| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Urteil vom 1.8.1996 (V R 58/94) BStBl. 1997 II S. 160

1. Bei Pauschalreisen mit Kabinenschiffen auf Binnenwasserstraßen sind Unterbringung und Verpflegung Nebenleistungen zur Personenbeförderung.

2. Die Mannheimer Rheinschiffahrtsakte steht der Besteuerung von Umsätzen durch Personenbeförderung auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen nicht entgegen.

UStG 1980 § 3a Abs. 2 Nr. 2; Mannheimer Rheinschiffahrtsakte Art. 3.

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1995, 403)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ein in den Niederlanden ansässiges Reisebüro, hatte Pauschalreisen einschließlich Vollpension mit einem Kabinenschiff auf dem Rhein und der Mosel von einem Reiseunternehmer in Köln "eingekauft" und an andere Reiseunternehmer "verkauft".

Die Klägerin hatte ihre Leistungen als dem Abzugsverfahren unterliegende Umsätze angesehen und sie nach der sog. Nullregelung (§ 52 Abs. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV - 1980) abgerechnet. Ihre Anträge auf Vergütung von Vorsteuerbeträgen hatte das Bundesamt für Finanzen und - auf einen erneuten Antrag - der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) mit der Begründung abgelehnt, sie erbringe Lieferungen bzw. führe Beförderungsleistungen an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Leistungsempfänger (§ 25 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes - UStG 1980 -) aus.

Das FA vertrat die Auffassung, die Klägerin habe dem regelmäßigen Besteuerungsverfahren unterliegende Umsätze durch Personenbeförderung auf dem Rhein und der Mosel ausgeführt. Unterbringung und Verpflegung der Reisenden teilten als Nebenleistungen das rechtliche Schicksal der Beförderungsleistung. Es besteuerte diese Leistungen in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden für 1989 und 1990 vom 19. Februar 1993 mit dem ermäßigten Steuersatz.

Den Einspruch der Klägerin wies das FA zurück, weil das Abzugsverfahren für Personenbeförderungsumsätze nicht anzuwenden sei (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 UStDV 1980).

Auf die Klage hob das Finanzgericht (FG) die angefochtenen Steuerfestsetzungen insoweit auf, "als darin die Nullregelung gemäß § 52 Abs. 2 UStDV nicht berücksichtigt worden" sei. Es übertrug dem FA die Neuberechnung der Steuer. Das FG nahm an, daß die Klägerin umsatzsteuerrechtlich keine Leistungen durch Personenbeförderung ausgeführt, sondern eine "Erlebnisreise mit Gesamtservice" bewirkt und daß sie dafür die Nullregelung zu Recht beansprucht habe.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von Verfahrensrecht und unrichtige Anwendung sämtlichen Rechts. Zur Begründung führt es u. a. aus, das FG habe der Klägerin, die beantragt habe, die Umsatzsteuer für die Streitjahre auf 0 DM festzusetzen, unter Verstoß gegen § 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mehr zugesprochen, als diese beantragt habe. Nach dem angefochtenen Urteil ergebe sich für jedes Streitjahr eine negative Umsatzsteuer. Unzutreffend sei die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Leistungen der Klägerin als "schwimmendes Hotel" mit Beförderung als Nebenleistung. Vielmehr seien die Unterbringung und Verpflegung als Nebenleistung zur Personenbeförderung anzusehen.

Das FA beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung. Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Das FG, das durch Einzelrichter entschieden hat, hat sich im Tatbestand seiner Entscheidung darauf beschränkt, mehrere Seiten aus einem Bericht über eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin und aus der Entscheidung über den Einspruch der Klägerin gegen die angefochtenen Steuerbescheide einzurücken. Es ist nicht erkennbar, welche der darin geschilderten Tatsachen es selbst ermittelt und welche Tatsachen es sich als Feststellungen zu eigen gemacht hat. Der Senat geht aber unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe davon aus, daß das FG mindestens die vorstehend zu I. geschilderten Feststellungen getroffen hat. Der in Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 403 veröffentlichte Sachverhalt ist eine Bearbeitung des in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils enthaltenen Tatbestands und entspricht nicht dem Originalurteilstext.

