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  BFH-Beschluß vom 25.11.1996 (VI R 23/95) BStBl. 1997 II S. 219

Dem Großen Senat werden gemäß § 11 Abs. 4 FGO folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:

1. Ist bei Ehegatten für die AfA-Befugnis davon auszugehen, daß die auf ein häusliches Arbeitszimmer entfallenden Anschaffungs-/Herstellungskosten als von dem Nichteigentümer-Ehegatten insoweit getragen bzw. mitgetragen gelten, als er das Arbeitszimmer für seine beruflichen Zwecke unentgeltlich nutzt bzw. mitbenutzt?

2. Falls die Rechtsfrage zu 1. verneint wird:

Kann der das häusliche Arbeitszimmer unentgeltlich (mit)nutzende Nichteigentümer-Ehegatte den dem Eigentümer-Ehegatten für die berufliche Nutzung des Arbeitszimmers durch den Nichteigentümer-Ehegatten erwachsenden Aufwand für AfA als sog. Drittaufwand absetzen?

EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7, § 7 Abs. 4.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute. Sie bewohnen ein Einfamilienhaus, welches im Alleineigentum der Klägerin steht. In dem Haus befindet sich ein steuerlich anerkanntes häusliches Arbeitszimmer, welches von den beiden als Lehrer tätigen Klägern genutzt wird. Die Fläche des Arbeitszimmers umfaßt 12,6 v. H. der Wohnfläche des Hauses. Bei der Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre 1986 und 1987 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die anteilig auf das Arbeitszimmer entfallenden laufenden Kosten als Werbungskosten an und berücksichtigte jeweils die Hälfte dieses Betrages bei den Einkünften der Kläger aus nichtselbständiger Arbeit. Von der auf das Arbeitszimmer entfallenden anteiligen Absetzung für Abnutzung (AfA) setzte das FA die Hälfte als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit an. Die andere Hälfte der auf das Arbeitszimmer entfallenden AfA ließ das FA weder zum Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit noch zum Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung zu.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage, mit der die Kläger vortrugen, der Kläger trage wesentlich zum Familieneinkommen bei, er übernehme den wesentlichen Teil der Betriebskosten des Hauses und sei somit auch zum Wertverzehr zu beteiligen, mit anderen als den von den Klägern vorgetragenen Gründen statt. Es ging davon aus, daß die anteilig auf das Arbeitszimmer entfallende AfA in vollem Umfang als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit abziehbar sind. Da die Klägerin, so führte das FG aus, Alleineigentümerin des Grundstücks sei und da sie das Arbeitszimmer für ihre beruflichen Zwecke nutze, hätten die auf die Nutzungsdauer verteilten Herstellungskosten in Form der AfA der Erzielung der Einnahmen der Klägerin gedient. Der Umstand, daß der Kläger das Arbeitszimmer ebenfalls für berufliche Zwecke nutze, sei für die Frage, ob Werbungskosten der Klägerin vorlägen, ebenso unerheblich, wie die Tatsache, daß die restliche Wohnung ebenfalls vom Kläger mitbenutzt werde, keinen Einfluß darauf habe, daß die gesamte übrige AfA - soweit sie nicht auf das Arbeitszimmer entfalle - zu den Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und Verpachtung zähle.

Mit der Revision begehrt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Es ist der Auffassung, das FG sei dadurch von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen, daß es dem Eigentümer eines Wirtschaftsgutes die AfA-Befugnis auch dann in vollem Umfang zuspreche, wenn dieser einem Ehegatten das Wirtschaftsgut unentgeltlich zur Mitbenutzung überlasse. Vorliegend werde der entsprechende Teil des Wirtschaftsguts durch den Eigentümer-Ehegatten, die Klägerin, sowohl im Rahmen ihrer Einkunftserzielung als auch durch unentgeltliche Überlassung an den Kläger genutzt. Nach der Rechtsprechung des BFH seien Aufwendungen nur insoweit als Werbungskosten abziehbar, als sie durch die Erzielung eigener steuerpflichtiger Einnahmen veranlaßt seien. Dementsprechend habe der BFH entschieden, daß der Eigentümer für eine unentgeltlich überlassene Wohnung in einem Mehrfamilienhaus insoweit keine AfA geltend machen könne (Urteile vom 30. Juli 1985 VIII R 71/81, BFHE 144, 376, BStBl II 1986, 327, und vom 23. April 1985 IX R 39/81, BFHE 144, 362, BStBl II 1985, 720). Zu einer Anerkennung des Abzugs der AfA, soweit sie durch die anteilige Nutzung des Arbeitszimmers durch den Kläger veranlaßt sei, hätte das FG nur über die Anerkennung des Abzugs von Drittaufwand gelangen können. AfA könne aber als Drittaufwand nicht abgezogen werden.

