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  BFH-Urteil vom 11.12.1996 (X R 15/96) BStBl. 1997 II S. 221

Einem Arbeitnehmer, der für seine am Arbeitsort erworbene eigene Wohnung Unterkunftskosten als Werbungskosten wegen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG geltend macht, steht noch der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG zu (Fortführung des Senatsurteils vom 14. Dezember 1994 X R 74/91, BFHE 176, 117, BStBl II 1995, 259).

EStG § 9 Abs. 1 Nr. 4 und 5, § 10e Abs. 1 und 6.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1996, 699)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, bezogen beide Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Der Kläger wurde zum 28. September 1992 nach B versetzt. Den Familienwohnsitz in F behielten die Kläger bei. Durch Vertrag vom 3. September 1992 erwarb der Kläger in B eine Eigentumswohnung, die er bis zum Übergang von Nutzungen und Lasten am 4. November 1992 als Mieter bewohnte.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1992 erklärte der Kläger, er nehme für die Eigentumswohnung keine Grundförderung nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch. Er mache die Aufwendungen für die eigene Wohnung am Arbeitsort nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG in Höhe der Aufwendungen für eine angemessene Mietwohnung als Werbungskosten geltend. Die vor Bezug der Wohnung entstandenen Finanzierungskosten von 7.859 DM, Erhaltungsaufwendungen von 364 DM und laufenden Grundstücksaufwendungen von 330 DM beantragte er, als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG zum Abzug zuzulassen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid für 1992 als notwendige Mehraufwendungen für die Unterkunft am Arbeitsort - wie vom Kläger beantragt - einen Betrag von 1.271 DM je Monat der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten. Die beantragten Vorkosten ließ das FA nicht zum Abzug zu. Der Einspruch der Kläger war erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 699 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zu Unrecht hat das FG die mit der Anschaffung der Wohnung zusammenhängenden, vor Bezug entstandenen Aufwendungen als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG berücksichtigt.

1. Nach dem Urteil des Senats vom 14. Dezember 1994 X R 74/91 (BFHE 176, 117, BStBl II 1995, 259) hat ein Arbeitnehmer, der einen aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushalt führt und am Beschäftigungsort in einer eigenen Wohnung wohnt, keinen Anspruch auf die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG, wenn er die durch die doppelte Haushaltsführung entstandenen Aufwendungen für die Unterkunft am Beschäftigungsort nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit abzieht. Der Senat hat unter Berufung auf das gesetzliche Schema der Einkommensermittlung ausgeführt, § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG ("Sonderausgaben sind die folgenden Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind") enthalte einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch für das Verhältnis von Werbungskostenabzug zum Abzug von Beträgen nach § 10e Abs. 1 EStG "wie Sonderausgaben" gelte. Der Abzug von Aufwendungen als Werbungskosten gehe daher dem Abzug von Beträgen nach § 10e Abs. 1 EStG vor.

2. Auch für die vor Beginn der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstandenen Aufwendungen gilt der allgemeine Rechtsgrundsatz, daß der Werbungskostenabzug Vorrang vor dem Abzug "wie Sonderausgaben" hat. Dies wird durch die Regelung in § 10e Abs. 6 Satz 2 EStG bestätigt. Denn danach dürfen Aufwendungen nicht als Vorkosten abgezogen werden, wenn die Wohnung bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken vermietet oder zu eigenen beruflichen oder betrieblichen Zwecken genutzt wird und die Aufwendungen Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind. Dabei kann dahinstehen, ob die Nutzung zu eigenen beruflichen Zwecken auch das Bewohnen einer Wohnung im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung umfaßt oder ob damit nur die Fälle gemeint sind, in denen eine Wohnung oder ein einzelner Raum wegen einer darin ausgeübten Betätigung nicht zu Wohnzwecken, sondern zum Erzielen von Einkünften verwendet wird, wie z. B. ein häusliches Arbeitszimmer.

3. Zu den nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abziehbaren notwendigen Mehraufwendungen einer aus beruflichem Anlaß begründeten doppelten Haushaltsführung gehören auch die notwendigen Kosten für die Unterkunft am Beschäftigungsort. Bewohnt der Arbeitnehmer am Beschäftigungsort eine eigene Eigentumswohnung, sind die damit zusammenhängenden Aufwendungen, wie z. B. Absetzungen für Abnutzung (AfA), Finanzierungskosten, laufende Grundstückskosten und Erhaltungsaufwendungen - unabhängig davon, ob sie vor oder nach Bezug der Wohnung entstanden sind - dem Grunde nach Werbungskosten. Da nur die notwendigen Mehraufwendungen berücksichtigt werden, sind diese Aufwendungen aber nur als Werbungskosten abziehbar, soweit sie die Kosten für eine übliche Unterkunft (angemessene Mietwohnung für eine Person) nicht übersteigen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juli 1995 VI R 32/95, BFHE 178, 348, BStBl II 1995, 841).

Mit dem Abzug der notwendigen Kosten für die Unterkunft sind alle Kosten, die durch den Erwerb und den Unterhalt der am Beschäftigungsort bewohnten eigenen Wohnung entstehen, abgegolten. Jedenfalls dann, wenn der Eigentümer Aufwendungen für die Unterkunft am Beschäftigungsort im Rahmen des § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG geltend macht, ist der Vorkostenabzug wegen des Vorrangs des Werbungskostenabzugs vor dem Abzug "wie Sonderausgaben" ausgeschlossen.

Offen lassen kann der Senat im Streitfall, ob der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG gewährt werden kann, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen des Werbungskostenabzugs nach § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG nur Aufwendungen für Familienheimfahrten und Verpflegungsmehraufwendungen geltend macht oder wenn er sich für den Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG (Ersatz der Kosten für Fahrten zwischen Familienwohnung und Arbeitsstätte) entscheidet (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 10. Mai 1989, BStBl I 1989, 165).

Denn der Kläger hat den Werbungskostenabzug für die Unterkunftskosten am Beschäftigungsort in Anspruch genommen. Das FA hat seinem Antrag entsprechend einen Betrag von 1.271 DM monatlich als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Die vor Bezug entstandenen Aufwendungen sind daher nicht als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar.