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  BFH-Urteil vom 28.3.1996 (III R 208/94) BStBl. 1997 II S. 54

1. Aufwendungen, die zur Ausübung des Besuchsrechts des nicht sorgeberechtigten Elternteils nach § 1634 BGB gemacht werden, sind nicht außergewöhnlich i. S. des § 33 Abs. 1 EStG, sondern durch die Regelungen des Kinderlastenausgleichs abgegolten.

2. Die steuerliche Behandlung von ihren Kindern getrenntlebender Eltern nach Abschaffung des Freibetrages für die Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses gemäß § 33a Abs. 1 a EStG a. F. und die Abgeltung der Mehraufwendungen eines geschiedenen oder getrenntlebenden Elternteils durch den Kinderfreibetrag sind mit höherrangigem Recht vereinbar.

3. Ein Kläger kann für das Gericht bindend seine materiell-rechtlichen Rügen auf bestimmte Streitpunkte beschränken und die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides im übrigen nicht der Prüfung des Gerichts unterstellen, wenn die Steuerfestsetzung insoweit nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO 1977 vorläufig ist; das gilt auch dann, wenn wegen der Vereinbarkeit des in seinem Fall anzuwendenden Steuergesetzes mit höherrangigem Recht ein Verfahren beim BVerfG nicht anhängig ist.

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; EStG § 32 Abs. 6, § 33 Abs. 1, § 33a Abs. 1a; AO 1977 § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3; FGO § 96 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1994, 1050)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehrt den Abzug von Fahrt- und Telefonkosten als außergewöhnliche Belastungen.

Der Kläger lebt in G. Seine beiden Kinder aus geschiedener Ehe leben bei ihrer Mutter in D. Sie sind im Streitjahr neun bzw. sechs Jahre alt geworden. Im Scheidungsverfahren hatten sich der Kläger und seine frühere Ehefrau aufgrund eines familientherapeutischen Gutachtens geeinigt, daß die Kinder ihren Vater an einem Wochenende im Monat in G besuchen sollten. Der Kläger holte sie im Streitjahr deshalb in 12 Wochenenden mit seinem PKW aus D ab und brachte sie wieder zurück. An den übrigen Wochenenden telefonierte er mit ihnen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die dafür vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen in dem u. a. wegen der dem Kläger gewährten (hälftigen) Kinderfreibeträge vorläufigen Steuerbescheid nicht als außergewöhnliche Belastungen an. Die Klage blieb ohne Erfolg (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1994, 1050).

Zur Begründung seiner vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision trägt der Kläger vor:

Von 1978 bis einschließlich 1989 sei die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für die Kontaktpflege zu leiblichen Kindern dem Grunde nach als außergewöhnliche Belastung anerkannt gewesen. Nur aus Vereinfachungsgründen seien die Aufwendungen lediglich mit einem Höchstbetrag nach § 33a Abs. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzugsfähig gewesen. Ab 1990 müsse der Steuerpflichtige Art und Umfang von besonderen Umständen und die Höhe der Kosten nachweisen. Die allgemeine Verkehrsauffassung zum Begriff der außergewöhnlichen Belastungen habe sich jedoch nicht geändert.

