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  BFH-Urteil vom 26.3.1997 (III R 71/96) BStBl. 1997 II S. 538

Die Fahrleistung einer außergewöhnlich gehbehinderten Person von gut 8.000 km im Jahr ist kein außergewöhnlicher Umstand, der eine Überschreitung der bei der Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen durch Kfz-Kosten anzuwendenden Pauschsätze rechtfertigen könnte (Ergänzung des Urteils vom 22. Oktober 1996 III R 203/94, BFHE 182, 44).

EStG § 33.

Vorinstanz: FG Bremen

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist zu 100 % schwerbehindert. Er besitzt den Behindertenausweis mit dem Merkmal "aG". Er benutzte im Streitjahr (1994) einen 1991 für 17.589 DM angeschafften PKW. In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger eine Absetzung für Abnutzung (AfA) dieses PKW's in Höhe von 4.398 DM und im einzelnen belegte laufende Kosten in Höhe von 3.714,64 DM als außergewöhnliche Belastungen geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erkannte hiervon jedoch in dem geänderten Einkommensteuerbescheid vom 11. Juli 1995 nur 4.368 DM an, wovon er noch die zumutbare Belastung abzog. Diesen Betrag hatte das FA auf der Grundlage des in den Lohnsteuer-Richtlinien 1993 (LStR) festgesetzten Kilometer-Pauschbetrages von 0,52 DM (Abschn. 100 Abs. 7 Sätze 8 bis 11) und einer seiner Ansicht nach nachgewiesenen Fahrleistung von 8.400 km im Streitjahr errechnet.

Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg. Gegen das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 760 veröffentlichte Urteil richtet sich die vom Finanzgericht (FG) zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) gerügt wird.

Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Das Urteil des FG verletzt § 33 EStG.

Nach dem Urteil des Senats vom 22. Oktober 1996 III R 203/94 (BFHE 182, 44) sind Kfz-Kosten eines Körperbehinderten nur insoweit als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen, als sie nicht außerhalb des Rahmens des Angemessenen liegen. Zu dessen Bestimmung ist grundsätzlich neben einer Begrenzung der als angemessen anzusehenden jährlichen Fahrleistung auf 15.000 km auf die in den LStR festgesetzten Pauschsätze zurückzugreifen. Der betreffende Pauschsatz betrug im Streitjahr (1994) 0,52 DM. Das FA hat demnach die steuerlich zu berücksichtigende außergewöhnliche Belastung des Klägers auf der Grundlage der von diesem geltend gemachten Fahrleistung von 8.400 km richtig berechnet.

Der Senat hat allerdings in dem vorgenannten Urteil nicht ausgeschlossen, daß außergewöhnliche Umstände wie eine wegen der Behinderung des Steuerpflichtigen wesentlich unter der allgemein üblichen liegende Fahrleistung, welche bei der Berechnung der Pauschsätze zugrunde gelegt wird, eine Überschreitung der Pauschsätze im Einzelfall rechtfertigen könnten. Er hat offengelassen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist. Der Streitfall erfordert nicht, dies abschließend zu entscheiden. Denn jedenfalls ist eine Fahrleistung von nur gut 8.000 km p. a. kein außergewöhnlicher Umstand, der eine Überschreitung der Pauschsätze rechtfertigen könnte.

Eine solche Fahrleistung liegt zwar niedriger als die durchschnittliche Fahrleistung aller PKW in Deutschland, auf welcher der fragliche Pauschsatz beruht, wenn auch nach einer 1987/88 durchgeführten Untersuchung immerhin über ein Drittel aller Fahrzeuge nur eine Jahresleistung von unter 10.000 km aufwiesen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Juli 1991 VI R 82/89, BFHE 165, 378, BStBl II 1992, 1000, mit Nachweisen). Da der Pauschsatz fixe Kosten (insbesondere die AfA) berücksichtigt, welche im allgemeinen der jährlichen Kilometerleistung nicht proportional sind - wenngleich insbesondere der Wertverlust eines PKW infolge stärkerer technischer Abnutzung mit der Fahrleistung steigt -, führt eine niedrige Fahrleistung zwar typischerweise zu einer gemessen an den im Einzelfall wirklich entstehenden Kosten relativ (zu) geringen steuerlichen Berücksichtigung der Aufwendungen der Steuerpflichtigen. Die Abweichung beträgt hier jedoch weniger als 50 % bezogen auf die Fahrleistung, die nach der ständigen Rechtsprechung des Senats im allgemeinen mit Rücksicht auf die Fahrgewohnheiten der Mehrheit der Autobesitzer höchstens als angemessen steuerlich anzuerkennen ist (15.000 km; Urteil des Senats vom 2. Oktober 1992 III R 63/91, BFHE 169, 427, BStBl II 1993, 286). Eine solche Unterschreitung des Höchstwertes ist nicht "außergewöhnlich" in dem hier maßgeblichen Sinne. Das wird zusätzlich an den relativ geringen steuerlichen Auswirkungen deutlich, die bei Berücksichtigung der überdurchschnittlich hohen fixen Kosten pro Fahrkilometer bei einem Steuerpflichtigen eintreten würden, der seinen PKW weniger benutzt, als bei der Berechnung des vorgenannten Pauschsatzes zugrunde gelegt wurde. Denn die AfA macht nur den kleineren Teil der durchschnittlichen Kosten eines PKW aus; zudem ist zu berücksichtigen, daß von ihr wiederum nur ein Teil auf den Wertverlust entfällt, den ein Auto unabhängig von seiner Fahrleistung mit der Zeit erleidet, so daß insgesamt die tatsächlichen PKW-Kosten pro Kilometer auch bei einer geringeren Fahrleistung - wie im Streitfall - nicht so erheblich über dem Pauschsatz liegen, daß deshalb außergewöhnliche Umstände i. S. des Urteils vom 22. Oktober 1996 III R 203/94 angenommen werden müßten.

Es liegt in der Natur jeder typisierenden und pauschalierenden Regelung, daß sie die wirklichen Verhältnisse des Einzelfalls nur unzureichend erfaßt. Wie der Senat in seinem Urteil vom 22. Oktober 1996 III R 203/94 näher dargelegt hat, ergibt sich daraus jedoch vor allem deshalb kein durchgreifender Einwand gegen die Anwendung der durch Verwaltungsvorschrift typisierend festgesetzten Pauschsätze für den Kostenaufwand pro Kilometer bei der nach § 33 EStG erforderlichen Angemessenheitsprüfung, weil keine der denkbaren Ermittlungsmethoden den nach den jeweiligen persönlichen Verhältnissen jedes einzelnen körperbehinderten Steuerpflichtigen angemessenen Aufwand für die Unterhaltung eines Kfz pfenniggenau erfassen kann; der Steuerpflichtige muß sich daher mit einer pauschalierenden Schätzung des angemessenen Aufwandes zufriedengeben, zumal dadurch erst ein Vollzug des Steuergesetzes ohne unangemessenen Verwaltungsaufwand gewährleistet wird. Deshalb kann eine Abweichung von den Pauschsätzen allenfalls bei Sachgestaltungen in Betracht kommen, bei denen die Anwendung der Pauschsätze - insbesondere wegen einer außergewöhnlich geringen jährlichen Fahrleistung - zu offensichtlich völlig unzutreffenden steuerlichen Ergebnissen führen würde. Das ist bei einer Fahrleistung von 8.400 km p. a. aus den dargelegten Gründen nicht der Fall.