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  BFH-Urteil vom 18.12.1996 (I R 128-129/95) BStBl. 1997 II S. 546

Veräußert ein Steuerberater sein bewegliches Betriebsvermögen mit Ausnahme des Mandantenstamms, der das werthaltigste Wirtschaftsgut seines Betriebsvermögens darstellt, an eine von ihm gegründete GmbH, so kann der Mandantenstamm Gegenstand eines Pachtvertrages zwischen Berater und Beratungs-GmbH sein (Abgrenzung zu BFH-Urteil vom 30. März 1994 I R 52/93, BFHE 175, 33, BStBl II 1994, 903). Die von der GmbH hierfür gezahlten (angemessenen) Pachtzinsen sind keine verdeckten oder anderen Ausschüttungen i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 und § 27 KStG.

KStG § 8 Abs. 3, § 27.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Rechtsnachfolger der H Steuerberatungsgesellschaft mbH (kurz: H-GmbH). Die H-GmbH wurde 1985 vom Kläger zu 1 errichtet. Dieser veräußerte der H-GmbH mit Vereinbarung vom 1. April 1986 das bewegliche Vermögen, die Finanzanlagen und das Umlaufvermögen seiner Einzelpraxis als Steuerberater. Der Praxiswert, d. h. der Wert aller dem Kläger zu 1 erteilten Mandate, der nicht in die H-GmbH eingebracht werden sollte, sollte vereinbarungsgemäß der H-GmbH mietweise gegen Zahlung von jährlich 124.000 DM überlassen werden. Neue Mandate sollten nicht der H-GmbH, sondern dem Kläger zu 1 zustehen. Mit Vereinbarung vom 1. April 1989 veräußerte der Kläger zu 1 den Praxiswert für 1,1 Mio. DM an die H-GmbH. Daß der Kaufpreis dem Verkehrswert entsprach, ist unstreitig. Der Kläger zu 1 räumte der H-GmbH in Höhe des Praxiswertes ein Darlehen ein, das diese mit 7,5 v. H. zu verzinsen hatte.

Im Juni 1989 schloß der Kläger zu 1 mit dem Kläger zu 2 einen Kaufvertrag, in dem er diesem 1/3 des Stammkapitals veräußerte. Ferner trat der Kläger zu 1 dem Kläger zu 2 aus einem Darlehensanspruch in Höhe von 1,1 Mio. DM einen Betrag von 405.000 DM dergestalt ab, daß der Kläger zu 2 diesen Betrag an den Kläger zu 1 zahlte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat im Anschluß an eine Außenprüfung die Auffassung, daß der Kläger zu 1 im Jahr 1986 den Praxiswert seiner Einzelpraxis in die H-GmbH verdeckt eingelegt habe. Mit den verkauften Aktiva und Passiva sei auch der Praxiswert auf die H-GmbH ohne Gegenleistung übergegangen. Die für die Überlassung des Praxiswertes gezahlten Vergütungen seien folglich verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA). Die Einlage sei im EK 04 auszuweisen.

Die Klage, mit der sich die Kläger gegen die Annahme vGA bzw. einer verdeckten Einlage wandten, hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) beurteilte die Überlassung des Praxiswertes im Jahr 1986 als Kaufvertrag, hielt aber als "Kaufpreisraten" nur 49.500 DM (1986) bzw. 66.000 DM (1987 und 1988) für angemessen. Betreffend 1989 hielt das FG insgesamt laufende Zahlungen in Höhe von 66.000 DM für angemessen und lehnte es ab, die 1989 geleisteten Darlehenstilgungen in Höhe von 54.000 DM als vGA zu beurteilen.

Das FA rügt mit seinen Revisionen Verletzung des § 8 Abs. 3 Satz 2, § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und beantragt, die FG-Urteile aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revisionen als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die beiden Verfahren werden gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die verbundenen Revisionen werden als unbegründet zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO).

A. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermeßbetrag

Das FA geht davon aus, daß anläßlich einer Betriebsveräußerung der Geschäftswert notwendigerweise auf den Betriebserwerber übergeht und daß, sollte für den Übergang des Geschäftswerts kein Entgelt vereinbart worden sein, dieser verdeckt eingelegt wird (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. März 1987 I R 202/83, BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705; vom 30. März 1994 I R 52/93, BFHE 175, 33, BStBl II 1994, 903, m. w. N.). Sei der Geschäftswert in die H-GmbH eingelegt und damit deren Betriebsvermögen geworden, so müßten die Zahlungen für die Nutzung des Geschäftswerts vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG sein. Dem folgt der Senat nicht. Aufgrund der Besonderheiten des Streitfalles kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger zu 1 im Zusammenhang mit einer Praxisveräußerung einen Praxiswert - zwangsweise - in die H-GmbH einlegte.

Wie das FG festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 FGO), bestand der Praxiswert im Wert der dem Kläger zu 1 erteilten Mandate (vgl. Vereinbarung vom 1. April 1986). Im Gegensatz zum Praxis- oder Geschäftswert muß der Mandantenstamm nicht notwendigerweise das Rechtsschicksal der im übrigen übertragenen Gegenstände des Betriebsvermögens teilen. Er kann Gegenstand eines selbständigen Übertragungsgeschäfts sein (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 5 Rdnr. 270 "Mandantenstamm"; Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 7 Rdnr. 49 f.; BFH-Urteil vom 26. Juli 1989 I R 49/85, BFH/NV 1990, 442; zum Kundenstamm siehe auch Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 7 Rdnr. 600 "Kundenstamm"; BFH-Urteile vom 17. März 1977 IV R 218/72, BFHE 122, 70, BStBl II 1977, 595; vom 19. Januar 1960 I 213/59, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz bis 1974, § 5, Rechtsspruch 220). So kann beispielsweise ein Steuerberater seine Praxisräume, die Praxiseinrichtung u. a. auf eine Steuerberater-GmbH übertragen und seinen Mandantenstamm ganz oder teilweise einem freiberuflichen Steuerberater überlassen. Kann aber ein Wirtschaftsgut, wie hier der Mandantenstamm, selbständig übertragen werden, so kann er auch Gegenstand eines selbständigen Pachtvertrages sein. Im Grunde stellt im Streitfall die Veräußerung des beweglichen Vermögens, der Finanzanlagen und des Umlaufvermögens gar keine Betriebsveräußerung dar, weil der Kläger zu 1 den wesentlichsten und werthaltigsten Teil seines Betriebsvermögens nicht mitveräußerte (anders z. B. Sachlage in BFHE 149, 542, BStBl II 1987, 705). Insoweit unterscheidet sich die Sachlage von der der Entscheidung des Senats in BFHE 175, 33, BStBl II 1994, 903.

Die Pachtzahlungen sind auch nicht deswegen vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, weil der Kläger zu 1 Geschäftsführer der H-GmbH war. Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 28. Februar 1990 I R 144/87 (BFHE 160, 237, BStBl II 1990, 595) eine gegenteilige Auffassung vertreten. Von dieser Rechtsprechung ist er jedoch mit seiner Entscheidung in BFHE 175, 33, BStBl II 1994, 903 für den Fall abgerückt, daß der Inhaber einer Steuerberaterpraxis der von ihm gegründeten Kapitalgesellschaft einen verkehrsfähigen Praxiswert überläßt. Dies gilt auch, wenn man Praxiswert und Mandantenstamm als zwei getrennte Wirtschaftsgüter beurteilt. Daß der Mandantenstamm ein verkehrsfähiger Wert im Streitfall war, ist unstreitig. Nach den Feststellungen des FG betrug der objektive Wert des Praxiswertes zum 1. April 1986 1,1 Mio. DM. Er wurde ferner 1990 (teilweise) realisiert. Daraus folgt, daß der in Frage stehende Mandantenstamm nicht dem Wert höchstpersönlicher Arbeitsleistung und Schaffenskraft des Klägers zu 1 entspricht. Nur für die zuletzt genannte Alternative verbleibt es bei den in BFHE 160, 237, BStBl II 1990, 595 dargestellten Rechtsgrundsätzen.

Damit kommt es auf die vom FA schwerpunktmäßig herausgestellte Frage, ob das FG aufgrund der beherrschenden Gesellschaftsverhältnisse zwischen dem Kläger zu 1 und der H-GmbH einen eindeutigen Nutzungsüberlassungsvertrag in einen Kaufvertrag umdeuten durfte (vgl. z. B. auch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. März 1990 VIII ZR 18/89, Der Betrieb 1990, 1558), nicht an. Der Kläger zu 1 und die H-GmbH haben jedenfalls "klar und eindeutig" eine entgeltliche Regelung im Zusammenhang mit der Überlassung des Praxiswertes getroffen. Die Angemessenheit der hierfür von der H-GmbH zu zahlenden Vergütungen ist, da die Kläger keine Revision eingelegt haben, nicht mehr Streitgegenstand.

B. Feststellungsbescheide gemäß § 47 KStG

Mindert sich das Einkommen der H-GmbH, so sind die Feststellungsbescheide entsprechend anzupassen (§ 47 Abs. 2 KStG in der seinerzeit geltenden Fassung). Klarstellend bleibt allerdings noch darauf hinzuweisen, daß bereits das FG in seiner Entscheidung VI 237/92 ausdrücklich die Annahme einer verdeckten Einlage im Jahr 1986 verneint hat. Infolgedessen ist das EK 04 zum 31. Dezember 1986 wiederum um 1,1 Mio. DM herabzusetzen. Die angefochtenen Folgebescheide sind entsprechend anzupassen.