III.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG die Leistungen der Klägerin unzutreffend als "Erlebnisreise mit Gesamtservice" oder als "Bereitstellung eines schwimmenden Hotels" beurteilt hat. Der Senat vermag aufgrund der unzureichenden Feststellungen jedoch nicht abschließend zu entscheiden, ob die Klägerin Beförderungsleistungen und weitere selbständige Leistungen oder ob sie Leistungen durch Abtretung von Ansprüchen auf Beförderung, Unterbringung und Verpflegung erbracht hat, ob sie diese Leistungen im Erhebungsgebiet erbracht hat und ob dafür in den Streitjahren das Abzugsverfahren ausgeschlossen war.

1. Die Vorentscheidung war allerdings nicht schon deswegen aufzuheben, weil das FG die Klage wegen fehlender Klagebefugnis (§ 40 Abs. 2 FGO) als unzulässig hätte abweisen müssen. Die Klägerin hatte im Klageverfahren schlüssig geltend gemacht, durch die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide in ihrem Recht auf gesetzmäßige Besteuerung verletzt worden zu sein. Sie hatte Umsatzsteuerbescheide mit negativer Steuerfestsetzung angefochten und formell beantragt, "eine Festsetzung der Umsatzsteuer in Höhe von DM 0,--" vorzunehmen. Bei einer ihrem Anliegen entsprechenden Auslegung (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) des Klagebegehrens, für die die Begründung ihrer Klage und nicht der davon abweichende Wortlaut ihres Antrags maßgebend ist, hat sie damit die Ansicht vertreten, die bezeichneten Leistungen dürften nicht besteuert werden, weil sie im Erhebungsgebiet nicht steuerbar gewesen seien bzw. Umsatzsteuer wegen der Anwendbarkeit des Abzugsverfahrens nicht im regelmäßigen Besteuerungsverfahren gegen sie habe festgesetzt werden dürfen. Sie hat damit schlüssig geltend gemacht, die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide seien rechtswidrig, weil die festgesetzte, aufgrund der abziehbaren Vorsteuerbeträge negative Umsatzsteuer im Umfang der Steuer für die streitbefangenen Leistungen zu niedrig sei.

2. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG die Leistungen der Klägerin umsatzsteuerrechtlich unzutreffend beurteilt hat (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 3a Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980). Nach den unter I. angenommenen Feststellungen hat die Klägerin Reisen mit einem Kabinenschiff auf dem Rhein und der Mosel von einem Reiseunternehmer "eingekauft" und an andere Reiseunternehmer "verkauft". Diese Feststellungen können zum Inhalt haben, daß die Klägerin Umsätze durch Personenbeförderung und durch Verpflegungs- und Übernachtungsleistungen als Nebenleistungen ausgeführt hat, wenn sie selbst verpflichtet war, diese Leistungen zu erbringen und sie dies mit Hilfe von Subunternehmern als Erfüllungsgehilfen verwirklichte, die ihr die gleichen Leistungen schuldeten. Es ist aber nicht ausgeschlossen, daß sie nur Ansprüche auf Ausführung der bezeichneten Leistungen durch die Leistungsträger (Beförderungs- und Bewirtschaftungsunternehmer auf dem Schiff) erworben und gegen Entgelt an ihre Leistungsempfänger abgetreten hat. Schließlich kann die Klägerin auch einzelne der bezeichneten Leistungen (mit Hilfe von Erfüllungsgehilfen) selbst ausgeführt und Ansprüche gegen Leistungsempfänger auf Erfüllung anderer Ansprüche abgetreten haben. Außerdem ist nach den Feststellungen des FG nicht ausgeschlossen, daß noch weitere als die erwähnten Leistungen (z. B. Landausflüge) von der Klägerin ausgeführt oder Ansprüche darauf abgetreten worden sind.

