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BFH-Urteil vom 16.2.1996 (I R 68/95) BStBl. 1996 II S. 385

§ 33 Abs. 3 KStG a. F. erfaßt nicht solche Fälle, in denen das Verlustabzugsjahr und das Jahr, für das die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist, auseinanderfallen.

KStG a. F. § 33 Abs. 3.

Vorinstanz:FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine sich in Liquidation befindende GmbH, beschloß im Jahr 1987 für 1985 Gewinn in Höhe von 1.530.503 DM auszuschütten. Die Ausschüttung wurde im selben Jahr ausbezahlt.

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) für das Streitjahr 1985 einen Körperschaftsteueränderungsbescheid, in dem er von folgenden Besteuerungsgrundlagen ausging:

Zu versteuerndes Einkommen                                1.188.459 DM

Tarifbelastung                                                         663.016 DM

Körperschaftsteuerminderung                                   394.400 DM

Körperschaftsteuererhöhung                                     127.982 DM

                                                                              -----------------

Körperschaftsteuer                                                  396.598 DM

Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Bestandskräftig wurde auch der Feststellungsbescheid gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 1986, in dem das FA das EK 56 mit 867.682 DM, das EK 36 mit 40.897 DM, das EK 02 mit 59 DM und das EK 03 mit ./. 2.281 DM festgestellt hatte.

Bei der Körperschaftsteuerveranlagung für 1988 gingen die Klägerin und das FA von einem Verlust in Höhe von 362.220 DM aus. Dieser Verlust wurde mangels Gewinnausschüttung für 1986 in voller Höhe gemäß § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf 1986 zurückgetragen. Aufgrund dieses Verlustrücktrags änderte das FA auch den Feststellungsbescheid gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1986 und wies darin nunmehr ein EK 56 in Höhe von 708.314 DM, ein EK 36 in Höhe von 40.897 DM, ein EK 02 in Höhe von 159.427 DM und ein EK 03 in Höhe von ./. 2.281 DM aus. Aufgrund dieses geänderten Feststellungsbescheides änderte das FA anschließend den Körperschaftsteuerbescheid 1985 gemäß § 175 der Abgabenordnung (AO 1977) und ging nunmehr von folgenden Besteuerungsgrundlagen aus:

Zu versteuerndes Einkommen

1.188.459 DM

Tarifbelastung

633.016 DM

Körperschaftsteuerminderung

321.961 DM

Körperschaftsteuererhöhung

258.373 DM

 

------------------

Körperschaftsteuer

599.428 DM

Gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1985 erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage, die erfolglos blieb.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 8 Abs. 4, 33 Abs. 3 KStG in der im Streitjahr geltenden Fassung und beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Körperschaftsteuer 1985 auf 396.598 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. § 33 Abs. 3 KStG in der im Streitjahr 1985 geltenden Fassung ist auch bei Festsetzung der Körperschaftsteuer und nicht nur im Rahmen der Feststellung der verwendbaren Eigenkapitalteile gemäß § 47 KStG zu beachten. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 3 KStG. Danach gelten die Teilbeträge des Eigenkapitals in der Höhe als für die Ausschüttung verwendet, in der sie ohne den Rücktrag als verwendet gegolten hätten, wenn in den Fällen des Verlustrücktrags nach § 10 d Abs. 1 EStG für das Abzugsjahr die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist. Diese Vorschrift schreibt für den dort geregelten Verlustrücktrag die Verwendungsfiktion des § 28 Abs. 2 KStG fest (vgl. z. B. Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 33 KStG a. F. Rdnr. 79; Bink, GmbH-Rundschau - GmbHR - 1985, 95; Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 33 Rdnr. 28). Da die Ausschüttungsbelastung gemäß § 27 Abs. 1 KStG zweifelsfrei bei der Körperschaftsteuerveranlagung zu berücksichtigen ist und § 27 Abs. 1 KStG wegen der als verwendet geltenden Eigenkapitalteile auf § 28 KStG verweist, betrifft auch der die Verwendungsfiktion festschreibende § 33 Abs. 3 KStG mittelbar die Körperschaftsteuerfestsetzung.

2. § 33 Abs. 3 KStG erfaßt nicht solche Fälle, in denen - wie im Streitfall - Verlustabzugsjahr (hier: 1986) und das Jahr, für das die Ausschüttungsbelastung herzustellen ist (hier: 1985) auseinanderfallen. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Gesetzeswortlaut, wonach nur solche Fälle erfaßt werden, in denen die Ausschüttungsbelastung “für das Abzugsjahr” herzustellen ist. An diesen Gesetzeswortlaut ist der Senat gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) gebunden.

Auch eine Gesetzesanalogie scheidet aus. Sie setzt eine planwidrige Gesetzeslücke voraus. Eine Lücke des Gesetzes liegt - nur - vor, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig ist und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Rechtspolitische Unvollständigkeiten, d. h. Lücken, die nicht dem Gesetzesplan widersprechen, sondern vom Rechtsanwender als rechtspolitisch unerwünscht empfunden werden, können entsprechend dem Prinzip der Gewaltenteilung auch von den Gerichten nicht geschlossen werden (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. März 1994 I R 124/93, BFHE 175, 46, BStBl II 1994, 852, m. w. N.). Für das Bestehen einer solchen Lücke könnte im Streitfall zwar sprechen, daß § 33 Abs. 3 KStG zu einer Zeit formuliert wurde, in der es nur den einjährigen Verlustrücktrag gab. Wenn der Gesetzgeber bei Einführung des zweijährigen Verlustrücktrags durch das 2. Haushaltsstrukturgesetz (2. HStruktG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1981, 1523, BStBl I 1982, 235) eine entsprechende Anpassung des § 33 Abs. 3 KStG übersehen hätte, wären die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten für eine Gesetzesanalogie durch die Rechtsprechung eröffnet. Letzteres ist jedoch nicht der Fall. Wie den Ausschußberatungen zum 2. HStruktG zu entnehmen ist (vgl. BTDrucks 9/971 S. 90), sind die Probleme durchaus erkannt worden, die beim Auseinanderfallen von Verlustabzugsjahr und Jahr der Herstellung der Ausschüttungsbelastung entstehen können. Eine Anpassung des § 33 Abs. 3 KStG wurde gleichwohl bewußt mit dem Hinweis unterlassen, daß Härten, die bei der Herstellung der Ausschüttungsbelastung entstünden und die unter Berücksichtigung der Wirkungen des Anrechnungsverfahrens ungerechtfertigt wären, “zunächst im Verwaltungswege beseitigt werden” sollen. Als Beispiel ist dabei ausdrücklich der Fall angesprochen, in dem der Verlust des Jahres 03 im Jahr 01 abgezogen wird und für das Jahr 02 eine Gewinnausschüttung beschlossen wurde. Kernproblem dieser Sachverhaltsgestaltung ist, daß nach der Systematik des Anrechnungsverfahrens durch den - späteren - Verlustrücktrag das verwendbare Eigenkapital zum 31. Dezember 01 vermindert ist und damit für die Ausschüttung des Jahres 02 ein geringeres, mit Körperschaftsteuer belastetes Eigenkapital zum 31. Dezember 02 zur Verfügung steht. Damit deckt sich die Problematik des Streitfalles, weil durch den Verlustrücktrag auf 1986 für die Ausschüttung 1985, die erst 1987 beschlossen wurde, zum 31. Dezember 1986 ein - nachträglich - verringertes belastetes Eigenkapital zur Verfügung steht. Eine solche vom Gesetz eingeplante Regelungslücke kann damit nicht planwidrig sein.