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  BFH-Urteil vom 14.12.1995 (II R 79/94) BStBl. 1996 II S. 546

1. Der durch Übertragung des Anteils (der Mitgliedschaftsrechte) an einer Personengesellschaft bewirkte Eintritt des Erwerbers in die gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen des Veräußerers, einschließlich der damit verbundenen gesellschaftsinternen (anteiligen) Belastung mit den Gesellschaftsschulden, ist schenkungsteuerrechtlich kein Entgelt für die Übertragung der Gesellschaftsanteile; eine gemischte Schenkung liegt insoweit nicht vor (Anschluß an BFH-Urteil vom 1. Juli 1992 II R 108/88, BFHE 168, 386, BStBl II 1992, 923). Dies gilt auch für die Übertragung der Mitgliedschaftsrechte an einer lediglich grundstücksbesitzenden GbR.

2. Zur Berechnung des Erwerbs ist zunächst der Gesamtsteuerwert des Gesellschaftsvermögens festzustellen. Dabei sind Grundstücke mit dem (indizierten) Einheitswert anzusetzen und Gesellschaftsschulden ggf. mit dem Nennwert abzuziehen. Der Gesamtsteuerwert ist dann entsprechend dem übertragenen Anteil aufzuteilen.

ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12; BewG § 98a; BGB § 705.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1995, 278)

Sachverhalt

I.

Durch Gesellschaftsvertrag vom 12. September 1984 gründeten der Ehemann und der Sohn der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Alleiniger Gegenstand der Gesellschaft war der Erwerb und die Bewirtschaftung eines bestimmten Grundstücks. Durch Wertfortschreibung zum 1. Januar 1992 wurde der Einheitswert des Grundstücks auf 225.400 DM festgestellt. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 15. Januar 1992 übertrug der Sohn seinen hälftigen Anteil an der GbR auf die Klägerin. In der Urkunde verpflichtete sich die Erwerberin (Klägerin) dazu, den Veräußerer aus den Verpflichtungen gegenüber grundbuchlich gesicherten Grundpfandrechtsgläubigern freizustellen. Die GbR hatte zu diesem Zeitpunkt Darlehensschulden bei einer Bank in Höhe von 294.381 DM.

Durch Bescheid vom 26. Mai 1993 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gegen die Klägerin Schenkungsteuer in Höhe von 29.341 DM fest. Das FA sah die Anteilsübertragung als gemischte Schenkung an. Den (Steuer)Wert der Schenkung setzte es mit 168.602 DM an. Dabei ging es von einem Verkehrswert des Grundstücks von 660.700 DM, einem hälftigen, um 40 v.H. erhöhten Einheitswert von 216.930 DM und einer Gegenleistung von 147.190 DM (= 1/2 von 294.381 DM) aus. Mit der Einspruchsentscheidung vom 2. August 1993 ermäßigte das FA die Schenkungsteuer auf 10.575 DM. Im Rahmen der Verhältnisrechnung setzte es nunmehr den anteiligen Steuerwert des Grundstückes mit 157.780 DM (= 1/2 des Einheitswerts von 225.400 DM x 140 v.H.) an und errechnete so einen Steuerwert des Erwerbs von 87.480 DM.

Mit der dagegen gerichteten Klage begehrte die Klägerin Herabsetzung der Schenkungsteuer auf 55 DM. Sie vertrat die Auffassung, für den Steuerwert des Erwerbs sei der Anteilswert maßgeblich, der sich ergebe, wenn der anteilige Steuerwert des Grundstücks um die anteiligen Gesellschaftsschulden gemindert würde.