a) Es erscheint nach den angenommenen Feststellungen möglich, daß sich die Klägerin zur Durchführung mehrtägiger Pauschalreisen mit Kabinenschiffen auf dem Rhein und der Mosel verpflichtet und diese mit Hilfe von Subunternehmern als Erfüllungsgehilfen auch ausgeführt hat (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. November 1975 V R 138/73, BFHE 118, 99, BStBl II 1976, 307 zu II. 2. - Reiseleistungen). Das Umsatzsteuerrecht rechnet ihr die von ihren Subunternehmern und deren Subunternehmern ausgeführten Leistungen als eigene zu. Ebenso wie bei Lieferungen kann der Unternehmer die Leistung selbst "oder in seinem Auftrag ein Dritter" an den Empfänger ausführen (vgl. § 3 Abs. 1 UStG 1980). Schließen mehrere Unternehmer über dieselbe sonstige Leistung nacheinander Umsatzgeschäfte ab und erfüllen sie diese dadurch, daß der erste Unternehmer die sonstige Leistung auftragsgemäß an den letzten Unternehmer in der Kette oder dessen Leistungsempfänger tatsächlich ausführt, so werden dadurch rechtliche Umsätze über diese sonstige Leistung zwischen den an dem jeweiligen Umsatzgeschäft Beteiligten bewirkt.

Der erste Unternehmer erbringt die sonstige Leistung an seinen Leistungsempfänger und nicht an den letzten Empfänger (vgl. für Reiseleistungen BFH-Urteil vom 16. März 1995 V R 128/92, BFHE 177, 527, BStBl II 1995, 651, unter II. 1.; BFH-Beschluß vom 21. Januar 1993 V B 95/92, BFH/NV 1994, 346, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1993, 263). Das gilt insbesondere im Beförderungsrecht, in dem bei Güterbeförderungen ein Frachtführer die Beförderungsleistung mit (mehreren) Unterfrachtführern als Erfüllungsgehilfen (§§ 431 ff. des Handelsgesetzbuchs - HGB -, § 278 BGB) ausführen und die Beförderungsleistung einem Dritten (§ 328 BGB) zuwenden kann (vgl. zum Beförderungsvertrag als Werkvertrag zugunsten Dritter, der mit Unterfrachtführern als Erfüllungsgehilfen ausgeführt werden kann, K. Schmidt, Handelsrecht, 4. Aufl., § 32 V, S. 946 ff.). Entsprechend unterscheidet das Recht der Personenbeförderung auf Binnenschiffen nach § 77 des Binnenschiffahrtsgesetzes - BSchG - i. V. m. § 664 HGB (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Aufl. 1991, § 77 BSchG Rz. 4 ff.; Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Aufl., 1992, Anlage § 664 Art. 1, Anm. A. 1., 3.) zwischen dem (vertraglich verpflichteten) Beförderer (z. B. einem Reiseveranstalter), dem ausführenden Beförderer, der die Beförderung ganz oder teilweise als Erfüllungsgehilfe erbringt, und dem Reisenden als der auf dem Schiff beförderten Person (vgl. Art. 1 Nr. 1 Buchst. a, b und Nr. 4 der Anlage zu § 664 HGB).

aa) Die Klägerin hat unter den vorbezeichneten Voraussetzungen keine Reiseleistungen nach § 25 Abs. 1 UStG 1980 erbracht, weil ihre Leistungen für das Unternehmen ihres jeweiligen Leistungsempfängers bestimmt waren. Bei Reiseleistungen nach § 25 Abs. 1 UStG 1980 wird vorausgesetzt, daß sie "nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers", somit für einen Reisenden als Nichtunternehmer bestimmt sind (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980; vgl. auch Abschn. 272 Abs. 2 Beispiel 1 der Umsatzsteuerrichtlinien - UStR - 1988/1996 für sog. Kettengeschäfte).

bb) Vielmehr sind - bei der hier abgehandelten Sachverhaltsalternative - die von der Klägerin mit Subunternehmern als Erfüllungsgehilfen bewirkten Pauschalreisen mit einem Kabinenschiff auf dem Rhein und der Mosel einschließlich Unterkunft und Verpflegung nach dem wirtschaftlichen Gehalt dieser Leistungen auf die Ausführung von Personenbeförderungsleistungen gerichtet, die durch Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen ergänzt werden.

