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  BFH-Urteil vom 17.4.1996 (VI R 27/95) BStBl. 1996 II S. 446

Die Aufwendungen eines Kommunalbeamten mit dem Grad eines Dipl.-Verwaltungswirts (FH) für ein Studium der Rechtswissenschaft dienen der Berufsausbildung und sind daher nur als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1, 1. Alt. EStG und nicht als Werbungskosten abziehbar.

EStG § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 19.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Dipl.-Verwaltungswirt (FH). Er war bis März des Streitjahres 1992 als Sachbearbeiter im gehobenen Dienst einer Stadt zuständig für Unterhalts- und Sozialhilfeangelegenheiten. Anschließend war er in gleicher Funktion als teilzeitbeschäftigter Angestellter tätig. Seit dem Wintersemester 1991/1992 ist er an einer Universität als Student der Rechtswissenschaft eingeschrieben. Er beantragte in seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1992, die ihm durch das Studium entstandenen Kosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte lediglich Ausbildungskosten in Höhe von 900 DM nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben an.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage insoweit ab. Es vertrat die Ansicht, dem Kläger werde durch das Zweitstudium ein Wechsel in einen anderen Beruf als den eines Sachbearbeiters bei einer Kommunalverwaltung eröffnet. Als Volljurist habe er nicht nur die Möglichkeit, Richter, Verwaltungsbeamter oder Angehöriger der freien Wirtschaft zu werden, sondern er könne auch einen freien Beruf als Rechtsanwalt ergreifen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. August 1962 VI 110/62 U, BFHE 75, 606, BStBl III 1962, 488).

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 9 Abs. 1 EStG. Er macht geltend, ein Wechsel der Berufsart könne erst angenommen werden, wenn der bisherige und der künftige Beruf völlig wesensfremd seien.

Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen wurde, und die Aufwendungen für das Zweitstudium als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Aufwendungen des Klägers für das Studium der Rechtswissenschaft Ausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG und keine Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus seiner Tätigkeit als Kommunalbeamter sind.

Nach der Rechtsprechung des Senats sind Aufwendungen für ein erstmaliges Hochschulstudium typisierend stets als Berufsausbildungskosten i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu beurteilen. Dagegen können nach der neueren Rechtsprechung Aufwendungen für ein zweites Hochschulstudium unter bestimmten Voraussetzungen als Werbungskosten abziehbar sein. Nach den Senatsurteilen vom 14. Februar 1992 (VI R 26/90, BFHE 167, 127, BStBl II 1992, 556, und VI R 106/90, BFHE 167, 505, BStBl II 1992, 962, jeweils eine Lehrerin betreffend; VI R 69/90, BFHE 167, 502, BStBl II 1992, 961, betreffend einen Kirchenmusiker) muß das Erststudium zu einem Berufsabschluß geführt haben und das Zweitstudium ein Aufbaustudium sein, das nicht den Wechsel in eine andere Berufsart eröffnet. Weitergehend sind nach dem Urteil vom 8. Mai 1992 VI R 134/88 (BFHE 167, 538, BStBl II 1992, 965) die Aufwendungen eines approbierten Humanmediziners für das Studium der Zahnmedizin mit dem Ziel, Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurg zu werden, Fortbildungskosten. Der Senat hat dabei offengelassen, ob der Wechsel von der Humanmedizin zur Zahnmedizin als Wechsel der Berufsart zu beurteilen ist. Als ausschlaggebend ist gewertet worden, daß die Tätigkeit des Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen gegenüber der Tätigkeit eines Chirurgen eine Spezialisierung bedeutet.

Bei dem Studium der Rechtswissenschaft des Klägers handelt es sich zwar um ein Zweitstudium, da er im Rahmen seines Ausbildungsdienstverhältnisses bei der Kommunalverwaltung bereits ein Fachhochschulstudium abgeschlossen hat. Die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung Aufwendungen für ein Zweitstudium an einer Universität als Werbungskosten anerkannt werden können, liegen nach den zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz im Streitfall aber nicht vor. Auch wenn die Möglichkeit der Anrechnung von Studienzeiten aus dem Erststudium an der Fachhochschule bestand, wird dem Kläger durch das Studium der Rechtswissenschaft an einer Universität gegenüber seiner abgeschlossenen Ausbildung als Kommunalbeamter ein Wechsel der Berufsart eröffnet. Der Kläger kann nach Ablegung des zweiten juristischen Staatsexamens nicht nur als Verwaltungsbeamter, sondern auch als Richter, Rechtsanwalt oder als Jurist in den verschiedensten Bereichen der privaten Wirtschaft tätig sein. Diese Tätigkeiten sind mit denjenigen eines Kommunalbeamten des gehobenen Dienstes nicht vergleichbar.

Zwar ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung auch bei einem Zweitstudium, bei dem möglicherweise ein Wechsel in eine benachbarte Berufsart zu bejahen sein könnte, eine Fortbildung und keine Ausbildung anzunehmen, wenn sich das Zweitstudium als eine Spezialisierung auf einem Gebiet des breit angelegten Erststudiums darstellt. Dieses Erfordernis ist im Streitfall aber ebenfalls nicht erfüllt. Denn zum einen ermöglicht die Ausbildung des Klägers als Jurist ihm auch die Ausübung von solchen Berufen, die zu seiner Tätigkeit als Kommunalbeamter keinerlei Berührungspunkte mehr aufweisen und die mithin nicht als einer benachbarten Berufsart zugehörig angesehen werden können. Zum anderen ist das Studium der Rechtswissenschaft an einer Universität nicht geeignet, eine Spezialisierung der durch das Erststudium an der Fachhochschule erworbenen Kenntnisse eines Kommunalbeamten zu bewirken, sondern es werden auf den unterschiedlichsten Gebieten juristische Grundkenntnisse vermittelt.

Damit wird das Studium der Rechtswissenschaft eines Kommunalbeamten des gehobenen Dienstes steuerlich im Ergebnis nicht anders beurteilt als dasjenige eines Finanzbeamten. Auch bei diesem hat der Senat mit Urteil VI R 87/95 vom 17. 4. 1996 (BStB II 1996, 446), das zur Veröffentlichung vorgesehen ist, den Abzug der Aufwendungen für das Studium als Werbungskosten versagt.