Das Finanzgericht (FG) hat mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 278 veröffentlichten Entscheidung der Klage stattgegeben und unter Änderung des Schenkungsteuerbescheides in Gestalt der Einspruchsentscheidung die Schenkungsteuer auf 55 DM herabgesetzt. Es liege keine gemischte Schenkung vor, sondern eine in vollem Umfang unentgeltliche Anteilszuwendung, die bei der Wertermittlung mit dem sich nach § 12 Abs. 1 und 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) ergebenden Anteilswert anzusetzen sei.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA. Gerügt wird die Verletzung von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage als unbegründet zurückzuweisen. Zwar vertrete der erkennende Senat die Auffassung, daß die Haftung eines neu eintretenden Kommanditisten für vor seinem Eintritt entstandene Gesellschaftsschulden nicht in einem Gegenleistungsverhältnis zur Anteilsübertragung stehe (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Juli 1992 II R 108/88, BFHE 168, 386, BStBl II 1992, 923, und II R 107/88, BFH/NV 1993, 54), hiermit seien aber - was das FG verkenne - nur solche Fälle angesprochen, in denen die Haftung des Bedachten ausschließlich auf dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Gesellschaftsverhältnis beruhe. Der Streitfall weiche insoweit von dem vom BFH entschiedenen Fall ab. Nach dem Übergabevertrag habe die Erwerberin den Veräußerer aus den Verpflichtungen gegenüber grundbuchlich gesicherten Grundpfandgläubigern freizustellen. Diese Abrede sei einschränkender Bestandteil der Schenkungsabrede und nicht etwa notwendiger Ausfluß der Anteilsübertragung. In der Begründung des Freistellungsanspruchs sehe der Bundesgerichtshof (BGH) eine anderweitige schuldrechtliche Beziehung, die sich gerade nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis selbst ergebe (vgl. BGH-Urteil vom 18. November 1974 II ZR 70/73, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1975, 166 ff.). § 12 Abs. 5 ErbStG stehe der Auffassung des FA nicht entgegen. Die dort vorgeschriebene Saldierungsmethode gelte nur für Personengesellschaften, die einen Gewerbebetrieb unterhielten oder gewerblich geprägt seien.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG die Schenkungsteuer herabgesetzt.

1. Gegenstand der Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist im Streitfall der Anteil des Sohnes der Klägerin an der GbR. Denn durch den notariell beurkundeten Vertrag vom 15. Januar 1992 übertrug der Sohn der Klägerin seine "gesellschaftsrechtliche Beteiligung" an der bis dahin aus ihm und dem Ehemann der Klägerin bestehenden BGB-Gesellschaft auf die Klägerin. Die Anteilsübertragung bewirkt, daß der Erwerber insgesamt in die Stellung des Veräußerers innerhalb der Gesellschaft, einschließlich der Gesamthandsberechtigung, unverändert einrückt, ohne daß dazu zivilrechtlich Einzelübertragungsakte erforderlich sind (vgl. BGH-Urteil vom 8. November 1965 II ZR 223/64, BGHZ 44, 229, 231; Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch - MünchKomm - 2. Aufl., § 719 Rdnr. 31 ff., m. w. N.). Übertragen bzw. zugewendet wird dabei das Mitgliedschaftsrecht als ein "Bündel" von Rechten und Pflichten (vgl. BGH-Urteil vom 10. Februar 1977 II ZR 120/75, BGHZ 68, 225, 232). Dieser zivilrechtlichen Betrachtung, die von einem Übertragungsgegenstand ausgeht, hat die schenkungsteuerrechtliche Betrachtung zu folgen (so bereits für die Übertragung eines Gesellschaftsanteils an einer KG, Senatsurteil in BFHE 168, 386, BStBl II 1992, 923).

