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  BFH-Urteil vom 30.10.1996 (II R 72/94) BStBl. 1997 II S. 87

1. Die Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG 1983 ist zu versagen, wenn der Einbringende entsprechend einem im Einbringungszeitpunkt bereits bestehenden Plan im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen übertragen bzw. sich durch eine beabsichtigte Neuaufnahme von Gesellschaftern seine vermögensmäßige Beteiligung verringern soll. Für einen solchen Plan reichen die einseitigen Absichten oder allein die Vorstellungen des grundstückseinbringenden Gesellschafters nicht aus; vielmehr bedarf es insoweit einer Einbindung auch der Gesamthand bzw. der übrigen Gesamthänder durch Vereinbarungen bzw. sonstige Absprachen.

2. Gibt der grundstückseinbringende Gesamthänder innerhalb eines kürzeren Zeitraums nach der Grundstückseinbringung seine Beteiligung tatsächlich auf bzw. verringert er seine Beteiligung, besteht die (widerlegbare) Vermutung, daß das Ausscheiden bzw. die Verringerung der Beteiligung auf einem bereits im Einbringungszeitpunkt vorhandenen Plan beruhte. Diese Vermutung kann der Steuerpflichtige dadurch widerlegen, daß er Tatsachen nachweist, die einen anderen Geschehensablauf möglich erscheinen lassen.

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Hamburg (EFG 1994, 976)

Sachverhalt

I.

Gründungsgesellschafterinnen der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GbR, waren die X-AG sowie die Y-AG. Zweck der Gesellschaft sollte der Neubau eines Verwaltungsgebäudes mit Rechenzentrum für die XY-Unternehmensgruppe und die Nutzung einschließlich Vermietung dieses Neubaus sein. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 18. Januar 1989 sollte die X-AG eine Bareinlage in Höhe von 9.500 DM und die Y-AG eine solche in Höhe von 500 DM leisten. Die Grundstücke, auf denen das neue Verwaltungsgebäude errichtet werden sollte, sollten von den Gesellschafterinnen zu Buchwerten eingebracht werden. Am Vermögen der Gesellschaft sollten die Gesellschafterinnen entsprechend den Verkehrswerten der eingebrachten Grundstücke zuzüglich ihrer Bareinlage beteiligt sein. Dies sollte nach Fertigstellung des Neubaus zu einer Beteiligung der X-AG in Höhe von 95 v. H. und der Y-AG in Höhe von 5 v. H. führen.

Durch notariell beurkundeten Einbringungsvertrag vom 1. März 1989 erwarb die Klägerin von ihren beiden Gesellschafterinnen (X-AG und Y-AG) aus mehreren Teilparzellen bestehenden Grundbesitz in einer Größe von ca. 12.500 qm.

Wegen des Grunderwerbs von der X-AG setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) durch Bescheid vom 28. Juli 1989 gegen die Klägerin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.556 DM fest. Bei der Ermittlung der Gegenleistung ging das FA von den Verkehrswerten der eingebrachten Grundstücke aus, die es in Anlehnung an den Abschn. 77 Abs. 3 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) mit 280 v. H. der maßgeblichen Einheitswerte ansetzte. Antragsgemäß gewährte das FA eine Befreiung von der Grunderwerbsteuer nach § 5 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 in Höhe von 95 v. H.

Durch notariell beurkundeten Einbringungs- und Bestandsübertragungsvertrag vom 29. Mai 1989 übertrug die X-AG ihr Unternehmen auf die Z-AG. Die Aktien an der Z-AG hält zu 100 v. H. die X-AG. Mit der Übertragung des Unternehmens der X-AG auf die Z-AG gingen auch die Anteile der X-AG an der Klägerin auf die Z-AG über.

Nachdem dieser Vorgang dem FA bekannt wurde, setzte es durch Bescheid vom 3. November 1989 - wegen des Erwerbs der Grundstücke von der X-AG - unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 91.134 DM fest. Eine Befreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 wurde dabei nicht mehr gewährt.

Einspruch und Klage, mit denen sich die Klägerin gegen die Versagung der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 wendete, blieben ohne Erfolg.

