| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 12.3.1996 (IX R 48/95) BStBl. 1996 II S. 514

Der Ausbau eines nicht mehr nutzbaren und wertlosen ehemaligen Getreidespeichers zu einer Wohnung ist als Herstellung eines Einfamilienhauses i.S. von § 7b EStG zu beurteilen.

EStG § 7b.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Sie erwarben im Jahr 1977 ein 1.259 qm großes Grundstück, das mit einem unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Getreidespeicher bebaut war, für einen Kaufpreis von 15.000 DM. Das Grundstück wurde auf den 1. Januar 1978 als unbebautes Grundstück bewertet.

Die Kläger bauten einen Teil des Obergeschoßes des Speichers in Eigenarbeit zu einer Wohnung aus, die sie im wesentlichen 1984 fertigstellten und seitdem selbst nutzen. Dabei wurde u.a. das Treppenhaus durch drei neue Wände eingefaßt. Im Obergeschoß grenzten die Kläger die neu geschaffene Wohnung durch Trennwände nach außen ab und errichteten sämtliche Innenwände und Versorgungsleitungen neu. Für die Baumaßnahmen wandten sie bis zum Streitjahr 1987 82.921 DM an Materialkosten auf. Sie begehrten beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) erfolglos, hierfür erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzuziehen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Die Kläger hätten keinen bereits vorhandenen Wohnraum umgestaltet, sondern erstmals nutzbaren Wohnraum geschaffen. Unter diesen Umständen sei die von den Klägern gebaute Wohnung als neues Wirtschaftsgut i.S. des § 7b EStG anzusehen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 7b EStG. Die angefochtene Entscheidung weiche insbesondere vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. März 1992 IX R 175/87 (BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808) ab. Ein Neubau im Sinne der Rechtsprechung des BFH sei nicht gegeben, weil die wesentlichen Gebäudeteile des Getreidespeichers erhalten geblieben seien. Die Schaffung neuen Wohnraums sei allein für die Anwendung des § 7b EStG nicht ausreichend.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben keinen Antrag gestellt. Sie halten die Revision für unbegründet. Gründe:

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Recht bei der Ermittlung des Einkommens der Kläger erhöhte Absetzungen gemäß § 7b i.V.m. § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG vorgenommen.

1. Nach § 7b Abs. 1 EStG kann der Bauherr oder Erwerber eines Einfamilienhauses unter weiteren, hier nicht strittigen Voraussetzungen im Jahr der Fertigstellung oder der Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren jeweils bis zu 5 v.H. der Herstellungskosten oder, im Falle der Anschaffung, bis zu 5 v.H. der Anschaffungskosten absetzen. Die Kläger sind Bauherren eines Einfamilienhauses im Sinne dieser Vorschrift.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist § 7b EStG auch dann anzuwenden, wenn zunächst ein Rohbau angeschafft wird, der für sich allein noch kein begünstigtes Objekt bildet, und dieser sodann zu einem begünstigten Objekt fertiggestellt wird (BFH-Urteil vom 24. April 1990 IX R 268/87, BFHE 160, 526, BStBl II 1990, 889). Die Grundsätze dieser Rechtsprechung gelten auch dann, wenn ein Einfamilienhaus nicht unter Verwendung eines erworbenen Rohbaus, sondern unter Verwendung eines erworbenen anderweitigen Baukörpers, der beim Erwerb nicht nutzbar war, hergestellt wird. Beide Fallgestaltungen sind, gemessen am Gesetzeswortlaut und am Förderungszweck des § 7b EStG, gleichartig zu beurteilen.

Nach diesen Grundsätzen haben die Kläger ein Einfamilienhaus i.S. des § 7b EStG unter Verwendung des nicht mehr nutzbaren Getreidespeichers hergestellt. Nach den Feststellungen des FG, die nicht mit Revisionsrügen angegriffen und daher für den Senat bindend sind (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) war der Getreidespeicher in seinem ursprünglichen Zustand nicht mehr wirtschaftlich nutzbar.

2. Dieser Beurteilung steht die Rechtsprechung des Senats zu den Voraussetzungen des § 7 Abs. 5 EStG (Urteil in BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808) nicht entgegen. Es kann offenbleiben, ob diese Rechtsprechung auch für die Voraussetzungen des § 7b Abs. 1 EStG gilt. Im Streitfall weicht der Senat von seiner Entscheidung in BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808 jedenfalls schon deshalb nicht ab, weil das in jenem Urteilsfall umgebaute Mühlengebäude für anteilige Anschaffungskosten von rd. 235.000 DM erworben worden war, während im Streitfall die Kläger nach den unangefochtenen Feststellungen des FG den Kaufpreis von 15.000 DM allein für das Grundstück entrichtet und die Vertragsparteien dem miterworbenen Getreidespeicher keinen Wert beigemessen haben.

3. Eine andere Beurteilung folgt auch nicht aus der ständigen BFH-Rechtsprechung, nach der beim Erwerb eines Objekts und seinem anschließenden Umbau die Voraussetzungen des § 7b EStG für den Zeitpunkt des Erwerbs zu prüfen sind. Dies hat der Senat entschieden für den Umbau eines gemischt genutzten Grundstücks zu einem Zweifamilienhaus (Urteil vom 30. April 1985 IX R 49/84, BFHE 144, 36, BStBl II 1985, 513), den Umbau eines Mehrfamilienhauses zu einem Zweifamilienhaus (Urteil vom 26. Januar 1988 IX R 142/83, BFH/NV 1988, 431), den Umbau eines Einfamilienhauses in ein Zweifamilienhaus (Urteile vom 10. Oktober 1989 IX R 197/85, BFH/NV 1990, 362; vom 13. März 1990 IX R 179/88, BFH/NV 1991, 24; vom 25. September 1990 IX R 307/87, BFH/NV 1991, 235) und für den Umbau eines Zweifamilienhauses in ein Einfamilienhaus (Urteil vom 29. Juni 1993 IX R 44/89, BFH/NV 1994, 460). In allen diesen Urteilsfällen wurde jeweils ein fertiggestelltes, voll nutzbares Gebäude in ein begünstigtes Objekt i.S. von § 7b EStG umgebaut. Im Streitfall haben die Kläger hingegen unter Verwendung eines nicht nutzbaren Baukörpers erstmals ein Einfamilienhaus als begünstigtes Objekt fertiggestellt.