2. Die Übertragung des Anteils (Mitgliedschaftsrechts) an der BGB-Gesellschaft vom Sohn auf die Klägerin erfüllt den Tatbestand der freigebigen Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Der Tatbestand der freigebigen Zuwendung ist gekennzeichnet durch die Unentgeltlichkeit der Zuwendung. Unentgeltlichkeit bedeutet Unabhängigkeit der Zuwendung von einer Gegenleistung. Die Zuwendung darf - im Verhältnis zwischen dem Zuwendenden und dem Zuwendungsempfänger - weder in einem rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung (oder mit einem Gemeinschaftszweck) noch zur Erfüllung einer Verbindlichkeit (und sei es auch nur einer Naturalobligation) erfolgen (vgl. Senatsurteil vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631, m. w. N.). Die Übertragung des Anteils (Mitgliedschaftsrechts) an der BGB-Gesellschaft und damit die Zuwendung im schenkungsteuerrechtlichen Sinn erfolgte im Streitfall - ungeachtet der zu ihrer Wirksamkeit erforderlichen Zustimmung des anderen Gesellschafters - unmittelbar zwischen dem Sohn und der Klägerin. Für die Beurteilung der Frage der Unentgeltlichkeit ist daher allein das Verhältnis zwischen diesen maßgeblich. Danach erfolgte die Übertragung unentgeltlich, denn die Leistung des abtretenden Gesellschafters war weder mit einer Gegenleistung der Klägerin verknüpft, noch bestand eine Verpflichtung des Gesellschafters, seinen Anteil auf die Klägerin zu übertragen.

Eine (teilweise) Entgeltlichkeit der Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und damit eine gemischte Schenkung ergibt sich auch nicht daraus, daß zum Zeitpunkt der Übertragung des Anteils (Mitgliedschaftsrechts) an der Gesellschaft Gesellschaftsschulden bestanden. Die Übertragung des Mitgliedschaftsrechts führt allerdings dazu, daß der Erwerber auch insoweit in die Rechtsstellung des Veräußerers eintritt. Er ist derivativer Rechtsnachfolger des Veräußerers (BGH in BGHZ 44, 229, 231) und rückt voll und unverändert in die Rechtsstellung des Veräußerers ein (Ulmer, a.a.O., § 719 Rdnr. 32, m. w. N.). Mit dem Eintritt in die Gesellschafterstellung des Veräußerers muß der Erwerber - ungeachtet der nach außen fortbestehenden Haftung des Veräußerers gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft - gesellschaftsintern die Gesellschaftsschulden gleichermaßen wie sein Rechtsvorgänger gegen sich gelten lassen. Die Gesellschaftsschulden sind ihm gegenüber ggf. bei der Gewinn- und Verlustverteilung nach § 721 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) oder bei der Auseinandersetzung der Gesellschaft nach § 733 BGB zu berücksichtigen. Die dadurch bewirkte gesellschaftsinterne (anteilige) Belastung auch mit den Gesellschaftsschulden ist jedoch schenkungsteuerrechtlich kein Entgelt für den Eintritt in die Gesamthandsberechtigung am Gesellschaftsvermögen. Dies folgt daraus, daß zivilrechtlich und schenkungsteuerrechtlich ein einheitlicher Zuwendungsgegenstand (das Mitgliedschaftsrecht) vorliegt. Zwar hat die Übertragung des Mitgliedschaftsrechts an einer Personengesellschaft durch den dadurch bewirkten Eintritt auch in die gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen auch "Nachteile" und kann deswegen einem Dritten nicht aufgedrängt werden (vgl. BGH in BGHZ 68, 225, 232), der vorliegende einheitliche Zuwendungsgegenstand kann gleichwohl nicht für die schenkungsteuerrechtliche Betrachtungsweise aufgespalten werden in einen unentgeltlich und einen entgeltlich übertragenen Teil. Die Übernahme der mit der Gesellschafterstellung verbundenen Verpflichtungen - zu denen die gesellschaftsinterne (anteilige) Belastung mit den vorhandenen Gesellschaftsschulden rechnet - steht mit der Übertragung des Anteils am Gesellschaftsvermögen durch den abtretenden Gesellschafter auf den neuen Gesellschafter nicht in einem Gegenleistungsverhältnis. Die Verpflichtungen, die der Übernehmer als Gesellschafter zu erfüllen hat, beruhen auf dem durch den Gesellschaftsvertrag begründeten Gesellschaftsverhältnis, also auf einem anderen Rechtsgrund als die Zuwendung des Mitgliedschaftsrechts. Ist diese aber ansonsten unentgeltlich erfolgt, so liegt eine freigebige Zuwendung des Gesellschaftsanteils und keine gemischte Schenkung vor. Diese Auffassung hat der erkennende Senat bereits für die Übertragung des Anteils an einer KG vertreten (vgl. Senatsurteil in BFHE 168, 386, BStBl II 1992, 923). Es sind keine Gründe ersichtlich, die einer Übertragung der Auffassung zum KG-Anteil, an der der Senat festhält, auf die hier zu beurteilende BGB-Gesellschaft entgegenstehen.

