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  BFH-Urteil vom 14.12.1995 (V R 13/95) bl) BStBl. 1996 II S. 386

Die Leistungen, die eine selbständige Chorsängerin an den Veranstalter eines Musicals ausführt, sind weder steuerfrei noch steuerbegünstigt.

UStG 1980 § 2, § 4 Nr. 20, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wirkte im Streitjahr (1989) als Chorsängerin (Boothsängerin) an der Aufführung des Musicals "X" in Y mit.

Hierzu war sie von der S-GmbH mit "Gastvertrag" vom 15. Juni 1988 verpflichtet worden. Die Verpflichtung umfaßte zwei Vorstellungen an einem Tag pro Woche in der Zeit vom 16. Juni 1988 bis 15. Juni 1989 sowie die Teilnahme an den Proben. Das Honorar betrug 150 DM pro Vorstellung. Für die Zeit ab dem 16. Juni 1989 bis zum 15. Juni 1990 wurde ein weiterer Vertrag abgeschlossen, der die gleichen Verpflichtungen enthielt. In dem ersten "Gastvertrag" vom 15. Juni 1988 war weiterhin geregelt, daß bei Krankheit oder sonstiger Verhinderung der Klägerin das Honorar entfällt. Für den Fall des Nicht- oder nicht rechtzeitigen Erscheinens der Klägerin oder bei unberechtigter vorzeitiger Beendigung der Tätigkeit wurde eine Vertragsstrafe vereinbart. In dem zweiten Vertrag betreffend die Tätigkeit ab dem 16. Juni 1989 war geregelt, daß die Klägerin im Falle ihrer Verhinderung einen entsprechenden Ersatz zu stellen hatte. War auch dieser verhindert, so durfte die S-GmbH auf Kosten der Klägerin für einen angemessenen Ersatz sorgen und von der Klägerin Schadensersatz verlangen.

Für das Streitjahr 1989 gab die Klägerin einen Umsatz von 59.528 DM an, den sie zunächst mit dem begünstigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) versteuerte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte der Steuererklärung nicht, sondern unterwarf die Umsätze dem Regelsteuersatz (Steuerbescheid vom 20. August 1991 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 1993).

Mit der hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, ihre Leistungen seien nach § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG 1980 steuerfrei. Dazu legte sie eine Bescheinigung der Kulturbehörde der Stadt Z vom 7. April 1993 vor, in der bestätigt wird, daß sie mit ihren freiberuflichen Leistungen als Chorsängerin die gleichen kulturellen Aufgaben wahrgenommen habe, wie die von öffentlichen Gebietskörperschaften getragenen Chöre. Im übrigen stellte die Klägerin in Frage, ob sie nicht als Arbeitnehmerin anzusehen sei, so daß ohnehin keine Umsatzsteuerpflicht entstehe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei als selbständige Unternehmerin tätig geworden. Als einzelne Chorsängerin sei sie kein Chor oder sonstige Einrichtung i. S. von § 4 Nr. 20, § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG 1980. Ihre Leistungen seien deshalb mit dem Regelsteuersatz zu versteuern. Das FG sah allerdings eine Ungereimtheit darin, daß die Finanzverwaltung nach § 4 Nr. 21 UStG 1980 nicht nur die Leistungen der dort genannten Schulen und berufsbildenden Einrichtungen befreit, sondern auch die Leistungen der freien Mitarbeiter dieser Institutionen (Abschn. 112 a der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - 1988); es ließ deshalb die Revision zu.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie macht in erster Linie die Steuerfreiheit ihrer Leistungen nach § 4 Nr. 20 UStG 1980 geltend und beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils die Umsatzsteuer für 1989 auf 0 DM herabzusetzen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG ist aufgrund des von ihm festgestellten Sachverhalts ohne Rechtsverstoß zu der Erkenntnis gelangt, daß die Klägerin als Chorsängerin selbständige Unternehmerin i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 war und nicht Arbeitnehmerin i. S. des § 1 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV 1984). Es hat seine Entscheidung entsprechend den Grundsätzen der Rechtsprechung des Senats nach dem Gesamtbild der Verhältnisse getroffen (vgl. zuletzt für Opernsänger, Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. August 1990 V R 115/85, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1991, 138).

