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  BFH-Urteil vom 22.1.1997 (I R 64/96) BStBl. 1997 II S. 548

1. Ein Verspätungszuschlag, den eine Kapitalgesellschaft wegen verspäteter Abgabe einer Kapitalertragsteueranmeldung entrichten muß, ist eine abzugsfähige Betriebsausgabe.

2. Der Umstand, daß der Verspätungszuschlag maßgebend auf der gesetzlichen Verpflichtung zum Steuerabzug beruht, schließt die Annahme einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1984 aus.

KStG 1984 § 8 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2; KStG 1990 § 10 Nr. 2; AO 1977 § 1 Abs. 3, § 152.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1996, 1239)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, der gegenüber der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) wegen verspäteter Abgabe einer Kapitalertragsteueranmeldung einen Verspätungszuschlag in Höhe von 5.000 DM festsetzte.

Im Rahmen der Gewinnermittlung 1988 (Streitjahr) behandelte die Klägerin die Zahlung des Verspätungszuschlags als Betriebsausgabe. Das FA sah sie dagegen als gemäß § 10 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1990) i. d. F. des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) nicht abziehbare Betriebsausgabe an. Einsprüche und Klage gegen die entsprechend geänderten Bescheide betreffend die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermeßbetrag 1988 sowie die Feststellung gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1988 blieben erfolglos (s. Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1996, 1239).

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) aufgrund einer entsprechenden Beschwerde zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 10 Nr. 2 KStG 1990.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter teilweiser Aufhebung der Vorentscheidung die Bescheide betreffend die Körperschaftsteuer 1988 und die Feststellung gemäß § 47 KStG auf den 31. Dezember 1988 vom 12. August 1991 sowie den Gewerbesteuermeßbetrag 1988 vom 21. August 1991, jeweils in Form der Einspruchsentscheidungen vom 22. Mai 1992, dahin zu ändern, daß der Verspätungszuschlag als abziehbare Betriebsausgabe behandelt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung der Vorentscheidung und zur teilweisen Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Für Zwecke der Festsetzung der Körperschaftsteuer ist das Einkommen der Kapitalgesellschaft gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1984 nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG), der §§ 7 ff. KStG 1984 sowie des § 10 Nr. 2 KStG 1990 zu ermitteln. Nach diesen Vorschriften ist der Verspätungszuschlag zur Kapitalertragsteuer bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns als Betriebsausgabe abziehbar; eine Korrektur dieser Gewinnminderung nach § 8 Abs. 3 KStG 1984 scheidet aus.

2. Nach § 10 Nr. 2 KStG 1990 sind u. a. die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern sowie die auf diese Steuern entfallenden Nebenleistungen mit Ausnahme bestimmter Zinsen nicht abziehbare Aufwendungen. Die Vorschrift findet wegen § 54 Abs. 5 KStG 1990 auch auf den Veranlagungszeitraum 1988 rückwirkende Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1994 I R 7/94, BFHE 176, 552, BStBl II 1995, 477). Verspätungszuschläge i. S. des § 152 der Abgabenordnung (AO 1977) sind zwar gemäß § 3 Abs. 3 AO 1977 Nebenleistungen i. S. des § 10 Nr. 2 KStG 1990. Das Abzugsverbot erstreckt sich aber nicht auf Nebenleistungen einer Kapitalgesellschaft, die auf die von ihren Gesellschaftern geschuldete Kapitalertragsteuer entfallen.

a) Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG wird bei Kapitalerträgen i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 die Einkommensteuer des Gläubigers der Kapitalerträge durch Steuerabzug vom Kapitalertrag (Kapitalertragsteuer) erhoben. Schuldner der Kapitalertragsteuer ist der Gläubiger der Kapitalerträge. Für dessen Rechnung hat die Kapitalgesellschaft als Schuldnerin der Kapitalerträge den Steuerabzug vorzunehmen (§ 44 Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG).

b) § 10 Nr. 2 KStG 1990 ist nur auf die Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern der Kapitalgesellschaft sowie die hierauf entfallenden Nebenleistungen anwendbar. Das Abzugsverbot gilt deshalb u. a. für die Körperschaftsteuer, die durch Steuerabzug vom Kapitalertrag der Kapitalgesellschaft erhoben wird (vgl. Graffe in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, die Körperschaftsteuer, § 10 KStG Rdnr. 21; Krebs in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 10 KStG Rdnr. 38; Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz, § 10 Rdnr. 21).