Insbesondere führt die Tatsache, daß hier eine Gesellschaft ohne Betriebsvermögen zu beurteilen ist - entgegen der Auffassung der Verwaltung (vgl. z.B. Erlaß des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 1985, Betriebs-Berater - BB - 1985, 717) - zu keinem anderen Ergebnis. In der Begründung seiner Entscheidung zum KG-Anteil hat der Senat nicht darauf abgestellt, daß es sich dabei um die Übertragung eines Anteils an einer Gesellschaft mit Betriebsvermögen handelte. Zwar ordnet § 98a des Bewertungsgesetzes (BewG), der über § 12 Abs. 5 ErbStG bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer zu beachten ist, die Saldierungsmethode nur für Betriebsvermögen an. Die saldierende Betrachtungsweise bei der schenkweisen Übertragung eines Mitgliedschaftsrechts an einer Personengesellschaft folgt jedoch bereits aus der Einheitlichkeit des Zuwendungsgegenstandes, der als solcher zu bewerten ist, ohne daß es dazu einer § 98a BewG entsprechenden Regelung bedarf.

3. Im Streitfall liegt eine gemischte Schenkung auch nicht deswegen vor, weil die Klägerin im Übertragungsvertrag als Erwerberin gegenüber dem Veräußerer die Verpflichtung übernommen hat, diesen "aus den Verpflichtungen gegenüber grundbuchlich gesicherten Grundpfandrechtsgläubigern freizustellen". Diese auf das Außenverhältnis bezogene Verpflichtung der Klägerin ergibt sich allerdings nicht bereits von Gesetzes wegen aus der Übertragung des Gesellschaftsanteils selbst und dem damit verbundenen Eintritt in die Gesellschafterstellung des Veräußerers (vgl. BGH in NJW 1975, 166). Da die Klägerin jedoch ohnehin durch den Eintritt in die Gesellschafterstellung des veräußernden Gesellschafters gesellschaftsintern anteilig mit den Gesellschaftsschulden belastet ist, hat sie damit keine zusätzliche Verpflichtung übernommen, die ihre in der Zuwendung des Mitgliedschaftsrechts an der BGB-Gesellschaft liegende Bereicherung - bei deren Bewertung die Übernahme der Gesellschaftsschulden als solche wertmindernd zu berücksichtigen ist - nochmals verringern würde. Sie hat dadurch im Ergebnis keine größere anteilige Schuldenlast übernommen.

4. Gegenstand der an die Klägerin erfolgten freigebigen Zuwendung ist der Anteil an der BGB-Gesellschaft. Steuerpflichtiger Erwerb i.S. des § 10 ErbStG ist die durch die Anteilsübertragung eingetretene Bereicherung der Klägerin. Diese besteht in dem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert des Anteils. Dazu ist zunächst der Gesamtsteuerwert des Gesellschaftsvermögens festzustellen. Im Streitfall ergibt sich dieser - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - aus dem Steuerwert für das Grundstück abzüglich des Nennwerts der Gesellschaftsschulden. Der so ermittelte Gesamtsteuerwert des Gesellschaftsvermögens stellt anteilig den Erwerb der Klägerin dar. Die insoweit vom FG vorgenommene und von der Revision nicht beanstandete Berechnung ist zutreffend.