Die Kläger treten der Revision mit den Gründen der Vorentscheidung entgegen. Sie sind der Auffassung, die Vorentscheidung weiche nicht von der BFH-Rechtsprechung ab, da vorliegend nicht eine Wohneinheit zur Alleinnutzung überlassen worden sei. Ausschlaggebend sei, daß die Klägerin als Eigentümerin des Einfamilienhauses das Arbeitszimmer nur für Zwecke der Einkunftserzielung genutzt habe.

Entscheidungsgründe

II.

Stellungnahme des Senats zu den vorgelegten Rechtsfragen

Der zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich von demjenigen der Vorlagesache VI R 77/95 (s. den als Anlage zu diesem Beschluß beigefügten Vorlagebeschluß vom 22. November 1996) einmal dadurch, daß vorliegend in der Vorentscheidung jegliche Feststellungen dazu fehlen, ob sich der Kläger an den Kosten zur Anschaffung oder Herstellung des Einfamilienhauses beteiligt hatte, während in jenem Vorlagefall der das Arbeitszimmer nutzende Ehegatte Aufwendungen getätigt hatte, die im Verhältnis zu den Gesamtaufwendungen des Hauses höher waren als der vom Ehegatten für die beruflichen Zwecke genutzte Anteil an der Gesamtfläche des Hauses. Ferner besteht eine weitere Besonderheit des vorliegenden Sachverhalts darin, daß beide Eheleute das eine im Haus gelegene Arbeitszimmer gemeinsam zu gleichen Zeitanteilen für ihre beruflichen Zwecke nutzen, und es damit auch um die AfA des Alleineigentümers geht.

Die Auffassungen im VI. Senat sind in gleicher Weise geteilt wie in der Parallelsache VI R 77/95. Daher verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des Vorlagebeschlusses VI R 77/95.

Die für die Berücksichtigung des Drittaufwandes plädierende Minderheitsmeinung im Senat führt ergänzend aus, dieser Fall zeige mit noch größerer Deutlichkeit als der Sachverhalt der Vorlagesache VI R 77/95, daß das Erfordernis eines Mietvertrages zwischen Ehegatten darüber, daß dem Nichteigentümer-Ehegatten von dem Eigentümer-Ehegatten gegen Entgelt die Mitbenutzung des einzigen häuslichen Arbeitszimmers für berufliche Zwecke gestattet werde, gegen das Wesen der ehelichen Lebensgemeinschaft verstoße und damit zu Art. 6 des Grundgesetzes (GG) in Kollision gerate. Es stelle sich auch - falls der Verlust von AfA-Volumen für die Eheleute nur durch Abschluß eines Mietvertrages vermieden werden könne - die Frage, wie die monatlichen Mietzahlungen zu erbringen seien, wenn die Eheleute - wie es häufig vorkomme - ein gemeinsames Gehaltskonto unterhielten. Es sei unklar, ob es für die steuerliche Anerkennung eines solchen Mietvertrages erforderlich sei, daß die Mietzahlungen jeweils bar zu entrichten seien, oder ob es ausreiche, daß die Miete vom gemeinsamen Gehaltskonto auf ein besonders dafür einzurichtendes Konto des Eigentümer-Ehegatten überwiesen würde. Für die Minderheitsmeinung besteht die Gefahr, daß die Rechtsprechung Ehegatten auf vertragliche Gestaltungen verweise, die allein aus steuerlichen Gründen einzuhalten und bisher völlig unüblich seien und deren rechtliche Anerkennung schon aus diesen Gründen nicht gesichert sei. Auch dies spreche für die Notwendigkeit, eine aus dem Wesen und der Natur der ehelichen Lebensgemeinschaft erforderliche Sonderregelung für Ehegatten ins Auge zu fassen. Gerade der Große Senat sei in diesem Fall zur Rechtsfortbildung aufgerufen (§ 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

III.

Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsfragen

Die vorgelegten Rechtsfragen sind für die Entscheidung des Streitfalles erheblich.

1. Die Entscheidungserheblichkeit entfiele nur dann, wenn die Begründung des FG die Entscheidung trüge. Hiervon geht eine Minderheitsmeinung aus, die annimmt, daß der dem Alleineigentümer bei ausschließlich beruflicher Nutzung zustehende Werbungskostenabzug nicht deswegen teilweise entfällt, weil daneben noch dem Ehegatten die Befugnis eingeräumt wurde, das Wirtschaftsgut für dessen berufliche Zwecke unentgeltlich mitzubenutzen. Eine Beschränkung des Werbungskostenabzugs werde auch sonst bei gefälligkeitshalber gewährter Befugnis zur beruflichen Mitnutzung nicht vorgenommen. Beispielsweise minderten sich die als Werbungskosten abziehbaren Fahrtkosten eines Arbeitnehmers nicht deswegen, weil er einen Arbeitskollegen auf einer gemeinsamen Dienstreise mit seinen Pkw unentgeltlich mitnehme (vgl. auch Abschn. 38 Abs. 2 Satz 3 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - sowie Abschn. 119 Abs. 2 Nr. 1 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -). Verbleibe dem Alleineigentümer-Ehegatten der volle Werbungskostenabzug, sei auch keine Kollision zu Art. 6 GG zu befürchten. Ungeachtet dessen sei das ggf. eingreifende Erfordernis zur Vermeidung steuerlicher Nachteile einen Mietvertrag abzuschließen, keine bloße Folge des Verheiratetseins, sondern eine Folge der unentgeltlichen Nutzungsüberlassung.