Die Klägerin hat selbständige Leistungen durch Personenbeförderung ausgeführt, weil sie (mit Hilfe von anderen Unternehmern) Personen auf einem Schiff als Beförderungsmittel fortbewegt hat (zum Begriff von Beförderungsleistungen vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1968 V R 109/66, BFHE 92, 118, zur Beförderung auf Wasserstraßen). Die Personenbeförderungsleistungen sind gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 und 2 UStG 1980 steuerbar, soweit sie im Erhebungsgebiet bewirkt worden sind. Sie sind ab 1. Januar 1984 steuerpflichtig (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980) und unterliegen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a UStG 1980 i. d. F. von § 28 Abs. 4 UStG 1980 i. d. F. von Art. 9 Nr. 2 des Steuerentlastungsgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983, BGBl I 1983, 1583, BStBl I 1984, 14 und Art. 8 des Haushaltsbegleitgesetzes 1989 vom 20. Dezember 1988, BGBl I 1988, 2262, BStBl I 1989, 19) dem ermäßigten Steuersatz (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BFM - vom 6. März 1984, UR 1984, 91).

Eine Pauschalreise auf einem Schiff mit Verpflegung und Unterkunft wird nicht zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang verbunden, der als eine Leistung eigener Art beurteilt werden muß. Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung müssen - für sich betrachtet - selbständige bürgerlich-rechtliche Vorgänge umsatzsteuerrechtlich einheitlich betrachtet werden, wenn sie wirtschaftlich zusammengehören und als ein einheitliches Ganzes anzusehen sind. Wirtschaftlich müssen die einzelnen Leistungen so aufeinander abgestimmt sein, daß sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten und ein selbständiges Drittes (einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang) bilden (vgl. dazu BFH-Urteil vom 15. September 1994 XI 51/91, BFH/NV 1995, 553, UR 1995, 305; Steuerrechtsprechung in Karteiform, Umsatzsteuergesetz 1980, § 1 Abs. 1 Nr. 1, Rechtsspruch 71, zu 1. - Seebestattung, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Bei einer Schiffspauschalreise mit Vollpension und Verpflegung steht die Reise (Personenbeförderung) für die Beteiligten - was den Ausschlag gibt - im Vordergrund. Ziel, Dauer und Umstände der Personenbeförderung sind Anlaß und Grund für die Vereinbarung (Buchung der Reise). Der Reisende will die Fortbewegung auf dem Schiff über eine bestimmte von ihm - nach dem Angebot - ausgewählte Strecke. Er wählt die Schiffsbeförderung zwar nicht der bloßen Beförderung wegen, die er schneller mit anderen Verkehrsmitteln erlangen könnte. Für ihn ist vielmehr die Art der Schiffsbeförderung, die ihm ein besonderes Reiseerlebnis vermittelt, von entscheidungserheblicher Bedeutung. Die angenehmen, bei einer mehrtägigen Reise auf dem Schiff bereitgehaltenen Leistungen durch Verpflegung und Unterkunft verändern die Art der Leistung nicht. Die Qualität der Verpflegung und Unterbringung auf dem Schiff beeinflussen nicht die Art der Personenbeförderung, sondern nur die Umstände, unter denen sie durchgeführt wird. Ausnahmefälle, in denen der Reisende wegen der Annehmlichkeiten eines besonderen Schiffs oder wegen außergewöhnlicher Darbietungen auf einem Schiff keinen Wert auf Beförderung und die Beförderungsstrecke legt, sind im Streitfall nicht zu beurteilen.

Die Personenbeförderung durch eine Schiffsreise ist auch nicht unselbständige Nebenleistung zu den von der Klägerin ebenfalls (mit Hilfe von anderen Unternehmern) erbrachten Verpflegungs- und Übernachtungsleistungen. Vielmehr sind die Verpflegungs- und Übernachtungsleistungen Nebenleistungen zur Personenbeförderung und teilen deren rechtliches Schicksal. Wie diese Personenbeförderungsleistungen sind sie - soweit sie bei der Beförderung im Erhebungsgebiet ausgeführt worden sind - im Erhebungsgebiet steuerbar (§ 3a Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980), seit 1984 (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1980) steuerpflichtig und unterliegen dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a UStG 1980).

