| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

  BFH-Beschluß vom 6.5.1997 (VII B 4/97) BStBl. 1997 II S. 543

1. Die Statthaftigkeit einer Beschwerde gegen einen Beschluß des FG, mit dem dieses den Rechtsstreit an das ordentliche Gericht verwiesen hat, richtet sich nach § 155 FGO i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG.

2. Zum Rechtsweg für eine Klage auf Auskunftserteilung über eine Informationsperson (Bestätigung der Rechtsprechung, BFH-Urteil vom 7. Mai 1985 VII R 25/82, BFHE 143, 503, BStBl II 1985, 571).

3. Die Beschwerdeentscheidung, durch die ausgesprochen wird, daß der zu dem FG beschrittene Rechtsweg zulässig ist, bedarf keiner Kostenentscheidung.

GVG § 17a Abs. 2 bis 4; FGO § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3, § 70, § 128 Abs. 1, § 143 Abs. 1, § 155.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG (EFG 1997, 23)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Gewerbetreibender. In der Zeit vom 17. November 1988 bis zum 5. Dezember 1988 fand bei ihm eine Betriebsprüfung statt. Nach deren Feststellungen hatte er Warenbestände unzutreffend (zu niedrig) bewertet. Die aufgrund der Außenprüfung geänderten Einkommensteuerbescheide, die im Juli 1989 ergingen, wurden bestandskräftig.

Beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) hatte sich am 18. November 1988 ein Informant gemeldet, dem das FA Vertraulichkeit zusicherte. Er gab an, der Kläger habe Warenbestände über die steuerlich zulässigen Grenzen hinaus abgeschrieben und auf diesem Wege in den Bilanzpositionen Gewinne von ungefähr ... DM "versteckt". Ferner bewahre er in einem Bankschließfach Wertgegenstände auf, um sie dem steuerlichen Zugriff zu entziehen. Die Anzeige und der Name des Informanten befinden sich ausschließlich in den Handakten des Fahndungsprüfers.

Die Staatsanwaltschaft hatte am 22. November 1988 ein Verfahren gegen den Kläger wegen Steuerhinterziehung eingeleitet, dessen Grundlage ein der Staatsanwaltschaft im Auftrage des Klägers vorgelegtes Schreiben war, in dem es ebenfalls um den in der Anzeige mitgeteilten Tatbestand ging. Mit Verfügung vom ... Dezember 1988 wurde das Ermittlungsverfahren an das FA abgegeben. Im Februar 1989 vermerkte das FA gemäß § 397 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) die Einleitung des Strafverfahrens. Die nachfolgenden Ermittlungen ergaben keinen Anhaltspunkt für ein steuer- und strafrechtliches Fehlverhalten des Klägers. Das gegen ihn gerichtete Ermittlungsverfahren wurde daraufhin im Juli 1989 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozeßordnung (StPO) eingestellt.

Nach Einstellung des gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens beantragte der Kläger, ihm den Namen der Informationsperson zu benennen. Das der Klage auf Nennung des Informanten stattgebende Urteil des Finanzgerichts (FG) hob der erkennende Senat insoweit auf, als es das FA verpflichtete, dem Kläger den Namen und die Anschrift der Informationsperson zu nennen. Im übrigen bestätigte es die Aufhebung der Verwaltungsentscheidungen durch das FG mit der Folge, daß das FA den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut zu bescheiden habe (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Februar 1994 VII R 88/92, BFHE 174, 197, BStBl II 1994, 552). Das FA lehnte den Antrag des Klägers auf Nennung des Informanten erneut ab (Bescheid vom 4. Juli 1994). Nach erfolgloser Beschwerde (Beschwerdeentscheidung vom 6. April 1995) erhob der Kläger wiederum Klage auf Nennung der Informationsperson.

Nunmehr hielt das FG nicht mehr den Finanzrechtsweg, sondern den ordentlichen Rechtsweg für gegeben und verwies den Rechtsstreit aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 23 veröffentlichten Gründen, auf die Bezug genommen wird, gemäß § 17a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) mit dem vom Kläger angefochtenen Beschluß an das Oberlandesgericht.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom FG zugelassenen Beschwerde. Er macht geltend, es handele sich um eine abgabenrechtliche Angelegenheit, für die der Finanzrechtsweg vorgesehen sei. Die Anzeige habe eine steuerliche Angelegenheit des Klägers betroffen. Den Antrag auf Bekanntgabe des Informanten habe er erst nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens gestellt. Mit dem angefochtenen Beschluß weiche das FG von der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 2. Dezember 1976 IV R 2/76, BFHE 120, 571, BStBl II 1977, 318, und vom 7. Mai 1985 VII R 25/82, BFHE 143, 503, BStBl II 1985, 571) ab. Danach sei das Auskunftsersuchen nach Abschluß des Straf- oder Bußgeldverfahrens als Abgabenangelegenheit mit der Folge anzusehen, daß dafür der Finanzrechtsweg gegeben sei.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zu entscheiden, daß der Finanzrechtsweg gegeben sei.

