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  BFH-Urteil vom 28.3.1995 (IX R 126/89) BStBl. 1997 II S. 121

Überträgt eine Steuerpflichtige ihren Miteigentumsanteil an einem vermieteten Wohngrundstück auf ihren Sohn und erzielt sie daraus aufgrund eines vorbehaltenen schuldrechtlichen Nutzungsrechts weiterhin Mieteinkünfte, so kann sie für diesen Miteigentumsanteil AfA bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abziehen (Anschluß an den Beschluß des Großen Senats vom 30. Januar 1995 GrS 4/92, BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281).

EStG § 7 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) übertrug 1972 ihren Miteigentumsanteil von 3/4 an dem bebauten Grundstück A-Straße in O auf ihren Sohn. Nach dem notariellen Vertrag sollte für die Klägerin ein lebenslängliches "Nießbrauchsrecht" bestellt werden, das jedoch nicht dinglich gesichert werden sollte. Weiterhin schloß die Klägerin als Vertreterin ihres Sohnes Verträge über den Kauf des bebauten Grundstücks B-Straße sowie der Eigentumswohnung C-Straße, beide in O. Sie beglich den Kaufpreis und die Nebenkosten der Anschaffung. Der Sohn wurde als Eigentümer im Grundbuch eingetragen. Gleichzeitig wurde für die Klägerin jeweils ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht eingetragen.

Die Klägerin erzielte aus der Vermietung der drei Objekte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Bei der Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre (1982 und 1984) machte sie hierfür erfolglos Absetzungen für Abnutzung (AfA) als Werbungskosten geltend. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klage statt und gewährte der Klägerin AfA in der jeweils unstreitigen Höhe.

Mit der Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) Verletzung des § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat zutreffend bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung AfA für das Objekt A-Straße als Werbungskosten abzogen.

Zur Vornahme von AfA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i. V. m. § 7 Abs. 4 EStG ist grundsätzlich befugt, wer den Tatbestand der Vermietung nach § 21 Abs. 1 EStG verwirklicht und die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Gebäudes getragen hat. Es ist nicht erforderlich, daß der Steuerpflichtige bürgerlich-rechtlicher oder wirtschaftlicher Eigentümer ist (Senatsurteile vom 23. Oktober 1984 IX R 48/80, BFHE 143, 313, BStBl II 1985, 453; vom 24. April 1990 IX R 9/86, BFHE 160, 522, BStBl II 1990, 888; vom 15. Mai 1990 IX R 21/86, BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67).

Nach der Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. Januar 1995 GrS 4/92 (BFHE 176, 267 unter C III. der Gründe) folgt aus dem allen Einkunftsarten zugrundeliegenden Nettoprinzip, daß ein Steuerpflichtiger zur eigenen Einkunftserzielung getätigte Aufwendungen auch dann abziehen kann, wenn und soweit er diese Aufwendungen für in fremdem Eigentum stehende Wirtschaftsgüter leistet. Dies gilt auch hinsichtlich noch nicht verbrauchten eigenen Aufwands, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut, auf welches er die Aufwendungen getätigt hatte, zwar auf einen Dritten übertragen hatte, er aber dieses Wirtschaftsgut weiterhin für Zwecke der eigenen Einkunftserzielung nutzen darf.

Nach diesen Grundsätzen kann die Klägerin, wie das FG zutreffend entschieden hat, bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung AfA für den auf ihren Sohn übertragenen Miteigentumsanteil an dem Gebäude A-Straße als Werbungskosten abziehen. Sie hatte ursprünglich die Anschaffungskosten für dieses Objekt getragen und durfte es nach der Übereignung auf ihren Sohn aufgrund des vorbehaltenen schuldrechtlichen Nutzungsrechts weiterhin im eigenen Namen und für eigene Rechnung vermieten. Daß das Nutzungsrecht nicht im Grundbuch eingetragen war, ist unerheblich.

2. Zutreffend hat das FG auch die AfA für die Objekte B-Straße und C-Straße abgezogen. Nach dem Senatsurteil in BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67 ist einem zur Inanspruchnahme von AfA berechtigten Vorbehaltsnießbraucher ein Schenker gleichzustellen, der mit seinen Mitteln einem zu Beschenkenden den Kauf eines von ihm, dem Schenker, im voraus bestimmten Grundstücks ermöglicht, sich bei der Schenkung ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück vorbehält und anschließend aufgrund seines Nutzungsrechts Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Ein solcher Schenker ist mit demjenigen vergleichbar, der ein Grundstück zunächst zu Eigentum erwirbt, um es sodann seinerseits auf den zu Beschenkenden unter Vorbehalt eines Nießbrauchs weiterzuübertragen (BFH in BFHE 162, 26, BStBl II 1992, 67). Im Streitfall liegt eine solche mittelbare Grundstücksschenkung vor. Die Klägerin erwarb als Generalbevollmächtigte ihres Sohnes für diesen die Mietobjekte B-Straße und C-Straße und entrichtete den Kaufpreis aus eigenen Mitteln an den jeweiligen Verkäufer. Sie wandte ihrem Sohn nicht etwa einen Geldbetrag zu, damit dieser Grundstücke nach seiner Wahl erwerbe. Sie erwarb vielmehr gezielt die beiden Objekte.