| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 24.1.1996 (I R 74/94) BStBl. 1996 II S. 441

Die vom niederländischen Staat gewährte sog. WIR-Prämie kann von den Kommanditisten einer (niederländischen) KG in diese eingelegt werden.

EStG § 4 Abs. 1 Satz 3, §§ 15, 15 a; AIG § 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1994, 865)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 1. Oktober 1979 errichtet und am 14. Mai 1980 im Handelsregister eingetragen. In den Jahren 1981 und 1982 beteiligten sich an ihr 17 Kommanditisten (= Beigeladene 2 bis 18). Das Kommanditkapital betrug insgesamt 4.140.000 DM.

Mit Vertrag vom 15. Dezember 1980 beteiligte sich die Klägerin an der am gleichen Tag gegründeten P, Niederlande, als Kommanditistin. Die P gab noch 1980 den Bau eines Seeschiffes in Auftrag, das 1981 unter niederländischer Flagge in Fahrt gesetzt wurde. Für den Bau des Schiffes gewährte der niederländische Staat die sog. WIR-Prämie in Höhe von umgerechnet 2.070.000 DM. Die WIR-Prämie ist nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) eine Investitionsprämie, die gemäß Art. 61 des niederländischen Einkommensteuergesetzes und Nr. 22 der dazu erlassenen Durchführungsverordnung den Charakter einer Steuerrückerstattung hat und nicht als Vorteil aus dem Unternehmen anzusehen ist. Dementsprechend wurde sie, da auch nach niederländischem Recht die Klägerin als Kommanditgesellschaft nicht selbst einkommensteuerpflichtig ist, unmittelbar an einen Bevollmächtigten der Kommanditisten der Klägerin ausbezahlt. Sie wurde von diesem zur Tilgung von Darlehensverbindlichkeiten der P verwendet. Die Klägerin verbuchte sie als Einlage ihrer Kommanditisten.

Im Rahmen der bestandskräftig gewordenen Verlustermittlungen für 1979 bis 1982 gemäß § 2 Abs. 1 des Auslandsinvestitionsgesetzes (AIG) kürzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Anschaffungskosten des von P erworbenen Seeschiffes und damit die Abschreibungsbemessungsgrundlage um die WIR-Prämie. Im übrigen erkannte er die aus der Beteiligung der Klägerin an der P resultierenden Verluste als im Inland berücksichtigungsfähig an. Er ging davon aus, daß die Kommanditisten ihre Einlage voll erbracht hätten.

Im Streitjahr 1985 wurde das Seeschiff zwangsversteigert und das Konkursverfahren über das Vermögen der P eröffnet. Im Laufe des mittlerweile abgeschlossenen Konkursverfahrens wurde die WIR-Prämie nicht zurückgefordert.

Bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für 1985 vertrat nunmehr das FA die Auffassung, daß die WIR-Prämie eine Betriebseinnahme der P gewesen sei und die Kommanditisten der Klägerin folglich mit diesen Mitteln nicht ihre Einlage hätten erbringen können. Es kürzte die Kapitalkonten der Kommanditisten in Höhe der WIR-Prämie, so daß sich negative Kapitalkonten ergaben. Da aufgrund des Konkurses der P die Klägerin nicht mehr mit Gewinnen rechnen könne, löste es die negativen Kapitalkonten zum 31. Dezember 1985 in Höhe von insgesamt 2.022.042 DM gewinnerhöhend auf. Dabei entfielen nach den Berechnungen des FA 1.046.219 DM auf mit dem halben Steuersatz zu versteuernde inländische Gewinne und 975.823 DM auf nach § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG nachzuversteuernde Verluste.

Mit ihrem Einspruch, der sich ausschließlich gegen die gewinnerhöhende Auflösung des negativen Kapitalkontos richtete, machte die Klägerin geltend, daß ihre Kommanditisten die Kommanditeinlage voll erbracht hätten. Daß diese hierzu die WIR-Prämie verwendet hätten, sei ohne Belang. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1994, 865).

Mit der Revision rügt die Klägerin insbesondere Verletzung der Rechtsprechungsgrundsätze zum Wegfall des negativen Kapitalkontos, Fehlverständnis des Begriffs "Leistung einer Einlage" und fehlerhafte Behandlung der WIR-Prämie als Betriebseinnahme der P. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG sowie den Feststellungsbescheid 1985 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und bei Ermittlung des einheitlich und gesondert festzustellenden Gewinns für 1985 keinen Gewinn aus der Auflösung negativer Kapitalkonten anzusetzen.

Das FA beantragt Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Der Gewinn 1985 wird auf 697.286 DM festgestellt.

1. Steuerpflichtige Gewinne aus dem Wegfall des Kapitalkontos eines Kommanditisten können sich nur ergeben, wenn ein negatives Kapitalkonto besteht. Entsprechendes gilt auch für den gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 AIG hinzuzurechnenden Gewinn, da auch dieser, ebenso wie der Verlust nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AIG nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berechnen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. März 1989 IV R 128/86, BFHE 156, 187, BStBl II 1989, 543, m. w. N.).