Mehrheitlich ist der Senat der Meinung, die Begründung des FG trage dessen Entscheidung nicht. Das FG knüpft mit seiner Rechtsauffassung, die Klägerin sei in vollem Umfang AfA-befugt, weil sie als Eigentümerin des Einfamilienhauses das Arbeitszimmer ausschließlich beruflich nutze und weil die Mitbenutzung des Arbeitszimmers durch den Kläger zu dessen beruflichen Zwecken unbeachtlich sei, an die Grundsätze zur Nutzungswertbesteuerung (§ 21 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) an. Richtig ist zwar, daß eine Selbstnutzung einer Wohnung durch den Eigentümer auch dann vorliegt, wenn der Eigentümer die gesamte Wohnung mit anderen Personen (Familienmitglieder, Freunde) bewohnt. In diesem Fall verwirklicht der Eigentümer allein den Tatbestand der Einkunftserzielung des § 21 Abs. 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 8. August 1990 IX R 122/86, BFHE 162, 244, BStBl II 1991, 171). Dies ist aber eine Besonderheit, die sich aus den Grundsätzen der Nutzungswertbesteuerung ergibt und nur für die Nutzung einer Wohnung zu Wohnzwecken gilt. Die berufliche Nutzung eines Teils der Wohnung ist aber keine Nutzung zu Wohnzwecken, wie auch aus § 10e Abs. 1 Satz 7 EStG folgt.

Für die Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein beruflich oder betrieblich genutztes Wirtschaftsgut kommt es auf den Zusammenhang der Aufwendungen mit der Einkunftserzielung an. Wird ein Wirtschaftsgut von mehreren Personen zur Einkunftserzielung genutzt, so sind die das Wirtschaftsgut betreffenden Aufwendungen entsprechend den Nutzungsanteilen der Einkunftserzielung der nutzenden Personen zuzurechnen. Dieser allgemein geltende Grundsatz findet auch für die gemeinsame Nutzung eines häuslichen Arbeitszimmers durch Eheleute für deren jeweilige Einkunftserzielung Anwendung.

2. Da im Streitfall das häusliche Arbeitszimmer von beiden Klägern für ihre beruflichen Zwecke zu gleichen Zeitanteilen genutzt wird, sind die dem Arbeitszimmer zuzuordnenden Kosten (hier: AfA) zu gleichen Teilen der Einkunftserzielung des Klägers und der Klägerin zuzuordnen. Für den Kläger als dem Nichteigentümer des Einfamilienhauses ergibt sich eine AfA-Befugnis, wenn der Große Senat die Rechtsfrage zu 1. im Sinne der Minderheitsmeinung im VI. Senat bejaht. Die Vorentscheidung wäre dann im Ergebnis mit einer anderen Begründung zu bestätigen. Die Revision des FA wäre unbegründet.

3. Verneint der Große Senat die Rechtsfrage zu 1. mit den Gründen der Mehrheitsmeinung oder beantwortet der Große Senat die im Vorlageverfahren VI R 77/95 gestellte Rechtsfrage zu 1. im Sinne derjenigen Meinung im Senat, nach welcher die Grundsätze des Beschlusses vom 30. Januar 1995 GrS 4/92 (BFHE 176, 267, BStBl II 1995, 281) nur für Fälle gelten, daß der Miteigentümer eines Grundstücks die gesamten Kosten getragen hat (s. unter II. 1. der Gründe des Vorlagebeschlusses VI R 77/95), so müßte die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, damit dieses Feststellungen zur konkreten Kostentragung durch den Kläger zu den Anschaffungskosten bzw. Herstellungskosten des Einfamilienhauses und damit des häuslichen Arbeitszimmers trifft. Hierauf käme es nur dann nicht an, wenn der Große Senat die Rechtsfrage zu 2. bejahen würde. Denn dann könnte der Kläger die seinem Nutzungsanteil entsprechende AfA im Wege des Abzugs der Dritt-AfA geltend machen. Die Revision des FA wäre in diesem Falle ebenfalls unbegründet.

IV.

Rechtsgrund der Vorlage

Hierzu verweist der Senat auf die unter IV. der Beschlußgründe der Sache VI R 77/95 gemachten Ausführungen, die vorliegend entsprechend gelten.