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  BFH-Urteil vom 26.6.1996 (XI R 41/95) BStBl. 1996 II S. 601

Der Wegfall einer zum Erwerb eines betrieblichen Grundstücks eingegangenen Rentenverpflichtung infolge des Versterbens der Rentenberechtigten führt zu ihrer erfolgswirksamen Ausbuchung in der Bilanz zum Ende des betreffenden Wirtschaftsjahrs (Anschluß an das BFH-Urteil vom 24. Oktober 1990 X R 64/89, BFHE 163, 42, BStBl II 1991, 358). Das gilt auch, wenn die Rentenverpflichtung in früheren Wirtschaftsjahren im Rahmen einer Bilanzberichtigung erfolgsneutral eingebucht worden ist.

EStG § 4 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

1. Die Eltern und Rechtsvorgänger der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarben 1965 je zur Hälfte ein mit einer Wohnung und einer Gaststätte bebautes Grundstück. Die anschließende betriebliche Nutzung betrug 50 %. Als Teil des Kaufpreises wurde u.a. die Zahlung einer lebenslangen Rente an die Verkäuferin in Höhe von monatlich 1.000 DM vereinbart. Zur Ermittlung des Gegenwartswerts der Rentenverpflichtung an den jeweiligen folgenden Stichtagen wurde ein mathematisches Gutachten erstellt. In der Bilanz des von ihm geführten Gewerbebetriebs (Gaststätte) aktivierte der Vater der Klägerin 70 % seines (hälftigen) Anteils am erworbenen Grund und Boden und Gebäude und wies ebenfalls 70 % des auf ihn entfallenden Teils der Rentenverpflichtung (also jeweils 35 %) aus. Ab 1973 führte die Klägerin als Erbin den Betrieb unverändert und unter Beibehaltung der Buchwerte fort. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) unterblieb allerdings der Ansatz der anteiligen Rentenverpflichtung. Diese Feststellung entspricht insoweit nicht dem Inhalt der Bilanzakten, als danach die Rentenverpflichtung bis zum 31. Dezember 1982 ratierlich zu annähernd gleichen Jahresbeträgen aufgelöst wurde. Nach einer im Jahr 1987 durchgeführten Betriebsprüfung für die Jahre 1978 bis 1981 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) - wie sich aus dessen Schreiben an die Klägerin vom 21. Mai 1987, auf das die Vorentscheidung Bezug nimmt, ergibt - den betrieblichen Anteil der Rentenverpflichtung der Klägerin mit 50 % an und buchte ihn zum 1. Januar 1978 mit 28.673 DM auf der Grundlage des zu diesem Stichtag ermittelten Gegenwartswert der Rente ein. Die Klägerin führte diesen Passivposten in den Folgebilanzen unter Zugrundelegung des jeweiligen (geminderten) Gegenwartswerts der Rentenverpflichtung fort. Die Rentenzahlungen behandelte sie als Betriebsausgaben. Nach dem Tode der Rentenberechtigten im Jahr 1988 buchte die Klägerin die Rentenverpflichtung (Buchwert zum 31. Dezember 1987 16.901 DM) abzüglich anteiliger Zinsen für 11 Monate im Jahr 1988 (676 DM), somit zum Betrag von 16.225 DM zum 1. Januar 1988 aus. Sie beruft sich darauf, daß die Rentenverpflichtung im Jahr 1978 erfolgsneutral eingebucht worden sei. Damit sei sie auch erfolgsneutral auszubuchen.

Das FA behandelte den Wegfall der Rentenverpflichtung demgegenüber als erfolgswirksamen Vorgang und erhöhte den gewerblichen Gewinn und Gewerbeertrag der Klägerin für das Streitjahr entsprechend. Die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide für die Vorjahre sind bestandskräftig.

2. Die Klage blieb ohne Erfolg. Das FG entschied, die Auflösung des verbliebenen Passivpostens beim Erlöschen der Rentenverpflichtung sei als Ertrag zu behandeln. Ob die Gewinnermittlung früherer Jahre zutreffend erfolgt sei, brauche wegen des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung nicht untersucht zu werden. Im Streitfall gehe es nicht um die Ausbuchung einer zu Unrecht passivierten Verbindlichkeit im Wege einer Bilanzberichtigung, da die Rentenverpflichtung in den Bilanzen der Vorjahre zutreffend ausgewiesen worden sei.

3. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Sie macht geltend, daß zum Zeitpunkt der Einbuchung der Rentenverpflichtung 1978 auch eine entsprechende Aktivierung (Grundstück und Aufbauten) hätte erfolgen müssen. Das Betriebsvermögen sei daher Ende 1987 nicht zutreffend ausgewiesen gewesen. Einem gegen "Kapital" eingebuchten Passivposten, dem keine "Anschaffung" von Wirtschaftsgütern gegenüberstehe, komme kein betrieblicher Charakter zu, er sei daher ebenfalls über "Kapital" auszubuchen. Im übrigen habe sie, die Klägerin, über Jahre hinweg auch keinen Zinsaufwand für die Rentenverpflichtung geltend gemacht. Die Grundsätze der Abschnittsbesteuerung fänden - unabhängig von der Bestandskraft von Bescheiden - ihre Grenze dort, wo der "Totalgewinn" in unzulässiger Weise verändert werde.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gewinn aus Gewerbebetrieb für das Streitjahr mit Auswirkung auf die Einkommen- und Gewerbesteuer um 16.225 DM geringer anzusetzen.

Das FA tritt der Revision entgegen.

Es macht geltend, daß die aufgrund der Betriebsprüfung für die Jahre 1978 bis 1981 erfolgte Erhöhung der Rentenverpflichtung ihre Grundlage in den geänderten steuerlichen Verhältnissen gefunden habe. Während der Vater der Klägerin diese Verpflichtung nur in Höhe seines (hälftigen) Anteils am Grundstück zu passivieren gehabt habe, sei die Klägerin durch den Erbfall im Jahre 1973 alleinige Eigentümerin des Grundstücks geworden. Die Rentenverpflichtung habe - unabhängig von der Form ihrer Einbuchung - unverändert in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Betrieb gestanden und daher zum Betriebsvermögen gehört. Ein (von der Klägerin möglicherweise begehrter) geänderter Bilanzansatz für das Grundstück sei zum 31. Dezember 1988 möglich. Inwieweit er in Betracht komme, habe die Klägerin nicht aufgezeigt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zwar beurteilt das FG die Ausbuchung der Rentenverpflichtung zu Recht als erfolgswirksamen Vorgang. Seine Entscheidung läßt aber nicht erkennen, ob der Ermittlung des Gewinns der Klägerin für das Streitjahr zutreffende Bilanzansätze für den betrieblich genutzten Teil des Grundstücks zugrunde gelegt worden sind.

1. Eine Ausbuchung der Rentenverpflichtung der Klägerin zum 1. Januar des Streitjahres 1988 (und damit erfolgsneutral) kommt nicht in Betracht.

Gegen den Bestand dieser Rentenverpflichtung zum 31. Dezember 1987 dem Grunde und der Höhe nach werden auch von der Klägerin keine Einwendungen erhoben. Der Wegfall dieser Verpflichtung ist infolge des Todes der Rentenberechtigten erst im Laufe des folgenden Streitjahres eingetreten. Nach den Grundsätzen über den formellen Bilanzenzusammenhang hat der Bilanzansatz zum Beginn eines Wirtschaftsjahres dem zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu entsprechen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juni 1993 VIII R 26/92, BFH/NV 1994, 366; vom 19. Januar 1993 VIII R 128/84, BFHE 170, 511, BStBl II 1993, 594; vom 7. Juni 1988 VIII R 296/82, BFHE 153, 407, BStBl II 1988, 886, m. w. N.). Ein von der in der Bilanz des vorangegangenen Wirtschaftsjahres abweichender Ansatz kann daher grundsätzlich erst in der (Schluß-)Bilanz erfolgen und wirkt sich damit nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG auf das Ergebnis aus, soweit ihm nicht Einlagen oder Entnahmen zugrundeliegen. Entfällt daher eine betrieblich bedingte Rentenverpflichtung mit dem Tode des Rentenberechtigten, ist die hierdurch bewirkte Erhöhung des Betriebsvermögens als laufender Gewinn und Gewerbeertrag zu erfassen (BFH-Urteil vom 24. Oktober 1990 X R 64/89, BFHE 163, 42, BStBl II 1991, 358).

Eine Durchbrechung des Bilanzenzusammenhangs (vgl. etwa das BFH-Urteil in BFHE 153, 407, BStBl II 1988, 886, m. w. N.) in Form der Ausbuchung der Rentenverpflichtung bereits zum 1. Januar 1988 wäre entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht zulässig, soweit ihre (erfolgsneutrale) Einbuchung zum 1. Januar 1978 ebenfalls gegen die Grundsätze des Bilanzenzusammenhangs verstoßen hätte. Aufgrund des Prinzips der Abschnittsbesteuerung sind für jeden Veranlagungszeitraum bei der Einkommensteuer und Erhebungszeitraum bei der Gewerbesteuer die Besteuerungsgrundlagen selbständig festzustellen und der Sachverhalt und die Rechtslage ohne Bindung an die frühere Bindung neu zu prüfen (BFH-Urteil vom 25. April 1990 I R 78/85, BFH/NV 1990, 630). Werden gegen unzutreffende Gewinnermittlungen (auch als Folge einer Bilanzberichtigung) in Vorjahren nicht die zulässigen Rechtsmittel eingelegt, kann sich die Berechtigung zu ihrer späteren Korrektur regelmäßig auch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergeben. Die Rentenverpflichtung wurde auch von der Klägerin bis zu ihrem Wegfall weiter bilanziert.