2. Das Kapitalkonto ist negativ, wenn es nach der Steuerbilanz der Kommanditgesellschaft unter Berücksichtigung evtl. Ergänzungsbilanzen der Kommanditisten einen Negativsaldo ausweist (vgl. BFH-Urteile vom 14. Mai 1991 VIII R 31/88, BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167; vom 26. Januar 1995 IV R 23/93, BFHE 177, 71, BStBl II 1995, 467). Die Kapitalkonten der Kommanditisten der Klägerin weisen keinen Negativsaldo aus, weil diese die WIR-Prämie eingelegt und damit ihr Kapitalkonto erhöht haben. Die Tatsache, daß diese Prämie unmittelbar zur Begleichung von Verbindlichkeiten der P verwendet wurde, stellt sich nur als Abkürzung des Zahlungswegs dar. Rechtlich haben die Kommanditisten der Klägerin mit der Verfügung über die WIR-Prämie zugunsten der Klägerin ihre Einlage geleistet, die ihrerseits von der Klägerin zur Leistung der Einlage bei der P verwendet wurde. Die den Kommanditisten zugerechneten Verluste übersteigen nicht die geleisteten Einlagen.

Handelsrechtlich wie auch steuerrechtlich setzt die Einlage eine Zuführung von Vermögen des Gesellschafters in das Vermögen der Gesellschaft voraus. Einlagen sind alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb zuführt (vgl. z. B. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG; vgl. z. B. Plückebaum in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 B 270; Nieland in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, §§ 4, 5 EStG Rdnr. 266; BFH-Urteil vom 11. Dezember 1990 VIII R 8/87, BFHE 165, 27, BStBl II 1992, 232). Wirtschaftsgüter, die bereits zum Vermögen der Gesellschaft gehören, können folglich von den Gesellschaftern nicht eingelegt werden.

Nach den für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen des FG zum niederländischen Recht (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 15. März 1995 I R 14/94, BFHE 177, 263, BStBl II 1995, 502) handelt es sich bei der WIR-Prämie um einen Investitionsbeitrag, der in Form einer Einkommensteuerermäßigung oder - ggf. - einer Steuererstattung dem einkommensteuerpflichtigen Investor angerechnet bzw. ausbezahlt wird. Da, wie die Klägerin unbestritten vorgetragen hat und auch vom tatsächlichen Geschehensablauf bestätigt wird, weder die P noch die Klägerin als Kommanditistin der P in den Niederlanden selbst einkommensteuerpflichtig sind, gehört der Anspruch auf Auszahlung der WIR-Prämie zum Vermögen der Gesellschafter der Klägerin. Dies schließt einen Anspruch der P auf Zahlung der WIR-Prämie aus. Auch wenn die Investitionstätigkeit der P tatbestandsmäßig Voraussetzung für die Gewährung der WIR-Prämie war, kann diese folglich keine Betriebseinnahme der P sein. Es wäre allenfalls zu fragen, ob sie eine Sonderbetriebseinnahme der Kommanditisten der Klägerin ist. Dies ist aber zu verneinen, weil Einkommensteuererstattungen, ebenso wie Einkommensteuerzahlungen privat veranlaßt sind und daher begrifflich weder Betriebseinnahme bzw. -ausgabe noch Sonderbetriebseinnahme bzw. -ausgabe sein können (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 28. November 1991 IV R 122/90, BFHE 166, 257, BStBl II 1992, 342; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., § 12 Rdnr. 50).

Diese Ausführungen stehen nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH, wonach Investitionszuschüsse Betriebseinnahmen sind (vgl. BFH-Urteile vom 17. September 1987 III R 225/83, BFHE 151, 373, BStBl II 1988, 324; vom 22. Januar 1992 X R 23/89, BFHE 167, 69, BStBl II 1992, 488; vom 19. Juli 1995 I R 56/94, BStBl II 1996, 28). Diese Rechtsprechung käme nur dann zur Anwendung, wenn die P als solche einen Anspruch auf den Zuschuß gehabt hätte (so z. B. § 19 Abs. 1 Satz 2 des Berlinförderungsgesetzes - BerlinFG -; § 1 Abs. 1 Satz 2 des Investitionszulagengesetzes 1993). Das aber ist nach der vom niederländischen Staat gewählten und insoweit mit §§ 16, 17 BerlinFG vergleichbaren Gestaltung nicht der Fall. Die Notwendigkeit, für die inländischen Beteiligten die Gewinne nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln, erlaubt nicht, die der WIR-Prämie zugrundeliegende Systematik durch eine solche zu ersetzen, die inländischen öffentlichen Zuschüssen zugrunde liegt.

Die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung ergibt sich auch daraus, daß die Kommanditisten der Klägerin jederzeit ihre Einlagen mittels eines Kredits hätten leisten und diesen anschließend mit der WIR-Prämie hätten zurückzahlen können (vgl. hierzu auch BFH in BFHE 164, 516, BStBl II 1992, 167). Die Tatsache, daß aufgrund der Investition im Jahr 1980 die WIR-Prämie den Kommanditisten praktisch schon bei Beitritt zur Klägerin zur Verfügung stand und damit zweifellos bewußt wirtschaftlicher und steuerlicher Gestaltungsspielraum ausgenutzt wurde, berührt die unmittelbaren Ansprüche der Kommanditisten der Klägerin auf die Prämie nicht.