Das FA hat während des finanzgerichtlichen Verfahrens auf der Grundlage einer zwischenzeitlich durchgeführten Außenprüfung am 22. Dezember 1993 einen Änderungsbescheid nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) erlassen und unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung Grunderwerbsteuer nach einer Gegenleistung von 20.691.553 DM in Höhe von 413.831 DM gegen die Klägerin festgesetzt. Bei der Ermittlung der Gegenleistung hat das FA die Verkehrswerte der von der X-AG eingebrachten Grundstücke nicht mehr auf der Grundlage der Einheitswerte, sondern nach den Bilanzansätzen berechnet. Die Klägerin hat rechtzeitig beantragt, diesen Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) erklärte der Vertreter des FA zu gerichtlichem Protokoll, den Bescheid vom 22. Dezember 1993 zu ändern und die Steuer, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von nunmehr 15.081.570 DM, auf 301.631 DM festzusetzen. Die Klägerin beantragte daraufhin, diesen Änderungsbescheid nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Die Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1994, 976 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision der Klägerin. Sie rügt fehlerhafte Anwendung von § 5 Abs. 2 GrEStG 1983. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei die Steuervergünstigung nur dann zu versagen, wenn die verschiedenen Rechtsvorgänge (Einbringungsvorgang und Änderung der Beteiligungsverhältnisse) willentlich verknüpft seien. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 sei ferner zu berücksichtigen, daß das Grundvermögen auch nach Ausscheiden der X-AG aus der Klägerin noch in ihrem Unternehmensverbund verblieben sei, da die X-AG mittelbar über die Z-AG an der Klägerin beteiligt geblieben sei. Aus der zivilrechtlichen Verlagerung der Beteiligung an der Klägerin habe sich eine Veränderung des wirtschaftlichen Risikos aus dem Grundvermögen nicht ergeben.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Hamburg vom 2. Juni 1994 II 264/91 aufzuheben und die Grunderwerbsteuer auf 15.081 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Die Vorentscheidung wird aufgehoben, weil die vom FG festgestellten Tatsachen keine abschließende Prüfung erlauben, ob der nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegende Grunderwerb der Klägerin aufgrund des Einbringungsvertrages vom 1. März 1989 von der X-AG nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 von der Grunderwerbsteuer ausgenommen ist.

1. Nach dieser Vorschrift wird beim Übergang eines Grundstücks von einem Alleineigentümer auf eine Gesamthand die Steuer in Höhe des Anteils nicht erhoben, zu dem der Veräußerer am Vermögen der Gesamthand beteiligt ist. Die Steuervergünstigung beruht auf der Erwägung, daß trotz des durch den Einbringungsvorgang herbeigeführten Rechtsträgerwechsels eine Besteuerung in dem Umfang unterbleiben soll, in dem sich die Berechtigung des einbringenden Gesamthänders an dem Grundstück fortsetzt, weil die Änderung der Rechtszuständigkeit wirtschaftlich zu keiner Veränderung führt, soweit der bisherige (das Grundstück in die Gesamthand einbringende) Gesamthänder über seine Gesamthandsberechtigung auch weiterhin am Grundstückswert beteiligt bleibt (vgl. Senatsurteile vom 6. Oktober 1982 II R 92/80, BFHE 137, 87, BStBl II 1983, 138; vom 20. November 1982 II R 38/78, BFHE 138, 97, BStBl II 1983, 429, und vom 16. Januar 1991 II R 38/87, BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374).

Ist deshalb die (formal bestehende) gesamthänderische Mitberechtigung des grundstückseinbringenden Gesamthänders im maßgeblichen Zeitpunkt der Einbringung des Grundstücks durch Vereinbarungen oder Absprachen mit der Gesamthand bzw. den Gesamthändern so eingeschränkt, daß in wirtschaftlicher Hinsicht eine weitere Beteiligung dieses Gesamthänders am Grundstückswert nicht besteht, ist § 5 GrEStG 1983 nicht anwendbar. Denn in solchen Fällen ist der grundstückseinbringende Gesamthänder nicht in der Weise (vollwertig) am Vermögen der Gesamthand beteiligt, an die das Gesetz die Steuervergünstigung knüpft.

Ist deshalb im Zeitpunkt der Einbringung der Einbringende durch (gesellschafts-)vertragliche Abreden im Ergebnis wirtschaftlich so gestellt, als sei er während der Dauer seiner Beteiligung an der Gesamthand und bei deren Beendigung nicht wie ein Eigentümer (anteilig) an den Wertveränderungen des Grundstücks beteiligt gewesen, so liegen die Voraussetzungen der Steuervergünstigung nach § 5 GrEStG 1983 nicht vor (vgl. Senatsurteil in BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374). Dasselbe gilt für die Fälle, in denen der Einbringende entsprechend einem bereits im Einbringungszeitpunkt bestehenden Plan im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Grundstücksübertragung auf die Gesamthand seine Gesellschafterstellung auf einen anderen übertragen soll oder sich durch eine beabsichtigte Neuaufnahme von Gesellschaftern die vermögensmäßige Beteiligung des Gesellschafters verringern soll (vgl. zuletzt BFH-Urteile in BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374 sowie vom 16. Januar 1991 II R 44/87, BFH/NV 1992, 132, und vom 13. Mai 1992 II R 123/89, BFH/NV 1993, 50). Denn auch hier verfügt der einbringende Gesellschafter bereits im Zeitpunkt der Einbringung über keine vollwertige gesamthänderische Mitberechtigung an dem eingebrachten Grundstück, weil sich bei einem nur kurzfristigen Verbleiben in der Gesamthand die mit dem Grundeigentum verbundenen wirtschaftlichen Risiken und Chancen weder regelmäßig verwirklichen, noch üblicherweise von den Beteiligten auch nur wertmäßig ermittelt werden (vgl. Senats-Urteil in BFHE 163, 246, BStBl II 1991, 374).

