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  BFH-Urteil vom 26.6.1996 (XI R 43/90) BStBl. 1997 II S. 98

Bei der Veräußerung eines Grundstücks kann der Verzicht auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 i. V. m. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 auf einen abgrenzbaren Teil beschränkt werden.

UStG 1980 § 9, § 4 Nr. 9 Buchst. a.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1990, 202)

Sachverhalt

I.

1. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) verkaufte im Streitjahr 1983 einen Gebäudekomplex an die R. Er umfaßte Wohneinheiten für Senioren und Ladeneinrichtungen, zum anderen einen Freizeitbereich im ersten und zweiten Untergeschoß. Dieser Freizeitbereich, der aus Wellen- und Massagebad, Sauna, Massageräumen, Solarien und Restauration bestand, war gesondert an die W verpachtet. Gemäß § 7 des Kaufvertrages optierte die Klägerin für den Verkauf dieses Bereichs zur Umsatzsteuer.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hat die W als Pächterin "den Freizeitbereich 1980/81 umgebaut und 1983 bewegliche Einrichtungsgegenstände an die Klägerin geliefert, der in diesem Zusammenhang Vorsteuern entstanden".

Diese Vorsteuer machte die Klägerin im Streitjahr 1983 geltend. Sie wurde vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) nicht anerkannt.

2. Die Klage hatte Erfolg.

Das FG entschied, die Klägerin sei berechtigt gewesen, allein den Verkauf des ersten und zweiten Untergeschoßes des Gebäudekomplexes gemäß § 9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) i. V. m. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 mit der Folge als steuerpflichtig zu behandeln, daß ihr insoweit der geltend gemachte Vorsteuerabzug zustehe. Eine Aufteilung von Gebäuden nach räumlichen Bereichen sei möglich, da es wie im Streitfall Gebäude mit unterschiedlichen Nutzungsarten gebe. Dem stehe nicht entgegen, daß die Verfügungsmacht für die beiden streitbefangenen Geschoße nicht getrennt, sondern mit dem gesamten Grundstück auf die Erwerberin übergegangen sei. Die Klägerin hätte nämlich zuvor auch eine Aufteilung in Teileigentum vornehmen können. Diese Aufteilung tatsächlich zu fordern, sei überspitzt. Im einzelnen wird auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte 1990, 202 abgedruckten Entscheidungsgründe verwiesen.

3. Mit seiner Revision hat das FA die Verletzung von § 9 Satz 1 UStG 1980 (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) gerügt.

Der Gegenstand der Lieferung könne nicht in Grundstücke und aufstehende Gebäude, diese wiederum nicht in einzelne Stockwerke aufgeteilt werden. Dem stehe der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung entgegen. Es sei zivilrechtlich nicht möglich, an Grundstücken und Gebäuden jeweils gesondert Verfügungmacht zu verschaffen. Dem folge auch die umsatzsteuerliche Behandlung. Gegenstand des Kaufvertrags sei im Streitfall das bezeichnete Grundstück.

Das FG habe zudem unterlassen zu ermitteln, ob die von der Klägerin vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises, der im Streitfall als Gesamtkaufpreis ausgewiesen gewesen sei, den tatsächlichen Wertverhältnissen entsprochen habe. Dies sei als materiell-rechtlicher Fehler zu rügen.

In der mündlichen Verhandlung hat das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Dem Grundsatz der "Einheitlichkeit der Leistung", der im Gesetz nicht normiert sei, stehe auch im Umsatzsteuerrecht das Gebot der wirtschaftlichen Betrachtungsweise entgegen. Sie führe zu verschiedenen Leistungsgegenständen, wie dies bei einer vorherigen Aufteilung in Teileigentum der Fall sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zwar hat das FG bei der Veräußerung des Grundstücks im Streitfall zu Recht den teilweisen Verzicht auf die Steuerbefreiung für zulässig erachtet. Seine Feststellungen tragen aber nicht die Entscheidung über die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Vorsteuerbeträge im Streitjahr.

1. Gemäß § 9 Satz 1 UStG 1980 (in der für das Streitjahr geltenden Fassung) kann ein Unternehmer u. a. einen unter das Grunderwerbsteuergesetz fallenden, gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 steuerfreien Umsatz als steuerpflichtig behandeln, wenn dieser an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Zwar geht diese Vorschrift von einer einheitlichen Behandlung des jeweiligen Umsatzes aus. Nach Auffassung des Senats schließt dies aber nicht aus, im Falle der Veräußerung eines Grundstücks zum Zwecke der Ausübung der Option das Grundstück aufzuteilen.

Hiervon ging die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bereits für die Anwendung des § 15 UStG 1967 und des § 9 UStG 1967 im Falle der gemischten Nutzung eines angeschafften Gebäudes aus. Eine Aufteilung in eine für das Unternehmen bezogene und eine nicht für das Unternehmen bezogene Einheit kam in Betracht, wenn ein Teil der Räume nur unternehmerischen Zwecken und der andere Teil nur unternehmensfremden Zwecken (z. B. als Wohnung) diente (BFH-Urteile vom 11. Dezember 1986 V R 57/76, BFHE 148, 361, BStBl II 1987, 233; vom 18. Dezember 1986 V R 176/75, BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350; vom 20. Juli 1988 X R 6/80, BFHE 154, 252, BStBl II 1988, 915). Nicht nur bei der Lieferung vertretbarer Sachen, sondern auch bei sonstigen aufteilbaren Leistungen seien die Rechtswirkungen der Option auf Leistungen für unternehmerische Zwecke des Abnehmers begrenzbar. Auch Vermietungsleistungen seien so für Zwecke der Anwendung des § 9 UStG rechtlich teilbar, denn die Vermietung von Gebäuden sei in eine Vermietung von Einzelräumen trennbar. Dem stehe auch nicht entgegen, daß ein einheitliches Entgelt vereinbart worden sei.