Nimmt die Kapitalgesellschaft den Steuerabzug als Schuldnerin der Kapitalerträge vor, fällt die Kapitalertragsteuer unter die nach § 12 Nr. 3 EStG nicht abzugsfähigen Steuern vom Einkommen der Gesellschafter (vgl. Söhn in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rdnr. E 1200, Stichwort Steuern - nicht abzugsfähige Steuern -; Arndt in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 12 Rdnr. D 4; Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 12 EStG Rdnr. 100). Eine Steuer vom Einkommen der Gesellschafter kann nicht zugleich als Steuer vom Einkommen oder als sonstige Personensteuer der Kapitalgesellschaft i. S. des § 10 Nr. 2 KStG 1990 beurteilt werden. Hierfür spricht auch § 5 Abs. 2 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer (KapErhStG) i. d. F. vom 10. Oktober 1967 (BGBl I 1967, 977, BStBl I 1967, 367) und des Art. 4 Nr. 4 des Einführungsgesetzes zum Körperschaftsteuerreformgesetz vom 6. September 1976 (BGBl I 1976, 2641, BStBl I 1976, 476). Nach § 5 Abs. 2 Satz 4 KapErhStG ist die Pauschsteuer, die die Kapitalgesellschaft für die auf bestimmte Gewinnanteile (Dividenden) entfallenden Steuern vom Einkommen der Gesellschafter zu entrichten hat, bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft nicht abziehbar. Dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn Steuern vom Einkommen der Gesellschafter bereits nach § 10 Nr. 2 KStG nicht abziehbar wären.

3. Für den vor der Klägerin entrichteten Verspätungszuschlag fehlt es auch nicht an einer betrieblichen Veranlassung i. S. des § 4 Abs. 4 EStG. Wie der Senat im Urteil vom 4. Dezember 1996 I R 54/95 (zur Veröffentlichung bestimmt; s. BFH/NV 1997 R 190) entschieden hat, müssen bei der Kapitalgesellschaft schon aus Gründen des § 8 Abs. 2 KStG sämtliche Aufwendungen als betrieblich veranlaßt behandelt werden, weil die Kapitalgesellschaft keine außerbetriebliche Sphäre hat. Daraus folgt, daß selbst gesellschaftlich veranlaßte Aufwendungen als Betriebsausgaben den Gewinn mindern und eine Gewinnkorrektur nur unter dem Gesichtspunkt einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG in Betracht kommt.

4. Nach § 8 Abs. 3 KStG wird das Einkommen durch eine Gewinnausschüttung nicht gemindert. Gleiches gilt auch für die auf die Gewinnausschüttung entfallende Kapitalertragsteuer (vgl. Frotscher/Maas, a. a. O., § 10 Rdnr. 21). Der Verspätungszuschlag zur Kapitalertragsteuer ist dagegen weder als Einkommensverwendung i. S. des § 8 Abs. 3 KStG noch als vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu beurteilen. Unter einer vGA ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteil vom 5. Oktober 1994 I R 50/94, BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549, m. w. N.). Der Verspätungszuschlag ist nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt. Er wurde wegen verspäteter Abgabe der Kapitalertragsteueranmeldung festgesetzt und steht damit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der der Kapitalgesellschaft von Gesetzes wegen zugunsten des Fiskus auferlegten Verpflichtung, die Kapitalertragsteuer einzubehalten und abzuführen. Diese Verpflichtung ist unbeschadet dessen, daß sie durch eine (offene oder verdeckte) Gewinnausschüttung ausgelöst wird, als solche nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt. Daraus folgt, daß von der Kapitalgesellschaft geschuldete Nebenleistungen, die wegen der Verletzung dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung anfallen, nicht als vGA zu beurteilen sind.

5. Die Vorinstanz ist von einer abweichenden Rechtsauffassung ausgegangen. Ihr Urteil war deshalb teilweise aufzuheben. Der Senat kann durcherkennen. Die angefochtenen Festsetzungen der Körperschaftssteuer und des Gewerbesteuermeßbetrags sind dahin zu ändern, daß der streitige Verspätungszuschlag als Betriebsausgabe anzusehen ist (§ 8 KStG i. V. m. § 4 Abs. 4 EStG, § 7 des Gewerbesteuergesetzes). Entsprechend ist auch der angefochtene Feststellungsbescheid zu ändern. Dem FA wird aufgegeben, die hiernach festzusetzenden und festzustellenden Beträge zu ermitteln (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).