Mehrere Leistungen eines Unternehmers an einen Leistungsempfänger können, wenn sie nicht Teil eines wirtschaftlichen Vorgangs sind, im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung ausgeführt werden. Die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung setzt voraus (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. September 1992 V R 99/88, BFHE 169, 255, BStBl II 1993, 316 zu II. 1. b - Baubetreuung, mit Nachweisen), daß sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt, die Hauptleistung wirtschaftlich ergänzt, verbessert oder abrundet und üblicherweise mit der Hauptleistung ("in ihrem Gefolge") vorkommt.

Die Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen bei einer mehrtägigen Schiffsreise sind gegenüber den dabei ausgeführten Personenbeförderungsleistungen nebensächlich, hängen damit eng zusammen, ergänzen, verbessern oder runden sie wirtschaftlich ab und werden üblicherweise mit den Personenbeförderungsleistungen auf Kabinenschiffen verbunden. Das Kabinenschiff verfügt über die technischen Voraussetzungen, damit den Reisegästen Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen angeboten werden können. Diese Leistungen werden vertraglich mit der Flußreise verbunden und werden wegen des fahrplanmäßigen Reiseablaufs auf dem Schiff - teilweise während der Beförderung - empfangen. Insofern unterscheidet sich eine Schiffsreise wesentlich von einer Pauschalreise auf Land der Art, wie sie Gegenstand des BFH-Urteils in BFHE 118, 99, BStBl II 1976, 307 war. Die vorstehende Beurteilung von Pauschalreisen mit Kabinenschiffen auf Binnenwasserstraßen als Personenbeförderungsleistungen mit Nebenleistungen durch Unterbringung und Verpflegung entspricht der Verwaltungsauffassung (Abschn. 172 Abs. 5 UStR 1988/1996).

Nach Auffassung des Senats steht sie im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht. Gemeinschaftsrechtlich ist die Personenbeförderung auf Schiffen zu besteuern. Die in Art. 9 Abs. 2 Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) bezeichnete Beförderungsstrecke als besonderer Anknüpfungspunkt für den Ort von Beförderungsleistungen soll gewährleisten, daß jeder Mitgliedstaat Personenbeförderungsleistungen für die Teilstrecken besteuert, die in seinem Hoheitsgebiet zurückgelegt werden (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 13. März 1990 Rs. C-30/89, Slg. 1990, I-691, UR 1991, 170 zu Rdnr. 16), ungeachtet etwaiger praktischer Schwierigkeiten und der Bedeutung für das Steueraufkommen (vgl. EuGH-Urteil vom 23. Mai 1996 Rs. C-331/94, UR 1996, 222 zu Rdnr. 12). Dem entspricht die deutsche Steuerrechtspraxis, die die Personenbeförderung auf dem Rhein besteuert, soweit Streckenanteile im Erhebungsgebiet zurückgelegt werden (vgl. dazu Abschn. 35 Abs. 20 UStR 1988, Abschn. 35 Abs. 17 UStR 1992; Abschn. 42 a Abs. 17 UStR 1996).

cc) Der Besteuerung der Personenbeförderung auf dem Rhein steht vorrangiges Völkerrecht (§ 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) nicht entgegen. Art. 3 Abs. 1 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1968 - Mannheimer Akte - (in der Bekanntmachung der Neufassung des deutschen Wortlauts der in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte vom 11. März 1969, BGBl II 1969, 598, nach dem Gesetz zu dem Übereinkommen vom 20. November 1963 zur Revision der am 17. Oktober 1968 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte vom 6. Juli 1966, BGBl II 1966, 560 - MA -) lautet:

"Auf dem Rhein, seinen Nebenflüssen, soweit sie im Gebiet der vertragenden Staaten liegen, und den im Artikel 2 erwähnten Wasserstraßen darf eine Abgabe, welche sich lediglich auf die Tatsache der Beschiffung gründet, weder von den Schiffen oder deren Ladungen, noch von den Flößen erhoben werden."

Nach dem Wortlaut der Bestimmung ("Tatsache der Beschiffung") und dem Zweck der Rheinschiffahrtsakte (vgl. dazu Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl., § 23 Rz. 82, 85) soll die Schiffahrt als solche nicht durch Abgaben (z. B. Durchfahrtgebühren) behindert werden. Die Bestimmung verbietet dagegen nicht die Besteuerung der Personenbeförderung, soweit die Umsätze mit Hilfe von Schiffen auf dem Rhein ausgeführt werden.

