsrechts an dem Grundstück im Kaufvertrag gestellt. Es liegen jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, daß ihnen dieses verliehen worden wäre. Dieser Annahme würde auch der am Folgetag abgeschlossene Flurstückskaufvertrag entgegenstehen, in dessen Vollzug sie Eigentümer des Grundstücks und damit auch des (rechtlich unselbständigen) Gebäudes werden konnten. Weiter liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß ein Gebäudegrundbuchblatt angelegt worden sei. Schließlich spricht auch die vorgenommene Eintragung in das Grundbuch gegen die Annahme, daß das Eigentum an dem Gebäude verselbständigt worden sei.