Eine Abgeltung der Aufwendungen durch den Kinderfreibetrag liege schon deshalb nicht vor, weil der Kinderfreibetrag 1990 niedriger sei als der Kinderfreibetrag ab 1987 zuzüglich zweier Pauschalen nach § 33a Abs. 1 a EStG. Kontaktpflegeaufwendungen zählten auch nicht zum Regelbedarf bei den Sozialhilfeleistungen, an dem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Kinderfreibeträge gemessen habe. Sie würden von den Sozialämtern vielmehr als Sonderbedarf anerkannt. Die Einbeziehung solcher Aufwendungen in den Kinderfreibetrag würde bei Steuerpflichtigen, die keine Kontaktpflegeaufwendungen haben, zu ungerechtfertigten Steuerentlastungen führen. Andererseits wäre die bis 1990 geltende Fassung des EStG verfassungswidrig gewesen, wenn Kontaktpflegeaufwendungen keine außergewöhnlichen Belastungen darstellten; denn dann hätte § 33a Abs. 1 a EStG ungerechtfertigte Steuervorteile begründet. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift sei jedoch nie angezweifelt worden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, wird die Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG unter Berücksichtigung solcher außergewöhnlichen Belastungen nach Maßgabe der in dieser Vorschrift getroffenen näheren Regelungen, deren Anwendung hier nicht strittig ist, ermäßigt. Das FG hat zutreffend angenommen, daß die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen die Merkmale einer außergewöhnlichen Belastung nicht erfüllen. Die vom Kläger für die Aufrechterhaltung des Kontaktes zu seinen Kindern aufgewendeten Kosten sind keine außergewöhnlichen Aufwendungen i. S. des § 33 Abs. 1 EStG.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Aufwendungen außergewöhnlich, wenn sie nicht nur ihrer Höhe, sondern auch ihrer Art und dem Grunde nach außerhalb des Üblichen liegen (vgl. z. B. die Urteile des Senats vom 23. Mai 1990 III R 145/85, BFHE 161, 73, BStBl II 1990, 895, und III R 63/85, BFHE 161, 69, BStBl II 1990, 894, sowie vom 12. Juli 1991 III R 23/88, BFH/NV 1992, 172). Die typischen Aufwendungen der Lebensführung sind hingegen aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen. Sie sind durch den Grundfreibetrag des § 32a EStG bzw., soweit es sich um familienbedingte Mehraufwendungen handelt, durch die Regelungen des Kinderlastenausgleichs (§ 32 EStG, Bundeskindergeldgesetz) abgegolten.

Zu diesen nicht außergewöhnlichen, sondern bei typisierender Betrachtungsweise abgegoltenen Aufwendungen rechnen nach der Rechtsprechung des BFH im allgemeinen die Kosten für Besuchsfahrten zwischen nahen Angehörigen (BFH-Urteile in BFHE 161, 69, BStBl II 1990, 894, und in BFHE 161, 73, BStBl II 1990, 895, sowie Urteil des Senats vom 24. Mai 1991 III R 28/89, BFH/NV 1992, 96). Durch die Regelungen über den Kinderlastenausgleich abgegolten sind insbesondere auch die Kosten von Wochenendfahrten zu dem von einem Elternteil getrennten Kind, die in Erfüllung der elterlichen Pflicht zur Personensorge nach §§ 1601, 1603, 1612 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unternommen werden (BFH-Urteile in BFH/NV 1992, 172, und vom 29. August 1986 III R 209/82, BFHE 148, 22, 25, BStBl II 1987, 167, m. w. N.). Ausnahmen hat der BFH bei Aufwendungen für Besuchsfahrten anerkannt, die ausschließlich zum Zwecke der Heilung oder Linderung einer Krankheit oder eines Leidens unternommen werden oder den Zweck verfolgen, die Krankheit oder das Leiden erträglicher zu machen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 2. März 1984 VI R 158/80, BFHE 140, 556, BStBl II 1984, 484), oder die der krankheitsbedingten Betreuung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen dienen (BFH-Urteil vom 6. April 1990 III R 60/88, BFHE 161, 432, BStBl II 1990, 958). Diese Ausnahmen bedürfen jedoch keiner näheren Erörterung, weil ihre Voraussetzungen im Streitfall nicht vorliegen; denn die Kinder des Klägers sind weder krank noch auf seine Pflege und Betreuung angewiesen gewesen.