Das FA teilt die Auffassung des Klägers.

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Unter Aufhebung der Vorentscheidung wird festgestellt, daß für den vorliegenden Rechtsstreit der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben ist.

1. Die vom FG nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG zugelassene Beschwerde ist zulässig.

Durch Art. 2 des Vierten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung (4. VwGOÄndG) vom 17. Dezember 1990 (GBGl I, 2809) ist die Rechtswegentscheidung und -verweisung neu und für alle Gerichtszweige einheitlich durch § 17a GVG geregelt worden. § 17a GVG gilt kraft Verweisung (§ 155 FGO) auch für die Finanzgerichtsbarkeit (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., Anh. § 33 Rz. 1; Begründung zum Entwurf für das 4. VwGOÄndG BTDrucks 11/7030 S. 36). Diese Verweisung umfaßt auch die Vorschriften über die Statthaftigkeit der Beschwerde in § 17a Abs. 4 GVG. Im Gegensatz zu § 128 Abs. 1 FGO ist nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG die Beschwerde gegen die Rechtswegentscheidung des FG nur statthaft, wenn sie in dem Beschluß des FG - wie im Streitfall geschehen - zugelassen worden ist, weil es sich bei dem FG um ein oberes Landesgericht handelt (§ 2 FGO) und nur eine Beschwerde an den BFH, einem obersten Gerichtshof des Bundes, in Betracht kommt (vgl. Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 128 FGO Rz. 41).

§ 70 Satz 2 FGO, der vorschreibt, daß Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 GVG unanfechtbar sind, steht der Statthaftigkeit der Beschwerde nicht entgegen. Denn § 70 FGO betrifft nicht die Entscheidungen der FG über die Zulässigkeit des zu ihm beschrittenen Rechtsweges, sondern nur die Entscheidungen der FG über ihre örtliche und sachliche Zuständigkeit, für die nach § 70 Satz 1 FGO die §§ 17 bis 17b GVG entsprechend gelten. Nur in bezug auf die Entscheidungen über die örtliche und sachliche Zuständigkeit der FG schließt § 70 Satz 2 FGO die Anfechtbarkeit der Beschlüsse der FG aus (vgl. List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., § 70 FGO Rz. 1 a).

2. Die Beschwerde ist begründet, weil im vorliegenden Rechtsstreit, anders als das FG meint, der Finanzrechtsweg gegeben ist.

a) Die Frage, welcher Rechtsweg gegeben ist, ist aufgrund des Sachvortrags des Klägers nach der Rechtsnatur seines Klagebegehrens zu unterscheiden. Das Auskunftsverlangen des Klägers bezieht sich auf eine Abgabenangelegenheit i. S. von § 33 Abs. 2 FGO, für die nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO der Finanzrechtsweg gegeben ist. Nach § 33 Abs. 2 FGO sind Abgabenangelegenheiten im Sinne der FGO alle mit der Verwaltung der Abgaben oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten. In diesem Sinne ist nach der Rechtsprechung des Senats auch die verlangte Auskunft über die Person eines Informanten, die den Zuständigkeitsbereich der Finanzverwaltung betrifft, eine Abgabenangelegenheit, wenn das eingeleitete Strafverfahren (oder Bußgeldverfahren) eingestellt worden ist (BFH-Urteil in BFHE 143, 503, BStBl II 1985, 571). Der Senat hält die Gründe, die das FG veranlaßt haben, im Streitfall von diesem Grundsatz abzuweichen, nicht für überzeugend.

Der Umstand, daß die Informationen und der Name des Informanten nur in den Handakten des Fahndungsprüfers enthalten sind, steht der Annahme, daß es sich im Streitfall um eine Abgabenangelegenheit handelt, nicht entgegen.

Die Steuerfahndung kann nach § 208 AO 1977 sowohl in Abgabenangelegenheiten als auch in Steuerstraf- und Bußgeldsachen tätig werden. Es hängt deshalb vom Einzelfall ab, ob in konkreten Fall eine Abgabenangelegenheit oder eine dem Straf- und Bußgeldverfahren zuzuordnende Sache zu entscheiden ist (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Oktober 1986 I B 28/86, BFHE 147, 492, BStBl II 1987, 440). Geht es um die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen von § 208 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977, handelt es sich jedenfalls um eine Abgabenangelegenheit, solange noch kein förmliches Straf- und Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist (BFH-Urteil in BFHE 120, 571, BStBl II 1977, 318, 320).