2. Die Umsätze der Klägerin waren nicht steuerfrei. Nach § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG 1980 sind die Umsätze der Theater, Chöre und der sonstigen im Gesetz genannten Einrichtungen des Bundes, der Länder, der Gemeinden oder der Gemeindeverbände steuerfrei (§ 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG 1980). Das gleiche gilt für die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, daß sie die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen (§ 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 2 UStG 1980).

Die Vorschrift befreit nur die Leistungen der Unternehmer, die ein Theater, einen Chor oder eine der sonstigen im Gesetz erwähnten Einrichtungen betreiben. Dies sind die genannten Gebietskörperschaften sowie andere Unternehmer, die eine gleichartige Einrichtung unterhalten. Eine Chorsängerin, die in einem Musical mitwirkt, unterhält kein Theater, keinen Chor und auch keine sonstige in § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG 1980 bezeichnete Einrichtung.

Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG 1980 entspricht der Vorschrift des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. n der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 11. August 1995 Rs.C-453/93 (UR 1995, 476 mit Anmerkung Lohse) können natürliche Personen die Steuerbefreiung der in Art. 13 Teil A Abs. 1 Richtlinie 77/388/EWG genannten Einrichtungen nicht in Anspruch nehmen.

Wenn das Gesetz die Leistungen der in § 4 Nr. 20 UStG 1980 genannten Chöre von der Steuer befreit, nicht aber die Leistungen der einzelnen Chormitglieder, so verstößt dies nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 des Grundgesetzes - GG -). Der Steuerfreiheit der Chöre und der übrigen in § 4 Nr. 20 UStG 1980 genannten Einrichtungen liegt die Erwägung zugrunde, daß sie in erheblichem Umfang staatlich subventioniert sind und daß im Falle einer Steuerpflicht die Eintrittspreise voraussichtlich nicht erhöht werden könnten, sondern die gewährten Subventionen aufgestockt werden müßten (vgl. Bericht des Finanzausschusses in BTDrucks V/1581, Allgemeiner Teil Nr. 4 Buchst. d Abs. 6). Diese Erwägung des Gesetzgebers erscheint für die in § 4 Nr. 20 UStG 1980 genannten Einrichtungen im allgemeinen zutreffend. Sie gilt aber nicht für einzelne Chormitglieder; diese erheben typischerweise keine Eintrittspreise und erhalten in der Regel keine staatlichen Subventionen.

3. Die Leistungen der Klägerin sind auch nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG 1980 ermäßigt zu besteuern.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG 1980 in der im Streitjahr geltenden Fassung ermäßigt sich die Steuer auf 7 v. H. für die Leistungen der (nicht bereits nach § 4 Nr. 20 UStG 1980 befreiten) Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre und Museen sowie die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer.

Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sind nicht erfüllt.

Die Klägerin gehört nicht zu den in dieser Vorschrift bezeichneten Einrichtungen (Theater, Orchester, Kammermusikensemble, Chor oder Museum). Sie veranstaltete auch keine Theatervorführungen und Konzerte, da nicht sie, sondern die S-GmbH den Besuchern des Musicals gegenüber als Veranstalterin auftrat. Nur derjenige, der bei einer Theatervorführung oder einem Konzert dem Publikum gegenüber als leistender Unternehmer auftritt, veranstaltet die Theatervorführung oder das Konzert selbst (BFH-Urteile vom 18. Januar 1995 V R 60/93, BFHE 176, 500, BStBl II 1995, 348, und vom 26. April 1995 XI R 20/94, BFHE 177, 548, BStBl II 1995, 519).