Die Umsatzsteuer ist bei einer am Wortlaut von Art. 3 MA ausgerichteten Auslegung keine Abgabe, die sich lediglich auf die Beschiffung gründet. Der Steuertatbestand verlangt über die Beschiffung hinaus eine Beförderung gegen Entgelt, der ein Auftrag eines Leistungsempfängers zugrunde liegt. Daß der Besteuerungstatbestand der Umsatzsteuer nicht lediglich an die Tatsache der Beschiffung anknüpft, ergibt sich, wenn er trotz der Tatsache der Beschiffung aus umsatzsteuerrechtlichen Besonderheiten nicht erfüllt wird. Dies ist bei unentgeltlichen Beförderungen auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen (durch die in nicht unerheblichem Umfang ausgeführten Leerfahrten, durch kostenlose Personenbeförderung, durch Beförderung von eigenen Gütern) oder durch Beförderungen im Organverbund (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG 1980) der Fall.

Der Wortsinn von Art. 3 MA geht unter Einbeziehung der Entstehungsgeschichte der MA nicht über den Wortlaut der Vorschrift hinaus. Daß eine umsatzsteuerbefreite Personen- und Güterbeförderung auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen von den Vertragsstaaten der MA nicht vereinbart worden war, ergibt sich aus den gescheiterten Versuchen, die nach Vertragsschluß geschaffene Umsatzsteuer in den von Art. 3 MA bezeichneten Anwendungsbereich einzubeziehen. Eine insoweit in Aussicht genommene Revision durch Vereinbarung eines "Modus Vivendi" vom 4. Mai 1936, die eine Befreiung der Rheinschiffahrt von Steuern und Abgaben zum 1. Januar 1937 vorsah (vgl. Fuhrmann, Die völkerrechtlichen Grundlagen der Rheinschiffahrt, Köln 1954, S. 25), ist vom Deutschen Reich - und von anderen Vertragsstaaten - vor Inkrafttreten gekündigt worden (RGBl II 1936, 361). Entsprechenden späteren Entschließungen der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt hat die Bundesrepublik Deutschland nicht zugestimmt (vgl. dazu Pabst, Zeitschrift für Binnenschiffahrt und Wasserstraßen 1987, 17, 20), so daß sie keine Bindungswirkung erlangt haben (Art. 46 Abs. 3, 4 MA).

Der Senat folgt mit dieser Auslegung von Art. 3 MA, die seit dem Vertragsschluß insoweit nicht geändert worden ist (vgl. Revidierte Rheinschiffahrtsakte zwischen Preußen, Baden, Bayern, Frankreich, Hessen und den Niederlanden vom 17. Oktober 1868, Preußische Gesetzessammlung 1869 Nr. 7440, S. 798, 837), der Rechtsauffassung des Reichsfinanzhofs (Bescheid vom 30. Oktober 1931 und Urteil vom 21. Dezember 1931 V A 764/30, RFHE 30, 54 unter A 1. zu Art. 3 MA). Soweit Zweifel an dem Besteuerungsrecht von Beförderungsumsätzen mit Schiffen auf dem Rhein und seinen Nebenflüssen bestanden haben sollten (vgl. § 28 Abs. 2 UStG 1980 und Bericht des Finanzausschusses, Einzelbegründung zu § 4 Nr. 6 UStG 1967, BTDrucks V/1581; Eckhardt in Eckhardt/Weiss, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 6) hat sie der Gesetzgeber nicht aufrechterhalten. Er ist für § 4 Nr. 7 UStG 1980 von dem Recht ausgegangen, Personenbeförderungen mit Schiffen zu besteuern. In der Begründung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs des UStG 1980 (BTDrucks 8/1779) macht sie sich die Überzeugung des Rates und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu eigen, nach der die Rheinschiffahrtsakte die Personenbeförderung auf dem Rhein nicht verbiete (vgl. dazu Schlienkamp, UR 1977, 1, und Häfele, UR 1984, 92). Die vorgeschlagene Regelung ist insoweit unverändert Gesetz geworden.