Nach den Grundsätzen dieser Rechtsprechung sind auch Aufwendungen, die - wie hier - nicht zur Wahrnehmung der Personensorge, sondern zur Ausübung des Besuchsrechts des nicht sorgeberechtigten und -verpflichteten Elternteils nach § 1634 BGB gemacht werden, nicht außergewöhnlich i. S. des § 33 Abs. 1 EStG. Denn sie sind - ungeachtet der im Einzelfall entstehenden Aufwendungen - ebenfalls durch die Regelungen des Kinderlastenausgleichs abgegolten, die nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG auch dem nicht mit seinen Kindern zusammenlebenden, barunterhaltspflichtigen Elternteil zugute kommen. Diese Abgeltungswirkung wird in der Begründung zum Entwurf des Steuerreformgesetzes 1990 - StRG 1990 - (BGBl I 1988, 1093) ausdrücklich angesprochen. Durch dieses Gesetz ist der durch § 33a Abs. 1 a EStG a. F. gewährte Freibetrag abgeschafft worden, der durch das Steueränderungsgesetz - StÄndG - 1977 (BGBl I 1977, 1586) eingeführt worden war und Aufwendungen zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses pauschal abgelten sollte, welche insbesondere einem geschiedenen Elternteil, dem ein aus der Ehe hervorgegangenes Kind gemäß § 32 Abs. 7 EStG nicht zugeordnet ist, oftmals zum Beispiel durch Besuche bei seinem Kind oder sonstige Arten der "Kontaktpflege" entstehen. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu, dieser Freibetrag sei angesichts der früheren Rechtslage eingeführt worden, wonach der barunterhaltspflichtige Elternteil für seine Kinder grundsätzlich keine Steuerermäßigung erhalten habe. Inzwischen stehe sie grundsätzlich beiden Elternteilen je zur Hälfte zu. Nach der mehrmaligen Anhebung des Kinderfreibetrages sei es berechtigt, Aufwendungen zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses als durch Kinderfreibetrag und Kindergeld abgegolten zu betrachten (BTDrucks 11/2157, S. 150).

2. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Abgeltungswirkung des Kinderlastenausgleichs ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die steuerliche Behandlung von ihren Kindern getrenntlebender Eltern nach Abschaffung des Freibetrages für die Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses gemäß § 33a Abs. 1 a EStG a. F. ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Der Kläger ist in seinen Grundrechten nicht dadurch verletzt, daß die vorgenannten besonderen Kosten zur Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses steuerlich nicht mehr gesondert vom für alle geltenden Kinderlastenausgleich - durch einen besonderen Freibetrag oder in anderer Weise - berücksichtigt werden.

a) Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz folgt zwar nach der Rechtsprechung des BVerfG (vgl. z. B. Entscheidung vom 26. Januar 1994 1 BVL 12/86 BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307) für das Gebiet des Steuerrechts, daß die Besteuerung insbesondere im Einkommensteuerrecht an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet werden muß. Der Steuergesetzgeber verstößt daher gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und die grundlegenden Entscheidungen in Art. 1 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG, wenn er unvermeidbare Sonderbelastungen durch Kinder unberücksichtigt läßt, welche die Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen mindern. Er darf solche Aufwendungen für Kinder und Aufwendungen für "private" Bedürfnisse nicht auf eine Stufe stellen. Folglich darf er nach der Rechtsprechung des BVerfG insbesondere nicht auf die Mitte, die für den Unterhalt von Kindern unerläßlich sind, bei der Besteuerung in gleicher Weise zugreifen wie auf Mittel, die der Bürger zur Befriedigung beliebiger anderer Bedürfnisse einsetzen kann. Er muß Unterhaltsaufwendungen für Kinder von der Besteuerung ausnehmen und darf bei der steuerlichen Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen nicht realitätsferne Grenzen ziehen (BVerfG-Entscheidungen vom 29. Mai 1990 1 BvL 20, 26/84 und 4/86, BVerfGE 82, 60, 87, BStBl II 1990, 653, und in BVerfGE 89, 346, BStBl II 1994, 307).