Für einen solchen Plan reichen jedoch die einseitigen Absichten oder allein die Vorstellungen des grundstückseinbringenden Gesellschafters nicht aus; vielmehr bedarf es insoweit einer Einbindung auch der Gesamthand bzw. der Gesamthänder durch Vereinbarungen oder sonstige Absprachen. Auf die mit der Grundstückseinbringung verfolgten (wirtschaftlichen) Ziele oder die sonstigen Absichten, insbesondere darauf, ob der Einbringungsvorgang und das (zeitnahe) Ausscheiden des einbringenden Gesamthänders nach den subjektiven Vorstellungen der Beteiligten wirtschaftlich einem Gesamtplan entsprechen, mit dem die Beteiligten auf die Erlangung der Steuervergünstigung abzielen, kommt es - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht an.

Dem tatsächlichen Vollzug eines solchen Plans, d. h. dem tatsächlichen Ausscheiden bzw. der tatsächlichen Verringerung der Beteiligung des grundstückseinbringenden Gesellschafters kommt keine eigene tatbestandsbegründende Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 10. Juli 1996 II R 33/94, BFHE 180, 251, BStBl II 1996, 533). Nach dem Einbringungsvorgang eintretende Ereignisse haben allerdings indizielle Bedeutung für die Vorstellungen und Absichten (den Plan) der Beteiligten im Einbringungszeitpunkt.

Gibt der grundstückseinbringende Gesamthänder nach der Grundstückseinbringung unter Zurücklassen des Grundstücks in der Gesamthand innerhalb eines Zeitraums, in dem die mit dem Grundeigentum verbundenen wirtschaftlichen Risiken und Chancen regelmäßig weder verwirklicht noch üblicherweise von den Beteiligten auch nur wertmäßig ermittelt werden, seine Beteiligung auf bzw. verringert sich diese innerhalb eines solchen Zeitraums, besteht eine tatsächliche (widerlegbare) Vermutung, daß das Ausscheiden bzw. die Verringerung der Beteiligung auf einem bereits im Einbringungszeitpunkt vorhandenen Plan im o. g. Sinne beruhte. Diese Vermutung kann der Steuerpflichtige dadurch widerlegen, daß er Tatsachen nachweist, die einen anderen Geschehensablauf möglich erscheinen lassen.

2. Im Streitfall hat das FG nur Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang im Zeitpunkt der Grundstückseinbringung bei der X-AG konkrete Planungen für eine Umstrukturierung des Gesamtkonzerns bestanden und in diesem Zusammenhang beabsichtigt war, die Beteiligung an der Klägerin kurz nach der Einbringung aufzugeben. Nicht geprüft hat das FG hingegen, ob die Klägerin selbst bzw. die Y-AG als einzige Mitgesellschafterin der X-AG in diese Planungen einbezogen worden waren und Vereinbarungen bzw. Absprachen hinsichtlich des baldigen Ausscheidens der X-AG bestanden.

Dies wird das FG im zweiten Rechtsgang nachzuholen und dabei zu beachten haben, daß der Umstand des tatsächlichen zeitnahen Ausscheidens der X-AG zwar die tatsächliche Vermutung rechtfertigt, bereits im Zeitpunkt der Grundstückseinbringung habe zwischen den Beteiligten (X-AG, Y-AG bzw. der Klägerin) ein gemeinsamer Plan hinsichtlich des baldigen Ausscheidens der X-AG bestanden, daß aber der Klägerin Gelegenheit zu geben ist, diese Vermutung zu widerlegen.

Die kapitalmäßige Beteiligung der X-AG an der Z-AG (100 v. H. Tochter der X-AG) führt - entgegen der Auffassung der Klägerin - zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Der Senat hat zwar in seinem Urteil vom 24. September 1985 II R 65/83 (BFHE 144, 473, BStBl II 1985, 714) entschieden, es sei im Bereich der besonderen grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung nicht entscheidend, wer unmittelbar dinglich Beteiligter am Vermögen einer Gesamthand sei, sondern wem dieses Vermögen nach Maßgabe des Gesetzes zuzuordnen sei. Danach reicht es für die Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 aus, wenn der Grundstückseinbringende über eine mittelbare Gesamthandsberechtigung, d. h. über eine von einer anderen Gesamthand, - an der er als Gesamthänder beteiligt ist -, vermittelte gesamthänderische Mitberechtigung weiterhin am Grundstückswert beteiligt bleibt. Diese Voraussetzungen liegen aber im Streitfall deshalb nicht vor, weil es sich bei der Z-AG um eine Kapitalgesellschaft (AG) handelt, für die die besonderen grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnungsregeln der §§ 5 und 6 GrEStG 1983 nicht gelten. Die weitergehenden wirtschaftlichen Überlegungen, die im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG 1983 bei der teils mittelbaren teils unmittelbaren Anteilsvereinigung eine Rolle spielen, sind auf den Streitfall, der den Grundtatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 sowie die Frage der Steuervergünstigung nach § 5 Abs. 2 GrEStG 1983 betrifft, nicht übertragbar.