dd) Die Steuer der Klägerin für von ihr ausgeführte Personenbeförderungsumsätze ist im regelmäßigen Steueranmeldungs- bzw. Steuerfestsetzungsverfahren festzusetzen und nicht im Abzugsverfahren (§ 18 Abs. 8 Satz 2 Nr. 4 UStG 1980, § 52 Abs. 2 UStDV 1980) zu erfassen. Die Besteuerung im Abzugsverfahren (§§ 51 ff. UStDV 1980) ist gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 UStDV 1980 nicht anzuwenden, wenn die Leistung des nicht im Erhebungsgebiet ansässigen Unternehmers in einer Personenbeförderung besteht. Die Vorschrift ist eindeutig. Dies schließt die Personenbeförderung auf Schiffen ein. Mit der Änderung des Wortlauts von § 52 Abs. 1 Nr. 1 UStDV 1991 (durch Art. 1 Nr. 29 Buchst. a der Neunten Verordnung zur Änderung der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung vom 3. Dezember 1992, BGBl I 1992, 1982, BStBl I 1993, 49) mit Wirkung zum 1. Januar 1993 ist keine Klarstellung der Bedeutung, sondern eine Inhaltsänderung verbunden worden. Dies wird durch die Begründung zu Art. 1 Nr. 29 Buchst. a (§ 52 UStDV) der bezeichneten Verordnung bestätigt, wenn dazu u. a. ausgeführt wird: "Die bisherige umfassende Ausnahme der von ausländischen Unternehmern erbrachten Personenbeförderungen vom Abzugsverfahren wird nicht beibehalten. ... Die Ausnahme der von ausländischen Unternehmern erbrachten Personenbeförderungen vom Abzugsverfahren wird daher auf die Fälle beschränkt, in denen die Beförderungsleistungen weiterhin der Beförderungseinzelbesteuerung unterliegen" (BRDrucks 633/92, S. 45, 46 zu Nr. 29 Buchst. a). Somit waren vor dem 1. Januar 1993 ausländische Unternehmer, die Personenbeförderungsleistungen mit Schiffen erbrachten, vom Abzugsverfahren ausgenommen (vgl. zur Rechtsänderung auch Widmann, UR 1992, 357, 362).

b) Falls sich bei der Feststellung des Sachverhalts im zweiten Rechtsgang ergeben sollte, daß die Klägerin nur Ansprüche gegen einen Beförderungsunternehmer und möglicherweise gegen einen Bewirtschaftungsunternehmer abgetreten hat, ist zu beurteilen, welchen wirtschaftlichen Gehalt die Abtretung hat. Ob ein und welche Art von Forderungsankauf und Forderungsverkauf in der Kette der Unternehmer vorliegt, ist für die Klägerin aufgrund der mit ihrem "Verkäufer" und der mit ihrem "Käufer" getroffenen Vereinbarung zu beurteilen.

Einen Anlaß, abschließend zu entscheiden, ob und in welchem Umfang eine sonstige Leistung durch Abtretung eines Anspruchs rechtlich anders zu beurteilen ist als die Leistung dessen, gegen den sich der Anspruch richtet, hat der Senat wegen der bisher unzureichenden Feststellungen nicht (vgl. dazu einerseits BFH-Urteil vom 25. Oktober 1990 V R 20/85, BFHE 162, 515, BStBl II 1991, 193 zu II. 1. bei Abtretung von Lieferungsansprüchen; andererseits Abschn. 272 Abs. 2 Beispiel 2 UStR 1996 für die Abtretung von Flugreiseansprüchen).

3. Der Senat kann - wie ausgeführt - nicht abschließend entscheiden. Die vorhandenen Feststellungen lassen nicht erkennen, welche Art von Leistung die Klägerin ausgeführt hat, wie die Bemessungsgrundlagen ermittelt worden sind (vgl. dazu BFH-Beschluß vom 8. Februar 1996 V R 17/93, BFHE 179, 484 - Bemessungsgrundlagen bei Personenbeförderungsumsätzen) und ob darin nicht auch Entgelte für weitere Leistungen, z. B. durch Ausflüge und Besichtigungen an Land, enthalten sind.