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  BFH-Urteil vom 24.7.1996 (X R 167/95) BStBl. 1997 II S. 315

Wird ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge übertragen, das der Übernehmer sogleich weiterveräußert, sind im Zusammenhang hiermit vereinbarte Unterhaltszahlungen, die wiederkehrend auf die Lebenszeit des Übergebers zu leisten sind, nicht als Sonderausgaben (Rente oder dauernde Last) abziehbar (Fortführung des Senatsurteils vom 14. Februar 1996 X R 106/91, BFHE 180, 87).

EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1996, 746)

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden für die Streitjahre 1992 und 1993 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit Vertrag vom 1. Februar 1991 (Notariat UR Nr. 103/1991) schenkte der Vater der Klägerin, Herr C, seinen drei Kindern jeweils einen Miteigentumsanteil zu 1/3 an dem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück ...weg 1 in A. Mit weiterem Vertrag vom 1. Februar 1991 (UR Nr. 105/1991) sagten die Klägerin und ihre beiden Geschwister ihrem Vater auf dessen Lebenszeit die Zahlung von wertgesicherten Unterhaltsleistungen in Höhe von monatlich 3.000 DM zu. Die Klägerin war im Innenverhältnis zu 1/3 Anteil verpflichtet. Eine Anpassung der monatlichen Zahlungen gemäß § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) war vorbehalten. Unmittelbar nach der Übertragung des Grundstücks verkauften die Klägerin und ihre Geschwister das Grundstück ...weg 1 (UR Nr. 104/1991). Ihren anteiligen Erlös aus dem Verkauf des Grundstücks verwendete die Klägerin zur Rückführung einer Hausfinanzierung, zum Erwerb einer stillen Beteiligung und für eine Festgeldanlage.

In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre beantragten die Kläger, jeweils 12.000 DM zum Abzug als Sonderausgaben (dauernde Last gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes - EStG -) zuzulassen. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nicht.

Mit ihrer Klage trugen die Kläger u. a. vor: Der seinerzeit über 80 Jahre alte, inzwischen verstorbene Vater habe eine monatliche Rente in Höhe von 3.000 DM bezogen. Er habe sich darum gesorgt, daß dieser Betrag im Falle der Pflegebedürftigkeit nicht ausreichen könne. Für einen solchen Versorgungsfall hätten die Geschwister einstehen wollen. Der Differenzbetrag zur Rente - bei geschätzten Pflegekosten von monatlich 6.000 DM - habe jedoch durch eine Vermietung nicht aufgebracht werden können. Die Grundstücksübertragung und die Versorgungszusage seien schon wegen ihres zeitlichen Zusammenhangs als eine Einheit zu betrachten. Der Barwert der Versorgungsrente betrage 145.000 DM.

Demgegenüber vertrat das FA die Auffassung, daß die Vertragsbeteiligten nicht die Übergabe des Grundstücks gegen Versorgungsleistungen, sondern "dessen sofortige Substanzverwertung" beabsichtigt hätten. Eine dauernde Last setze eine wirtschaftliche Belastung voraus. Hieran fehle es, wenn die Aufwendungen aus einer empfangenen Gegenleistung erbracht werden könnten.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Für die Annahme einer dauernden Last fehle es an der Übergabe einer existenzsichernden Wirtschaftseinheit. Das übertragene Grundstück möge zwar beim Vater der Klägerin diese rechtliche Qualität gehabt haben. Diesem sei es jedoch nicht darauf angekommen, diese Wirtschaftseinheit der Familie zu erhalten, sondern seine Versorgung zu gewährleisten. Er habe sein Haus zum Zwecke der Verwertung verschenkt. Eine solche Übergabe laufe in ihrer Zweckbestimmung auf die Übergabe von Geldvermögen hinaus, die jedoch vom Typus der Vermögensübergabe, der durch das Rechtsinstitut der Hofübergabe gegen Altenteilsleistungen geprägt sei, nicht umfaßt sei. Daher seien die Leistungen der Klägerin nichtabziehbare Zuwendungen an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person (§ 12 Nr. 2 EStG). Es könne dahingestellt bleiben, ob Versorgungsleistungen beim Übernehmer auch dann noch abziehbar blieben, wenn die existenzsichernde Wirtschaftseinheit nachträglich veräußert werde. Im Streitfall sei die Veräußerung von vornherein geplant gewesen.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung materiellen Rechts. Sie tragen vor: Der Schenker habe nicht zur Auflage gemacht, das Grundstück in Geldvermögen umzuwandeln. Weder rechtlich noch wirtschaftlich sei Geld geschenkt worden. Mit dem Verkauf des Hauses hätten die Übernehmer ihre Erträgnisse optimieren und Schulden zurückführen wollen. Durch die Vermögensumschichtung hätten höhere Einkünfte zur Verfügung gestanden als sie durch eine Vermietung des übertragenen Hauses hätten erwirtschaftet werden können. Es könne nicht darauf ankommen, ob die "vorbehaltenen Erträge" aus dem konkret übertragenen Vermögen erwirtschaftet würden.

