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  BFH-Urteil vom 12.8.1996 (VI R 27/96) BStBl. 1997 II S. 143

Beiträge für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers werden nicht aus "seinem ersten Dienstverhältnis" bezogen und dürfen nicht pauschal versteuert werden, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerklasse VI vorgelegt hat.

EStG § 38b Satz 2 Nr. 6, § 40b Abs. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1996, 857)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) versteuerte die Beiträge für die betriebliche Altersversorgung eines Arbeitnehmers, der zugleich Versorgungsempfänger des Bundes war, pauschal mit 15 v. H. Der Arbeitnehmer hatte dem Bund eine Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerklasse III und der Klägerin eine solche mit der Lohnsteuerklasse VI vorgelegt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat im Anschluß an eine Lohnsteueraußenprüfung die Ansicht, daß das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin kein erstes Dienstverhältnis i. S. des § 40b Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und mithin die Pauschalierung der Lohnsteuer unzulässig sei. Er erließ einen entsprechenden Haftungsbescheid über die konkret auf die Beiträge entfallende Lohnsteuer.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage gegen den Haftungsbescheid über Lohnsteuer für die Jahre 1992 bis 1994 als unbegründet ab. Es entschied in Übereinstimmung mit der in Abschn. 129 Abs. 7 Satz 1 Halbsatz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) 1993 getroffenen Regelung, daß die Lohnsteuerpauschalierung bei Arbeitnehmern mit der Steuerklasse VI nicht anwendbar sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 857 veröffentlicht.

Die Klägerin rügt mit der Revision eine Verletzung des § 40b EStG. Sie meint, bei Vorliegen einer Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerklasse VI habe in besonders gelagerten Einzelfällen eine materielle Prüfung dahingehend zu erfolgen, ob es sich hierbei um das erste oder zweite Dienstverhältnis handele. Die Regelung in den LStR lasse unberücksichtigt, daß der Arbeitnehmer auch unterjährig einen Wechsel der Lohnsteuerkarten mit den unterschiedlichen Lohnsteuerklassen in den verschiedenen Dienstverhältnissen vornehmen könne.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40b Abs. 1 EStG nicht zulässig war. Beiträge für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers werden nicht aus "seinem ersten Dienstverhältnis bezogen" (§ 40b Abs. 2 Satz 1 EStG), wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerklasse VI vorgelegt hat.

1. Nach § 40b Abs. 1 EStG in der für die Streitjahre 1992 bis 1994 gültigen Fassung kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer von den Beiträgen für eine Direktversicherung des Arbeitnehmers und von den Zuwendungen an eine Pensionskasse mit einem Pauschsteuersatz von 15 v. H. der Beiträge und Zuwendungen erheben. Nach § 40b Abs. 2 Satz 1 EStG gilt Absatz 1 nicht, soweit die zu besteuernden Beiträge für und Zuwendungen an den Arbeitnehmer "nicht aus seinem ersten Dienstverhältnis bezogen werden".

Das EStG enthält weder in § 40b noch sonst eine ausdrückliche Definition des ersten Dienstverhältnisses. Es wird jedoch der Begriff des zweiten und weiteren Dienstverhältnisses verwendet. Nach § 38b Satz 2 Nr. 6 EStG - der wie § 40b EStG im 2. Teil des VI. Abschnitts des EStG steht - gilt die Steuerklasse VI bei Arbeitnehmern, die nebeneinander von mehreren Arbeitgebern Arbeitslohn beziehen, für die Einbehaltung der Lohnsteuer vom Arbeitslohn aus dem zweiten und weiteren Dienstverhältnis. Angesichts dieser Bedeutung, die der Gesetzgeber der Lohnsteuerklasse VI beigemessen hat, teilt der Senat die Auffassung der Vorinstanz, daß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber durch die Vorlage der Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerklasse VI kundgetan hat, daß dieses Dienstverhältnis für Zwecke der Lohnsteuererhebung sein zweites oder weiteres und mithin jedenfalls nicht sein erstes sein soll. Diese Ausübung seines Bestimmungsrechts durch den Arbeitnehmer ist für den Arbeitgeber mit der Folge bindend, daß eine Pauschalierung der Lohnsteuer für die Beiträge aus diesem Dienstverhältnis nach § 40b EStG nicht zulässig ist. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum - teilweise unter Hinweis auf das rechtskräftige Urteil des FG des Saarlandes vom 27. August 1991 1 K 157/91 (EFG 1992, 296) - vertreten (vgl. z. B. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 40b Rz. 7; Barein in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 40b EStG Rz. 32; Blümich/Ahrend/Förster/Rössler, Einkommensteuergesetz, § 40b Rz. 10; Küttner/Huber, Personalbuch 1996, Lohnsteuerpauschalierung, Rz. 41; Hartz/Meessen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, "Pauschalierung der Lohnsteuer" Rz. 253).