b) Aufwendungen für die Kontaktpflege sind indes verfassungsrechtlich nicht den eigentlichen Unterhaltsaufwendungen gleichzustellen. Der Senat hat dementsprechend schon bei dem Freibetrag nach § 33a Abs. 1 a EStG darauf hingewiesen, daß dieser kein Unterhaltsfreibetrag sei und nicht an dem verfassungsrechtlichen Gebot der realitätsgerechten Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen gemessen werden könne (vgl. Beschlüsse vom 22. April 1988 III B 73/87, BFHE 153, 143, BStBl II 1988, 612, und vom 4. Februar 1987 III B 151/86, BFHE 148, 530, BStBl II 19897, 339). Aufwendungen für die Kontaktpflege mit einem bei dem anderen Elternteil lebenden Kind unterscheiden sich von Unterhaltsleistungen, die der Sicherung des Existenzminimums des Kindes dienen, wesentlich dadurch, daß sie nicht bei allen betroffenen Steuerpflichtigen unausweichlich in im wesentlichen gleicher (Mindest-)Höhe entstehen. Die Aufrechterhaltung des Kontaktes zwischen dem Kind und dem nicht sorgeberechtigten Elternteil entspricht zwar in der Regel § 1634 BGB und der dieser Vorschrift zugrundeliegenden gesetzgeberischen Bewertung, insbesondere des Kindesinteresses, selbst wenn dieser Vorschrift keine Rechtspflicht zu entnehmen ist, wie ein Teil des Schrifttums allerdings annimmt (vgl. Peschel-Gutzeit in Staudinger, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl. 1989, § 1634 Rdnr. 24; Hinz in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch - MünchKomm -, 2. Aufl. 1992, § 1634 Rdnr. 1 a; Geruber/Coester-Waltjen, Lehrbuch des Familienrechts, 4. Aufl. 1994, § 66 I 2 mit Nachweisen entgegen dem Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 23. Mai 1984 IVb ZR 9/83, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1984, 1951). In welchem Umfang für die Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses Aufwendungen erbracht werden müssen und ob sie überhaupt in einem ins Gewicht fallenden Umfang entstehen, ist freilich von Fall zu Fall völlig verschieden und weitgehend von der persönlichen, vielfach auf rein privaten Motiven beruhenden Lebensgestaltung des nicht sorgeberechtigten Elternteils abhängig. Denn anders als bei Unterhaltsaufwendungen, die der Existenzsicherung des Kindes dienen und die in jedem Fall unvermeidlich anfallen, entstehen durch die Ausübung des Rechts zum persönlichen Umgang nach § 1634 BGB vielfach keine oder nur geringe zusätzliche, über die in jeder Familie üblichen Aufwendungen hinausgehende Kosten, weil die Kinder z. B. in der Nähe des nicht sorgeberechtigten Elternteils wohnen bleiben oder er ihnen an einen neuen Wohnort nachfolgt. In welchem Umfang dennoch durch eine steuerliche Entlastung die Pflege des Eltern-Kind-Verhältnisses erleichtert und gefördert werden soll und einer solchen Förderung bedarf, liegt deshalb in erster Linie in der Entscheidung des Gesetzgebers. Er hat insbesondere die notwendige prognostische Beurteilung anzustellen, ob der Mehrzahl oder einzelnen für die gesetzgeberische Entscheidung nicht zu vernachlässigenden Gruppen von Steuerpflichtigen voraussichtlich tatsächlich Aufwendungen entstehen, welche die Festsetzung eines entsprechenden Freibetrages rechtfertigen. Ferner obliegt es ihm zu bewerten, ob er es für erforderlich hält, diesbezügliche, nicht wie die zur Bestreitung des Existenzminimums der Kinder unausweichliche und häufig durch eine entsprechende Gestaltung der persönlichen Lebensverhältnisse ohne weiteres vermeidbare Aufwendungen steuermindernd zu berücksichtigen, um einen Anreiz für die Wahrnehmung der Befugnisse des § 1634 BGB zu schaffen.

Im übrigen ist der Gesetzgeber nicht gehindert in Rechnung zu stellen, daß Eltern mit Kontaktpflegeaufwendungen mittelbar dadurch entlastet werden, daß solche Aufwendungen bei der Bemessung ihrer Unterhaltsleistungen nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. Oberlandesgericht - OLG - Karlsruhe, Urteil vom 25. März 1982 16 VF 131/81, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht - FamRZ - 1982, 1111; Hinz, MünchKomm, § 1634, Rdnr. 34 mit Nachweisen); der von seinen Kindern getrennt lebende Elternteil ist daher - von nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmefällen abgesehen, in denen die Höhe des Nettoeinkommens für die Bemessung der Unterhaltsleistungen keine entscheidende Rolle spielt - im Ergebnis ähnlich gestellt, als wenn seine Kontaktpflegeaufwendungen steuerlich begünstigt würden, er dafür aber höheren Unterhalt leisten müßte (vgl. dazu auch den Senatsbeschluß in BFHE 153, 143, BStBl II 1988, 612).

c) Der Gesetzgeber des StRG 1990 hat die Grenzen des ihm bei alledem zustehenden Regelungsermessens (vgl. z. B. Urteil des Senats vom 14. Januar 1994 III R 194/90, BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429 mit Nachweisen) nicht überschritten.