2. Die Vorentscheidung läßt indessen nicht erkennen, ob der Gewinn der Klägerin aus Gewerbebetrieb aufgrund zutreffender Wertansätze und Aufwendungen für den betrieblich genutzten Teil des Grundstücks (vor allem zutreffender Absetzungen für Abnutzung - AfA - des Gebäudes) ermittelt worden ist.

Im Tatbestand ist ausgeführt, daß die Klägerin (mit Ausnahme der Rentenverpflichtung) die Buchwerte ihres Rechtsvorgängers (Vater) fortgeführt habe. Das würde bedeuten, daß der betrieblich genutzte Teil des Grundstücks weiterhin zu lediglich 35 % bilanziert war. Hierfür spricht auch der Inhalt der Bilanz- und Betriebsprüfungsakten. Andererseits war das Ergebnis der Erbfolge, daß der Klägerin, wie ebenfalls das FA ausführt, auch der ursprüngliche Anteil ihrer Mutter am Grundstück und damit das Alleineigentum daran zufiel. Da das so erworbene Grundstück nach den Feststellungen des FG unverändert zur Hälfte betrieblich genutzt wurde (der Ausbau des 2. Obergeschosses erfolgte erst später und diente außerbetrieblichen Zwecken), wäre es danach wie die Rentenverpflichtung ebenfalls zu 50 % als (notwendiges) Betriebsvermögen auszuweisen gewesen. Gleiches hätte gelten müssen, wenn der letztversterbende Elternteil Alleineigentümer des Grundstücks und Inhaber des Betriebs war. Dessen Buchwerte hätte die Klägerin dann gemäß § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) fortzuführen gehabt.

Die Fortführung der Buchwerte ihres Rechtsvorgängers durch die Klägerin wäre somit für den betrieblich genutzten Teil des Grund und Bodens und Gebäudes in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen als auch im Streitjahr unzutreffend. Das Schreiben des FA vom 21. Mai 1987 und der Bericht über die Betriebsprüfung für die Jahre 1978 bis 1981 - aber auch der sonstige Akteninhalt - lassen nicht erkennen, daß eine entsprechende Berichtigung dieser Ansätze durch das FA - anläßlich der Betriebsprüfung oder zu einem anderen Zeitpunkt - erfolgt ist. Sie wäre dann durch das FG im Rahmen der gestellten Anträge auch ohne Vorlage einer berichtigten Bilanz seitens der Klägerin nachzuholen (BFH-Urteil vom 26. Januar 1995 IV R 54/93, BFHE 177, 18, BStBl II 1995, 473).

Zu berichtigen wäre grundsätzlich die Schlußbilanz des Streitjahres (BFH-Urteile vom 16. Mai 1990 X R 72/87, BFHE 161, 451, BStBl II 1990, 1044; vom 29. Oktober 1991 VIII R 51/84, BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512). Hat allerdings ein früherer Bilanzierungsfehler zu einer zu niedrigen Bemessungsgrundlage für die AfA geführt, ist im Berichtigungsjahr auch eine nachträgliche entsprechende Korrektur des Ergebnisses (mittels Einstellung des - um die tatsächlich vorgenommene AfA verminderten - zutreffenden Anfangswerts in die Anfangsbilanz) vorzunehmen. Eine gewinneutrale Rückwärtsberichtigung bis zur Fehlerquelle ist hingegen möglich, soweit ein Bilanzierungsfehler sich in der Vergangenheit nicht auf die Höhe der festzusetzenden Steuern ausgewirkt hat. Im einzelnen verweist der Senat hierzu auf die Grundsätze des BFH-Urteils in BFHE 166, 431, BStBl II 1992, 512 (516 linke Spalte, m. w. N.; vgl. auch Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 4 Rz. 737).

3. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen, damit es die erforderlichen Feststellungen nachholt. Ggf. wird es die Einkommensteuer und den Gewerbeertrag der Klägerin für das Streitjahr neu zu ermitteln oder dessen Berechnung gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA zu übertragen haben.