2. Diese Ansicht steht nicht im Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung zu § 40b EStG. Mit Urteil vom 8. Dezember 1989 VI R 165/86 (BFHE 159, 336, BStBl II 1990, 398) hat der Senat entschieden, daß die Vorlage einer Lohnsteuerkarte mit den Steuerklassen I bis V nicht materielle Voraussetzung für die Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40b EStG ist. Deshalb können Zukunftssicherungsleistungen auch im Rahmen eines Teilzeitarbeitsverhältnisses i. S. des § 40a EStG (Pauschalversteuerung unter Verzicht auf die Vorlage einer Lohnsteuerkarte) pauschal nach § 40b EStG versteuert werden. Der Arbeitgeber trägt aber das Haftungsrisiko, wenn dieses Teilzeitarbeitsverhältnis nicht das einzige des Arbeitnehmers ist und damit nicht als erstes Dienstverhältnis i. S. des § 40b EStG qualifiziert werden kann.

Die zutreffende Aussage, daß die Vorlage einer Lohnsteuerkarte mit den Lohnsteuerklassen I bis V nicht materielle Voraussetzung für die Pauschalversteuerung nach § 40b EStG ist, rechtfertigt jedoch entgegen der Auffassung der Revision nicht den Umkehrschluß, daß die Pauschalierung der Lohnsteuer nach dieser Vorschrift auch dann erlaubt bleibt, wenn der Arbeitnehmer - wie im Streitfall - tatsächlich eine Lohnsteuerkarte mit der Lohnsteuerklasse VI vorgelegt hat und Einnahmen aus einem weiteren - gegenwärtigen oder früheren - Dienstverhältnis bezieht. Denn in diesem Fall hat der Arbeitnehmer durch die Wahl der Lohnsteuerklasse von seinem Bestimmungsrecht, welches "sein erstes Dienstverhältnis" für die Erhebung der Lohnsteuer sein soll, Gebrauch gemacht. Daran ist der Arbeitgeber gebunden.

Bei der Entscheidung, ob ein bestimmtes Dienstverhältnis das erste des Arbeitnehmers ist, kann keine Rolle spielen, ob der Arbeitnehmer aus dem anderen Dienstverhältnis, in dem er steht, ebenfalls tatsächlich Zukunftssicherungsleistungen erhält oder seiner Art nach gar nicht erhalten kann. Denn darauf hat der Gesetzgeber nicht abgestellt. Anderenfalls hätte er bestimmen müssen, daß bei zwei bestehenden Dienstverhältnissen dasjenige, in dem der Arbeitgeber tatsächlich Zukunftssicherungsleistungen erbringt, dann als das erste gilt, wenn in dem anderen Dienstverhältnis keine Zukunftssicherungsleistungen erbracht werden oder erbracht werden können. Dies hat der Gesetzgeber im Interesse der Praktikabilität der Rechtsanwendung aber nicht getan; statt dessen hat er die Pauschalierung nur im "ersten Dienstverhältnis" zugelassen und in § 38b Satz 2 Nr. 6 EStG bestimmt, wann bei der Einbehaltung von Lohnsteuer vom Arbeitslohn von einem zweiten oder weiteren Dienstverhältnis auszugehen ist.