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  BFH-Beschluß vom 4.9.1996 (II B 135/95) BStBl. 1996 II S. 586

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß entgeltlich erworbene Warenzeichen, die auf Dauer betrieblich genutzt werden, keinem Wertverzehr unterliegen.

BewG i.d.F. vor dem StÄndG 1992 §§ 10, 109.

Vorinstanz: FG Bremen (EFG 1996, 207)

Sachverhalt

I.

Die Rechtsvorgängerin der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin), die zum 31. Dezember 1981 auf die Antragstellerin umgewandelt worden ist, hatte in den Jahren 1974 bis 1978 für ... DM verschiedene Warenzeichen sowie 1977 für ... DM in den USA und Kanada registrierte Warenzeichen erworben. Außerdem hatte die Antragstellerin aufgrund Vertrages vom 1. Oktober 1980 verschiedene weitere (inländische) Warenzeichen mit den sich auf diese Warenzeichen beziehenden Geschäftsbetrieben von der später auf sie umgewandelten Gesellschaft für ... DM erworben. Die Antragstellerin aktivierte die Warenzeichen und schrieb sie unter Berücksichtigung unterschiedlicher Nutzungsdauern der jeweiligen Marken in ihren Steuerbilanzen linear ab. Diese Werte übernahm die Antragstellerin in die Vermögensaufstellungen zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs. Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) vertrat demgegenüber für die streitbefangenen Stichtage 1. Januar 1985 bis 1989 die Auffassung, daß der Wert aller Warenzeichen wegen des von der Antragstellerin betriebenen Werbeaufwands jeweils den ursprünglichen Anschaffungskosten entspreche, und daß der Teilwert jeweils mit den Anschaffungskosten anzusetzen sei, weil lineare Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die Warenzeichen als immaterielle Wirtschaftsgüter nicht zulässig seien. Das FA erhöhte dementsprechend die von der Antragstellerin erklärten Teilwerte.

Über die hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.

Den gleichzeitig mit dem Einspruch gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat das FA als unbegründet abgewiesen. Dem daraufhin beim FG gestellten Aussetzungsantrag hat das FG mit dem angefochtenen Beschluß entsprochen und die Vollziehung der Bescheide auf den 1. Januar 1985, 1986, 1987, 1988 und 1989 im Umfang der Erhöhungsbeträge ausgesetzt. Zwar seien entgeltlich erworbene Warenzeichen als immaterielle Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens zu erfassen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. August 1990 II R 17/87, BFHE 161, 168, BStBl II 1990, 879). Doch bestünden insofern ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an der Rechtmäßigkeit der Einheitswertbescheide, als das FA keine AfA auf die Warenzeichen zugelassen habe. Das FG hat die Beschwerde zugelassen.

Das FA hat gegen den finanzgerichtlichen Beschluß Beschwerde eingelegt, die es im wesentlichen damit begründet, daß mit dem entgeltlichen Erwerb der Warenzeichen und dem damit verbundenen Vorteil ein geschäfts- oder firmenwertähnliches selbständig bewertungsfähiges Einzelwirtschaftsgut des Anlagevermögens angeschafft worden sei, dessen Anschaffungswert bewertungsrechtlich einer Abnutzung nicht unterliege.

Das FA beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1985 bis 1989 zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde des FA zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung. Denn es bestehen keine die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigenden ernstlichen Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO an der Rechtmäßigkeit der von der Antragstellerin angefochtenen Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1985 bis 1989.

1. Zutreffend ist das FG in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon ausgegangen, daß die von der Rechtsvorgängerin der Antragstellerin in den Jahren 1974 bis 1980 erworbenen Warenzeichen als immaterielle Wirtschaftsgüter bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Antragstellerin mit dem Teilwert zu erfassen sind (§ 95, § 97, § 109 Abs. 1, § 10 des Bewertungsgesetzes - BewG - in der an den Stichtagen maßgebenden Fassung vor dem Steueränderungsgesetz 1992; vgl. Senatsbeschluß vom 25. März 1992 II B 12/91, BFH/NV 1993, 221). Entgegen der Auffassung des FG ist es jedoch nicht ernstlich zweifelhaft, daß entgeltlich erworbene Warenzeichen, die auf Dauer betrieblich genutzt werden, keinem Wertverzehr unterliegen. Im Streitfall entspricht daher der Teilwert der Warenzeichen den Anschaffungskosten. Zu Recht hat das FA die von der Antragstellerin geltend gemachten AfA nicht berücksichtigt. Denn es sind keine Gründe ersichtlich, die eine Abschreibung der entgeltlich erworbenen Warenzeichen auf einen unter den Anschaffungskosten liegenden Teilwert rechtfertigen.