Diese Teilbarkeit ist nach Auffassung des Senats nicht nur im Falle der Vermietung, sondern auch der Veräußerung eines gemischt genutzten Grundstücks gegeben. Dem steht die zivilrechtlich einheitliche Behandlung eines Grundstücks im Falle seiner Veräußerung nicht entgegen. Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) mit Urteil vom 4. Oktober 1995 Rs. C 291/92 (BStBl II 1996, 392, Der Betrieb - DB - 1995, 2352, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1995, 485) entschieden hat, handelt ein Steuerpflichtiger beim Verkauf eines Gegenstandes (Grundstücks), von dem er einen Teil seiner privaten Nutzung vorbehalten hatte, hinsichtlich dieses Teils nicht als Steuerpflichtiger i. S. von Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Ein Umsatz, den der Steuerpflichtige mit einem Gebäudeteil für private Zwecke ausführe, unterliege daher nicht der Mehrwertsteuer. Dem stehe nicht entgegen, daß das Grundstück nach deutschem Zivilrecht einen einzigen Gegenstand darstelle und als solcher ins Grundbuch eingetragen sei. Denn von Bestimmungen nationalen Zivilrechts könne eine einheitliche Definition der steuerbaren Umsätze nicht abhängen.

In diesen Fällen steht es im Belieben des Steuerpflichtigen, lediglich für den Teil der Leistung, den er als Unternehmer erbringt, zur Steuerpflicht zu optieren. Da die zivilrechtliche Beurteilung der Veräußerung eines Grundstücks nach den Grundsätzen des EuGH für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung nicht entscheidend ist, kann sie aber auch nicht hindern, die Aufteilung eines Umsatzes und einen teilweisen Verzicht auf die Steuerbefreiung für möglich zu halten, wenn ein Grundstück veräußert wird, das insgesamt dem Unternehmensvermögen zugeordnet worden ist. Diese Auffassung wird auch in der Literatur vielfach geteilt (vgl. Stadie in Vogel/Reinisch/Hoffmann/Schwarz, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 9 Anm. 14; Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz, 10. Aufl., § 9 Anm. 76; Bunjes/Geist, Umsatzsteuergesetz, 4. Aufl., § 9 Anm. 10; Ammann, DB 1979, 2102; Widmann, UR 1987, 198; ders. DB 1995, 2341; Völkel, UR 1987, 189; vgl. auch FG Münster, Urteil vom 9. März 1989 V III 6656/88 U, UR 1990, 348; a. A. FG Köln, Urteil vom 24. März 1987 5 K 9/86, UR 1988, 286; Oberfinanzdirektion Düsseldorf, Verfügung vom 28. Februar 1989 S 7100 A - St 142, UR 1989, 358; Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, 7. Aufl., § 9 Anm. 25; Giesberts, UR 1987, 93).

Diese Möglichkeit zur teilweisen Ausübung des Optionsrechts steht im Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinie 77/388/EWG. Dort ist in Art. 13 Teil C Satz 1 bestimmt, daß die Mitgliedstaaten ihren Steuerpflichtigen das Recht einräumen können, für eine Besteuerung u. a. bei den Umsätzen nach Teil B Buchst. g - also Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen mit dem dazugehörigen Grund und Boden - zu optieren. Zwar können die Mitgliedstaaten den Umfang des Optionsrechts einschränken und die Modalitäten seiner Ausübung bestimmen (Art. 13 Teil C Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG). § 9 Satz 1 UStG 1980 schließt aber, wie ausgeführt, die Möglichkeit nicht aus, die Option auf die Lieferung bestimmter Gebäudeteile zu begrenzen.

Eine Teiloption kommt insbesondere bei unterschiedlichen Nutzungsarten, wie im Streitfall, in Betracht. Unter Zugrundelegung unterschiedlicher wirtschaftlicher Funktionen hält der Senat auch eine Aufteilung nach räumlichen Gesichtspunkten (nicht dagegen eine bloße quotale Aufteilung) für möglich, wie es auch bei der Bildung von Teileigentum der Fall wäre.

2. Die Feststellungen des FG lassen keine Entscheidung darüber zu, ob der Klägerin der begehrte Vorsteuerabzug aufgrund der von der W durchgeführten Umbaumaßnahme an dem der R übertragenen Grundstücksteil (Freizeitanlage) im Streitjahr 1983 zusteht. Das FG hat lediglich festgestellt, daß der Umbau des Gebäudes durch die W bereits in den Jahren 1980 und 1981 erfolgt ist; im Streitjahr 1983 sollen lediglich bewegliche Einrichtungsgegenstände an die Klägerin geliefert worden sein. Feststellungen hinsichtlich einer Rechnungserteilung durch die W und deren Zeitpunkt sind nicht ersichtlich. Soweit die Klägerin erworbene Betriebsvorrichtungen an die R weitergeliefert haben sollte, bedurfte es keines Verzichts auf die Steuerbefreiung.

3. Im übrigen hat das FG auch keine Feststellungen zur Höhe des seitens der Klägerin der R in Rechnung gestellten Kaufpreises als Entgelt für die Lieferung der Freizeitanlage getroffen, das der Besteuerung dieses steuerpflichtigen Teils des Umsatzes zugrundezulegen wäre. Der Kaufvertrag enthält nur ein Gesamtentgelt für die Veräußerung des gesamten Gebäudekomplexes.

4. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann. Es wird danach über den Zeitpunkt und die Höhe des von der Klägerin beanspruchten Vorsteuerabzugs erneut zu entscheiden haben.