Ohne entscheidende Bedeutung ist, daß Aufwendungen der hier streitigen Art von der Verwaltungspraxis als nicht durch den Sozialhilfe-Regelsatz abgegolten angesehen werden mögen und dem Hilfsbedürftigen grundsätzlich ein Anspruch auf die Übernahme solcher Kosten im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 12 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zugebilligt wird (vgl. Oberverwaltungsgericht - OVG - für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Dezember 1994 24 A 3424/93, NJW 1991, 190, und Hamburgisches OVG, Urteil vom 28. April 1989 Bf IV 8/89, FamRz 1989, 1356, Hamburger Justizverwaltungsblatt 1990, 44).

Nach der Rechtsprechung des BVerfG und des Senats (vgl. z. B. Entscheidungen des BVerfG vom 14. Juni 1994 1 BvR 1022/88, BVerfGE 91, 93, BStBl II 1994, 909, und des Senats vom 16. Juli 1993 III R 206/90, BFHE 171, 534, BStBl II 1993, 755) kommt den durchschnittlichen Sozialhilfeleistungen allerdings maßgebliche Bedeutung bei der Bestimmung des notwendigen Existenzminimums zu, weil sie als verbrauchsbezogen ermittelte Größe Aufschluß darüber geben, welche Mittel nach fachkundiger Einschätzung zur Deckung des lebensnotwendigen Bedarfs erforderlich sind. Um die Bestimmung des Existenzminimums geht es hier indes nicht. Aus der vorgenannten Rechtsprechung läßt sich auch nicht folgern, daß das Steuerrecht für die Befriedigung sozialhilferechtlich anerkannter, durch die Regelleistungen jedoch nicht abgegoltener Bedürfnisse stets eine Steuerentlastung durch einen besonderen Freibetrag oder eine sonstige Berücksichtigung des Bedarfs gewähren müßte.

Anders als das Sozialhilferecht stellt der Steuergesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger Weise vielfach nicht auf den Einzelfall ab, sondern sucht pauschalierende, für eine möglichst große Gruppe von Steuerpflichtigen und ihre Leistungsfähigkeit angemessene Regelungen zu finden. Auf solche typisierenden und generalisierenden Regelungen kann er bei der Ordnung von Massenerscheinungen umso weniger verzichten, als die Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls oder besonderer, nur bei einer kleinen Gruppe von Steuerpflichtigen gegebener Verhältnisse aufgrund der Vielfalt der Lebensverhältnisse mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre (vgl. auch BVerfG-Beschluß in BVerfGE 82, 60, 91, BStBl II 1990, 653). Dadurch entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. u. a. BVerfG-Entscheidung in BVerfGE 91, 93, BStBl II 1994, 909).

Der Steuergesetzgeber darf in dem eben bezeichneten Rahmen nicht nur von einer steuerliche Entlastung nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls, wie sie § 33 Abs. 1 EStG vorsieht, sondern auch von der Festsetzung besonderer Freibeträge anstelle einer einzelfallbezogenen Entlastung absehen, solange dadurch nicht eine ins Gewicht fallende Gruppe von Steuerpflichtigen in - gemessen am Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG oder aus der Sicht des Art. 6 Abs. 1 GG - unerträglicher Weise steuerlich belastet würde.