Im Streitfall bezogen sich die von der Steuerfahndung vor Einleitung des Strafverfahrens entgegengenommenen Angaben des Informanten auf Tatsachen, die für die Besteuerung des Klägers erheblich sein konnten. Ohne Bedeutung ist, ob die Angaben zutreffend waren und tatsächlich als Grundlage für die Besteuerung des Klägers gedient haben. Ausreichend ist, daß sich die Angaben auf solche Tatsachen bezogen, die, wenn sie sich als richtig erwiesen hätten, auf die Besteuerung des Klägers hätten Einfluß haben können. Daß die Angaben des Informanten nur in den Handakten des Fahndungsprüfers aufbewahrt werden, ist in diesem Zusammenhang ebenfalls unerheblich, weil die Einordnung der Angaben in die jeweiligen Akten keinen Einfluß auf die rechtliche Zuordnung der Tätigkeit der Steuerfahndung zu einem der hier in Betracht kommenden Bereiche haben kann. Ohne Bedeutung ist auch, daß das Steuerstrafverfahren, auf das sich die Angaben des Informanten bezogen, inzwischen bestandskräftig abgeschlossen ist. Denn entscheidend ist nur, daß die Steuerfahndung die Angaben seinerzeit im Rahmen ihrer Aufgabe zur Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen entgegengenommen hat.

An dem Charakter des Klagebegehrens als Abgabenangelegenheit vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß später gegen den Kläger in der Sache ein Steuerstrafverfahren durchgeführt worden ist. Es ist zwar richtig, daß, sofern die Rechtmäßigkeit einer im Steuerstrafverfahren getroffenen Maßnahme zu prüfen ist, der Finanzrechtsweg nach § 33 Abs. 3 FGO ausgeschlossen ist (BFH-Urteil vom 20. April 1983 VII R 2/82, BFHE 138, 164, BStBl II 1983, 482). Die Einleitung des Strafverfahrens hat aber keinen Einfluß auf den Charakter einer Tätigkeit der Steuerfahndung, die davor stattgefunden hat und die - wie bereits ausgeführt - eine Abgabenangelegenheit i. S. des § 33 Abs. 2 FGO betrifft.

Dem Klagebegehren ist nicht zu entnehmen, daß es im Anschluß an ein Strafverfahren gestellt wird und deshalb als Annex dazu als gegen eine Justizbehörde im funktionellen Sinne gerichtet mit der Folge anzusehen ist, daß dafür nach § 23 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben wäre (vgl. dazu BFH in BFHE 138, 164, BStBl II 1983, 482). Zwar wurde gegen den Kläger nach § 397 AO 1977 ein Strafverfahren eingeleitet, in das auch die Angaben des Informanten eingegangen sind. Der Klage ist aber nicht zu entnehmen, daß die Auskunft gerade wegen dieses Umstands und aufgrund besonderer, dem Strafverfahren eigener Vorschriften verlangt wird, sondern sie richtet sich allgemein gegen das FA als der für Abgabenangelegenheiten zuständigen Finanzbehörde, der gegenüber der Informant seine Angaben gemacht hat, bevor das Strafverfahren eingeleitet wurde.

b) § 33 Abs. 3 FGO (i. d. F. von Art. 6 Nr. 1 des Grenzpendlergesetzes vom 24. Juni 1994, BGBl I, 1395, vgl. davor § 33 Abs. 2 Satz 2), wonach die Vorschriften der FGO auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung finden, ist im Streitfall nicht einschlägig, weil kein Straf- und Bußgeldverfahren mehr schwebt und das Auskunftsverlangen deshalb nicht im Rahmen eines solchen gestellt worden sein kann. Grundsätzlich ist für die in § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO genannten Abgabenangelegenheiten der Finanzrechtsweg gegeben. Nur wenn und solange ein Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren anhängig ist und in dessen Rahmen Anträge gestellt werden, findet die FGO gemäß § 33 Abs. 3 keine Anwendung, weil dann die besonderen Vorschriften der StPO bzw. des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten gelten.

3. Da das FG eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Der Senat entscheidet über die Zulässigkeit des Rechtsweges, weil die Sache spruchreif ist.

4. Eine Kostenentscheidung ergeht nicht, weil durch die Beschwerdeentscheidung nicht ein Verfahren i. S. des § 143 Abs. 1 FGO beendet worden ist. Daran fehlt es schon deshalb, weil die Beschwerde sich gegen eine Entscheidung des FG richtet, die - im Rahmen des durch die Klage eingeleiteten Hauptverfahrens - von Amts wegen getroffen und folglich nicht durch den Rechtsbehelf eines Verfahrensbeteiligten veranlaßt worden ist (vgl. BFH-Beschluß vom 20. Oktober 1987 VII B 82/87, BFH/NV 1988, 387).