Die Kläger beantragen, zum Teil sinngemäß, das angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 6. April 1995 aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1992 und 1993 dahingehend zu ändern, daß jeweils eine dauernde Last von 12.000 DM berücksichtigt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zutreffend entschieden, daß die wiederkehrenden Leistungen deswegen nicht als dauernde Last abziehbar sind, weil die Übergabe von Vermögen mit dem Ziele der Veräußerung nicht der steuerrechtlich privilegierten Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen zugeordnet werden kann.

1. Die Abziehbarkeit von wiederkehrenden Leistungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG setzt voraus, daß eine existenzsichernde Wirtschaftseinheit zum weiteren "Bewirtschaften" durch den Übernehmer überlassen wird.

a) Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat in seinem Beschluß vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78) den Vermögensübergabevertrag gegen Versorgungsleistungen (private Versorgungsrente) unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung wie folgt charakterisiert: Die ertragsteuerliche Behandlung folgt seiner familien- und erbrechtlichen Natur. Er bezweckt die Vorwegnahme der künftigen Erbregelung und die wirtschaftliche Sicherung der übergebenden Generation. Die Rente wird nicht nach dem Wert der Gegenleistung, sondern nach dem Versorgungsbedürfnis des Berechtigten und nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten bemessen. Die Beteiligten lassen sich von dem Gedanken leiten, das übertragene Vermögen - insbesondere einen übertragenen Betrieb - der Familie zu erhalten (s. ferner Senatsurteil vom 31. August 1994 X R 44/93, BFHE 176, 19, 24).

b) Mit dem den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abgrenzenden steuerrechtlichen Tatbestandsmerkmal der Vermögensübergabe wird auf ein Institut des Zivilrechts verwiesen, dessen Kernbereich die Übergabe von Wirtschaftseinheiten wie Hof und Gewerbebetrieb betrifft. Das bei Hof- und Betriebsübergaben als den idealtypischen Fällen der Vermögensübergabe übertragene Vermögen bildet eine Wirtschaftseinheit, die die Existenz der weichenden Generation wenigstens teilweise sichert und dem Übernehmer zur Fortsetzung des Wirtschaftens überlassen wird. Die Übergabe eines Geldbetrages ist dagegen keine der Hof- und Betriebsübergabe steuerrechtlich gleichzustellende Vermögensübergabe (Senatsurteil vom 27. Februar 1992 X R 136/88, BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609). Aus diesem Grund hat der Senat mit Urteil vom 14. Februar 1996 X R 106/91 (BFHE 180, 87) entschieden, daß der Verzicht auf ein vorbehaltenes Nutzungsrecht an einem Mietwohngrundstück nur dann einer Vermögensübergabe gleichsteht, wenn das Objekt zu dem Zweck des weiteren "Bewirtschaftens" übergeben wird. Gibt der Berechtigte sein Nutzungsrecht auf, damit der Eigentümer das nunmehr lastenfreie Grundstück veräußern kann, sind im Zusammenhang hiermit vereinbarte wiederkehrende Leistungen nicht als Sonderausgaben (Leibrente oder dauernde Last) abziehbar. Denn anderenfalls würde der Grundgedanke des steuerrechtlichen Rechtsinstituts der Vermögensübergabe und der Zweck ihrer steuerrechtlichen Privilegierung verfehlt. Der besagte Verzicht steht bei wertender Beurteilung der nicht privilegierten Übergabe eines Geldbetrages (Urteil in BFHE 167, 375, BStBl II 1992, 609) näher als der Übergabe eines Hofes oder Betriebes.