Die Entscheidung des StRG 1990, auch etwaige Mehraufwendungen eines geschiedenen oder getrennt lebenden Elternteils, dem seine Kinder nach § 32 Abs. 6 EStG steuerlich nicht zugeordnet sind, fortan als durch den - für alle Eltern gleichen - Kinderfreibetrag abgegolten zu behandeln, lag noch in diesem Rahmen des dem Gesetzgeber eröffneten Regelungsspielraums. Der Gesetzgeber mußte nicht den Betrag des bisherigen Kontaktpflege-Freibetrags auf den Kinderfreibetrag aufschlagen und hat dies auch nicht getan, wie der von der Revision selbst angestellte Vergleich der vor und nach Inkrafttreten des StRG 1990 geltenden Beträge zeigt. Im Ergebnis werden vielmehr die betreffenden Mehraufwendungen, die bei der Bemessung eines für alle Eltern geltenden Freibetrages keine Rolle spielen können, steuerlich nicht mehr eigens berücksichtigt. Der Gesetzgeber mußte jedoch nicht davon ausgehen, daß von einer ins Gewicht fallenden Gruppe von Steuerpflichtigen so beträchtliche, unvermeidliche und nicht kompensierte Mehraufwendungen zu tragen sind, daß es der Gleichheitssatz oder Art. 6 Abs. 1 GG gebietet, für die Betroffenen einen besonderen steuerlichen Abzugsbetrag oder eine anderweitige Entlastung vorzusehen. Die Beurteilung der diesbezüglich maßgeblichen Verhältnisse durch den Gesetzgeber und deren, der getroffenen Regelung zugrundeliegende Bewertung ist jedenfalls nicht evident fehlsam und daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Urteil des Senats vom 14. Januar 1994 III R 194/90, BFHE 173, 528, BStBl II 1994, 429 mit Nachweisen).

3. Ob der Kinderfreibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG, insbesondere seiner Höhe nach, zu verfassungsrechtlichen Einwänden Anlaß gibt (vgl. dazu den Senatsbeschluß vom 26. Oktober 1994 III B 19/93, BFHE 176, 367, BStBl II 1995, 573, sowie Herden, Deutsche Steuer- Zeitung 1994, 385, und Brockmeyer, Deutsches Steuerrecht 1995, 875), ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden. Denn der Kläger hat den wegen des Kinderfreibetrages vorläufigen Einkommensteuerbescheid insoweit nicht angegriffen und damit zu erkennen gegeben, daß er eine Entscheidung über die Abzugsfähigkeit seiner Kontaktpflegeaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen ungeachtet einer Prüfung seiner Besteuerung unter dem Gesichtspunkt der Verfassungsmäßigkeit des Kinderfreibetrages erstrebt. Ein abteilbarer Streitgegenstand ist damit zwar nicht bezeichnet (vgl. Senatsbeschluß vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408); auch eine "Teilanfechtung" eines Einkommensteuerbescheides nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 33 EStG ist angesichts der Verpflichtung des Gerichts, die Streitsache im Rahmen des Klagebegehrens (§ 96 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen, nicht möglich. Gleichwohl ist der Senat an die vom Kläger vorgenommene Beschränkung seiner materiell-rechtlichen Rügen nach den in dem Urteil des Senats vom 7. Februar 1992 III R 61/91 (BFHE 167, 279, BStBl II 1992, 592) dargestellten Überlegungen gebunden. Ebenso wie der Steuerpflichtige unter den dort aufgestellten Voraussetzungen gegen das FA einen Anspruch auf Vorläufigerklärung des gegen ihn ergangenen Steuerbescheides hat, um eine baldige gerichtliche Klärung von dessen Rechtmäßigkeit im Hinblick auf andere Streitpunkte erlangen zu können, muß ihm nämlich im Rahmen seiner Mitwirkungsrechte im gerichtlichen Verfahren die Befugnis zugestanden werden, bestimmte Voraussetzungen für die Entstehung der streitigen Steuer nicht der Prüfung des Gerichts zu unterstellen, wenn die Steuerfestsetzung insoweit nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufig ist und der Kläger folglich die Möglichkeit hat, ohne Gefahr eines Rechtsverlustes einstweilen eine etwaige verfassungsrechtliche Klärung in anderen Verfahren abzuwarten. Dieses Recht ist ihm auch dann einzuräumen, wenn wegen der Vereinbarkeit des in seinem Fall anzuwendenden Steuergesetzes mit höherrangigem Recht ein Verfahren beim BVerfG nicht anhängig ist, die in dem Urteil in BFHE 167, 279, BStBl II 1992, 592, aufgestellten Voraussetzungen also insoweit nicht vorliegen; denn auch dann kann der Kläger ein schutzwürdiges Interesse haben, auf die Klärung ihn vorrangig interessierender Streitfragen nicht verzichten zu müssen, bis eine regelmäßig nicht kurzfristig ergehende Entscheidung des BVerfG nach Art. 100 GG eingeholt worden ist.