Auch wenn man davon ausgeht, daß Warenzeichen zu den immateriellen Wirtschaftsgütern zu rechnen sind, die einer wirtschaftlich oder zeitlich bedingten Abnutzung unterliegen können (vgl. Stein/Ortmann, "Bilanzierung und Bewertung von Warenzeichen", Betriebs-Berater - BB - 1996, 787), so gibt es doch weder eine gesetzliche Regelung noch einen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach sich der Wert von Warenzeichen generell innerhalb einer bestimmten Nutzungsdauer verbraucht und diesem Umstand durch eine planmäßige Abschreibung Rechnung zu tragen ist. Für die Frage, ob die Nutzungsdauer eines Warenzeichens begrenzt ist oder nicht und damit ein abnutzbares oder nichtabnutzbares Wirtschaftsgut vorliegt, kommt es vielmehr darauf an, ob im Einzelfall das Warenzeichen dem Betrieb für die (voraussichtliche) gesamte Dauer seines Bestehens erhalten bleibt (s. Stein/Ortmann, a.a.O., S. 790). Davon ist im Streitfall auszugehen. Denn die Warenzeichen wurden seit ihrer Anschaffung ununterbrochen von der Antragstellerin für Zwecke des Vertriebs und zur Steigerung des Umsatzes verwendet. Im Hinblick auf die jederzeit mögliche Verlängerung der zehnjährigen Schutzfrist für Warenzeichen gemäß §§ 9 und 15 des damals (noch) geltenden Warenzeichengesetzes ergeben sich aus der Sicht des jeweiligen Stichtags keinerlei Anhaltspunkte für einen wirtschaftlichen oder zeitlichen Verbrauch der Warenzeichen, der einen Ansatz mit einem unter den Anschaffungskosten liegenden Teilwert begründen könnte. Damit scheidet der Ansatz der Warenzeichen mit den um planmäßige AfA verminderten Anschaffungskosten aus. Denn AfA gemäß § 7 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind nur auf abnutzbare Wirtschaftsgüter, d. h. auf Wirtschaftsgüter vorzunehmen, deren Nutzbarkeit durch den Steuerpflichtigen sich auf einen begrenzten Zeitraum erstreckt (s. BFH-Urteil vom 4. Dezember 1991 I R 148/90, BFHE 166, 472, BStBl II 1992, 383, 385, m. w. N.). Die Warenzeichenrechte der Antragstellerin waren an den einzelnen Bewertungsstichtagen nicht nur zeitlich begrenzt nutzbar. Insoweit kann hier nichts anderes gelten, als für die Behandlung der Güterfernverkehrskonzessionen, bei denen der Erwerber ebenfalls mit einer Verlängerung der Genehmigung - vergleichbar der Verlängerung des Warenzeichenrechts - rechnen kann. Auch aus § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG 1986, wonach für die nach dem 31. Dezember 1986 beginnenden Wirtschaftsjahre vom Geschäfts- oder Firmenwert AfA vorzunehmen sind, folgt für die hier streitigen Stichtage ab 1. Januar 1988 kein anderes Ergebnis, denn Warenzeichen sind ebensowenig wie Güterfernverkehrskonzessionen ein Geschäftswert i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG 1986 (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 1993 I R 48/92, BFH/NV 1994, 455).

2. Gründe für eine außerordentliche Teilwertabschreibung wurden weder von der Antragstellerin geltend gemacht, noch sind sie im Hinblick auf die seit dem Erwerb ununterbrochene Verwendung der Warenzeichen erkennbar.

Entgegen der Auffassung des FG entsteht auch durch die von der Antragstellerin nach dem Erwerb der Warenzeichen getätigten Aufwendungen kein originär geschaffenes immaterielles Wirtschaftsgut, das bewertungsrechtlich nicht zu erfassen wäre. Denn zum einen dienten die nach den Angaben der Antragstellerin jährlich mehr als ... DM betragenden Werbeaufwendungen nicht der Schaffung oder der Werterhaltung der Warenzeichen, sondern - wie die Warenzeichen selbst - der Förderung des Umsatzes. Zum anderen wurden die erworbenen Warenzeichen durch diese Maßnahmen nicht in ihrer Identität verändert, insbesondere wurden die erworbenen Warenzeichen nicht durch nach und nach selbst geschaffene Warenzeichen ersetzt. Dies gilt auch, soweit das Erscheinungsbild der Warenzeichen im Laufe der Zeit modernisiert und den Marktbedürfnissen angepaßt wurde. Die vom FG aufgeworfene verfassungsrechtliche Frage der gleichheitswidrigen Besteuerung originär geschaffener Wertbeiträge zu ursprünglich erworbenen Wirtschaftsgütern im Vergleich zu anderen immateriellen, originär erworbenen Wirtschaftsgütern stellt sich damit nicht.