2. Nach diesen Grundsätzen ist der Abzug wiederkehrender Leistungen als Sonderausgaben zu versagen, wenn Versorgungsleistungen aus dem Erlös der zu veräußernden Wirtschaftseinheit gezahlt werden sollen. Diese Auslegung ist nach dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -) geboten. Denn eine steuermindernde Berücksichtigung von Privataufwendungen ist in Abweichung vom Grundsatz des § 12 Nr. 1 und 2 EStG nur zulässig, wenn das EStG dies - ausnahmsweise - vorsieht, und zwar insbesondere bei den Sonderausgaben und bei den außergewöhnlichen Belastungen. Die Belastung von Eltern mit Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern wird durch die Kinderfreibeträge (§ 32 EStG) sowie durch das Kindergeld und durch vergleichbare Leistungen abgegolten. Den Abzug von (typischen; s. Arndt in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33a Rdnr. B 52 ff.) Unterhaltsaufwendungen sieht der Gesetzgeber - unter bestimmten Voraussetzungen und der Höhe nach begrenzt - in § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten - Realsplitting) und - u. a. für Leistungen von Kindern an ihre Eltern - in § 33a Abs. 1 EStG (außergewöhnliche Belastung in besonderen Fällen) vor. Es wäre mit dem Verfassungsgebot der steuerrechtlichen Gleichbehandlung nicht zu vereinbaren, wenn Unterhaltszahlungen von Kindern an ihre Eltern aus dem einzigen Grunde steuerlich abziehbar wären, daß die Eltern in der Lage waren, ihren Kindern Vermögen zu übertragen (Senatsurteil vom 14. Juli 1993 X R 54/91, BFHE 172, 324, BStBl II 1994, 19). Die steuerrechtlich neutrale Verwendung eigenen Vermögens zum Zwecke der Versorgung im Alter kann nicht dadurch steuerrechtliche Bedeutung erlangen, daß Angehörige in den Vorgang der Substanzverwertung eingeschaltet werden.

3. Die hiergegen gerichteten Einwände der Kläger verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.

a) Entgegen ihrer Auffassung ist es unerheblich, daß sie das übertragene Vermögen "zur Optimierung ihrer Einkünfte eingesetzt" haben. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 180, 87 ausgeführt hat, kann ein Surrogationsprinzip im vorliegenden Zusammenhang nicht wirksam werden, weil die spezialgesetzlich begründete Unterscheidung zwischen der - fortzuführenden - existenzsichernden Wirtschaftseinheit und dem hierzu nicht gehörenden Geldvermögen für das steuerrechtliche Sonderrecht der Vermögensübergabe von vorrangiger Bedeutung ist. Es kann letztlich nicht darauf ankommen, ob die Übernehmer des Vermögens den Veräußerungserlös zum Zwecke der Einkunftserzielung einsetzen oder um ein privates Wirtschaftsgut zu entschulden.

b) Der Große Senat des BFH hat im Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4 - 6/89 (BFHE 161, 317, 325 BStBl II 1990, 847, unter C. I. 1.) anläßlich der Darstellung der Rechtsentwicklung Bezug genommen auf das BFH-Urteil vom 2. Dezember 1966 VI 365/65 (BFHE 87, 563, BStBl III 1967, 243), das sich mit der Übergabe eines Gewerbebetriebes und von Grundstücken, Sparguthaben und Wertpapiervermögen gegen Versorgungsleistungen befaßt hat. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist mit einer solchen typischen Vermögensübergabe nicht zu vergleichen.