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  BFH-Urteil vom 24.4.1996 (II R 52/93) BStBl. 1996 II S. 458

Die für die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand entwickelten Grundsätze (BFH-Urteile vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374, und vom 6. September 1995 II R 76/92, BFHE 178, 235, BStBl II 1995, 799) gelten auch für die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 beim Übergang eines Grundstücks von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand.

GrEStG 1983 § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 1, 3.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

I.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom Juli 1988 veräußerte die offene Handelsgesellschaft A & Co. das Grundstück X-Straße in Berlin an die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), zu einem Kaufpreis von ... DM. Gesellschafter beider Gesellschaften waren die Herren A, B und C; sie waren im Erwerbszeitpunkt am Vermögen beider Gesellschaften im gleichen Verhältnis beteiligt.

Die Klägerin war durch Vertrag vom Juni 1988 von den genannten Personen gegründet worden. Zweck der Gesellschaft war nach dem Gesellschaftsvertrag die "Entnahme" des oben genannten Grundstücks "aus der Firma A & Co. und dessen wirtschaftliche Verwertung insbesondere dessen Verwaltung".

Nach einem Angebotsprospekt vom November 1988 sollte durch die Klägerin auf dem genannten Grundstück ein Mehrfamilienhaus errichtet und vermietet werden. Nach dem in dem Prospekt wiedergegebenen Gesellschaftsvertrag war vorgesehen, so viele Gesellschafter in die Gesellschaft aufzunehmen, daß eine Gesamtbeitragspflicht von ... DM besteht; dies entsprach dem für die Finanzierung des Bauvorhabens geplanten Eigenkapital der Klägerin. Zwischen Ende Oktober und Ende November 1988 wurde die erforderliche Anzahl von Gesellschaftern erreicht. Infolge des Beitritts der neuen Gesellschafter verringerte sich die Beteiligung der Gründungsgesellschafter auf insgesamt 2,6932 v. H.

Durch Bescheid vom 10. April 1990 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) für den Erwerb aufgrund des Vertrages vom Juli 1988 Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM fest; die Voraussetzungen der Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 hielt das FA nur in Höhe von 2,6932 v. H. für gegeben, weil nur insoweit eine dauernde Beteiligung der Gründungsgesellschafter geplant und realisiert worden sei.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der die Klägerin begehrte, die Steuervergünstigung nach § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 auf den gesamten Erwerb anzuwenden, wurde vom Finanzgericht (FG) als unbegründet zurückgewiesen.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 und von § 38 der Abgabenordnung (AO 1977). Sie beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Grunderwerbsteuer auf 0 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegende Erwerb des Grundstücks durch den Vertrag vom Juli 1988 nur in Höhe von 2,6932 v. H. der Bemessungsgrundlage gemäß § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 von der Grunderwerbsteuer ausgenommen ist.

Zu Recht hat sich das FG hierfür auf die Grundsätze gestützt, die der erkennende Senat für die Gewährung der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand entwickelt hat (Urteile vom 6. Oktober 1982 II R 92/80, BFHE 137, 87, BStBl II 1983, 138; vom 20. November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429, und vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374), denn die Begünstigung des Erwerbs von Grundstücken beim Übergang von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand, soweit die Berechtigung der Gesamthänder am gesamthänderisch gebundenen Vermögen in beiden Gesamthandsgemeinschaften übereinstimmt, beruht wie die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 auf der Erwägung, daß trotz des Rechtsträgerwechsels eine Besteuerung in dem Umfang unterbleiben soll, in dem sich die Berechtigung an dem Grundstück fortsetzt, weil die Änderung der Rechtszuständigkeit wirtschaftlich zu keiner Veränderung führt, soweit die bisherigen Gesamthänder über ihre Gesamthandsberechtigung auch weiterhin am Grundstückswert beteiligt bleiben.

Entsprechend der zitierten Rechtsprechung liegen im Fall des § 6 Abs. 3 i. V. m. Abs. 1 GrEStG 1983 die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung u. a. dann nicht vor, wenn entsprechend einem vorgefaßten Plan in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung von einer Gesamthand auf eine andere Gesamthand die Gesamthänder ihre gesamthänderische Beteiligung völlig oder teilweise (durch Verminderung der Beteiligung) aufgeben oder sich ihre Beteiligung durch Hinzutritt weiterer Gesamthänder verringert. Das FG hat dies im Streitfall bejaht; dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Würdigung des FG, daß die Aufnahme neuer Gesellschafter zur Finanzierung des Bauvorhabens in sachlichem Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung stand und einem vorgefaßten Plan entsprach, weil die erforderlichen Maßnahmen zur Verwirklichung des Bauvorhabens zeitlich vor dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages, wie der Antrag auf Baugenehmigung, der am ... Mai 1988 gestellt worden war, oder zeitlich kurz danach in Gang gesetzt worden seien, ist möglich. Sachverhaltsrügen (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) hat die Klägerin insoweit nicht erhoben.

Zutreffend hat das FG auch den zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Übergang des Grundstücks auf die Klägerin und der Verringerung der Beteiligungen der Gründungsgesellschafter am Vermögen der Klägerin bejaht. Denn bei einem Zeitraum von vier Monaten kann nicht angenommen werden, daß die Gründungsgesellschafter weiter über ihre gesamthänderische Berechtigung am Grundstückswert teilhaben sollten, weil in einer derartig kurzen Zeitspanne die mit dem Grundstückseigentum verbundenen wirtschaftlichen Risiken und Chancen regelmäßig weder verwirklicht noch üblicherweise von den Beteiligten auch nur wertmäßig ermittelt werden.

Der Einwand der Klägerin, die vom Bundesfinanzhof (BFH) entwickelten und vom FG auf den Streitfall angewendeten Grundsätze stünden im Widerspruch zur Besteuerung nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der Steuerentstehung (§ 38 AO 1977 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983) ist nicht berechtigt. Vielmehr werden gerade die Verhältnisse zu diesem Zeitpunkt der Besteuerung zugrunde gelegt, denn es wird - weil die Gewährung der Steuervergünstigung davon abhängig ist - geprüft, wie sich die Änderung der Rechtszuständigkeit des Grundstücks wirtschaftlich auswirkt, insbesondere, ob und in welchem Umfang die bisherigen Gesellschafter weiterhin über ihre gesamthänderische Beteiligung am Grundstückswert teilhaben sollten. Aus dem Zusammenhang aller zum Teil erst nach dem Zeitpunkt der Steuerentstehung getroffenen Maßnahmen wird dementsprechend lediglich abgeleitet, ob die im Zeitpunkt der Steuerentstehung vorhandenen Gesellschafter der erwerbenden Gesellschaft trotz ihrer formalen Beteiligung am Vermögen der Gesellschaft so gestellt waren, als seien sie an der zukünftigen Entwicklung des Grundstückswerts nicht mehr beteiligt und die neu eintretenden Gesellschafter im wirtschaftlichen Ergebnis so gestellt worden sind, als ob sie bereits im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks Gesellschafter gewesen seien (vgl. BFH-Urteile in BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429, und vom 6. September 1995 II R 76/92, BFHE 178, 235, BStBl II 1995, 799).