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  BFH-Urteil vom 3.7.1997 (IV R 31/96) BStBl. 1997 II S. 690

Erlaß von Schulden aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens eines Gesellschafters führt nicht zu steuerfreiem Sanierungsgewinn, wenn die Gesellschaft nicht sanierungsbedürftig ist.

EStG § 3 Nr. 66.

Vorinstanz: FG München (EFG 1996, 688)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb in B eine Arztpraxis. Er beteiligte sich neben zahlreichen anderen Engagements im Immobilienbereich als Kommanditist an der Beigeladenen, einer Hotel-Betriebs-KG, und vermietete dieser fünf ihm gehörende Appartements in dem von ihr betriebenen Hotel. Der Entwicklung in den Vorjahren entsprechend stand in der "Ergänzungsbilanz" (es handelte sich offenkundig um die Sonderbilanz) des Klägers zum 31. Dezember 1987 dem Aktivvermögen von 582.508 DM Fremdkapital von 1.941.001 DM gegenüber. Die Gewinn- und Verlustrechnung 1987 wies Mieteinnahmen von 5.164 DM und einen Verlust von 135.934 DM aus. An Ausgaben waren u. a. Darlehenszinsen von 109.252 DM angefallen.

Da der Kläger trotz seiner Einnahmen aus der Arztpraxis den Schuldendienst aus seinen zahlreichen Engagements im Immobilienbereich nicht leisten konnte, schlossen die Gläubiger mit dem Kläger und seiner Ehefrau im November/Dezember 1988 einen außergerichtlichen Vergleich über einen teilweisen Schulderlaß. An dem Vergleich nahmen neun Gläubiger mit nicht gesicherten Forderungen von 2.479.000 DM teil. Die Gläubiger verwerteten die ihnen überlassenen Sicherheiten. Darüber hinaus erhielten sie eine Quote in Höhe von 12,1 v. H. der nicht gesicherten Forderungen. Von dem erlassenen Betrag entfallen auf die Finanzierung der Hotel-Betriebs-GmbH zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter 624.725 DM. Bei den Gläubigern, die auf diesen Betrag verzichteten, handelte es sich um die D Bank und um die aus den Eigentümern der Hotel-Appartements bestehenden "Eigentümergemeinschaft Hotel A". Der Kläger behielt in den folgenden Jahren die Hotel-Appartements und führte die Beteiligung an der Beigeladenen fort. Die erklärten Verluste verringerten sich auf relativ geringfügige Beträge von wenigen Tausend DM.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gab dem Begehren des Klägers, den Gewinn aus dem Forderungserlaß von 624.725 DM als Sanierungsgewinn gemäß § 3 Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als steuerfrei festzustellen, weder im Feststellungsverfahren noch im Einspruchsverfahren statt.

Mit der hiergegen gerichteten Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 688 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.

1. Zuzustimmen ist dem FG insoweit, als es über die Steuerfreiheit des streitigen Gewinns im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung der Beigeladenen entschieden hat.

a) Die Schulden, durch deren Erlaß der streitige Gewinn entstanden ist, gehörten zum negativen Sonderbetriebsvermögen des Klägers bei der Beigeladenen. Insbesondere gehörten sie nicht zum Betriebsvermögen des Klägers bei einem Besitzunternehmen im Rahmen einer mitunternehmerischen Betriebsaufspaltung. Als Besitzunternehmen käme im Streitfall die Eigentümergemeinschaft "Hotel A" in Betracht. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 23. April 1996 VIII R 13/95 (BFHE 181, 1) entschieden, daß die Qualifikation von Wirtschaftsgütern als Gesellschaftsvermögen der Besitzgesellschaft Vorrang habe vor der Qualifikation des Vermögens als Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei der Betriebsgesellschaft. Bei der Eigentümergemeinschaft "Hotel A" handelt es sich jedoch um eine Gemeinschaft ohne Gesellschaftsvermögen, so daß bereits aus diesem Grund die im Urteil in BFHE 181, 1 aufgestellten Grundsätze nicht anwendbar sind. Zudem läßt sich dem FG-Urteil auch nicht entnehmen, daß die Eigentümergemeinschaft gewerbliche Einkünfte als Besitzunternehmen erzielte.

b) Ferner ist das FG zu Recht davon ausgegangen, daß über die Steuerfreiheit nicht im Rahmen der Veranlagung des Klägers selbst zu befinden war.

Gemäß § 179 Abs. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) sind die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte einheitlich und gesondert festzustellen, wenn an ihnen mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind. Gegenstand der einheitlichen und gesonderten Feststellung sind auch Sonderbetriebsausgaben bzw. Sonderbetriebsaufwand. Sie sind Teile der Einkünfte (des Gewinns), an denen mehrere Personen beteiligt sind. Das Gesetz schreibt die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus der Beteiligung vor und nicht nur die Feststellung des gemeinschaftlich erzielten Ergebnisses (BFH-Urteil vom 11. September 1991 XI R 35/90, BFHE 165, 336, BStBl II 1992, 4, m. w. N.). Auch die Frage, ob ein bei einer Personengesellschaft angefallener Gewinn ein steuerfreier Sanierungsgewinn ist, ist eine die Personengesellschaft unmittelbar berührende Frage, da bei ihrer Beantwortung die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens der Gesellschaft eine wesentliche Rolle spielt, und zwar auch dann, wenn man mit dem Kläger auf die Förderung bzw. Wiederherstellung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Gesellschafters abstellt (BFH-Urteil vom 12. Juni 1980 IV R 150/79, BFHE 131, 299, BStBl II 1981, 8).

2. In der Sache selbst vermag der Senat dem FG jedoch nicht zu folgen. Der aus dem streitigen Schulderlaß resultierende Gewinn ist nicht als steuerfreier Sanierungsgewinn anzusehen.

Nach § 3 Nr. 66 EStG sind Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, daß Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, von der Einkommensteuer befreit.

Im Streitfall ist zwar durch Schulderlaß eine Erhöhung von Betriebsvermögen (Sonderbetriebsvermögen) entstanden. Der Wortlaut des § 3 Nr. 66 EStG bietet auch keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Erlaß von Schulden aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens von vornherein nicht zu einem steuerfreien Sanierungsgewinn führen kann. Es fehlt jedoch an dem Tatbestandsmerkmal "zum Zwecke der Sanierung".

a) Der Begriff der Sanierung ist gesetzlich nicht festgelegt. Nach der Rechtsprechung sind unter einer Sanierung Maßnahmen zu verstehen, die geeignet sind, ein Unternehmen vor dem Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragsfähig zu machen (BFH-Urteil vom 22. April 1964 I 62/61 U, BFHE 79, 382, BStBl III 1964, 370, m. w. N.).

Demzufolge setzt die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns u. a. voraus, daß das Unternehmen, dessen Schulden erlassen werden, sanierungsbedürftig ist (ständige Rechtsprechung: z. B. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1990 VIII R 39/87, BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784, m. w. N.).

Im Streitfall geht es um einen Gewinn, der - wie eingangs ausgeführt - bei der Gewinnermittlung für die beigeladene KG festzustellen ist. In einem solchen Fall ist das Merkmal der Sanierungsbedürftigkeit nur dann gegeben, wenn die Gesellschaft als solche in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist. Es reicht demgegenüber nicht aus, wenn ein Mitunternehmer (Inhaber des Sonderbetriebsvermögens) nicht mehr in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.

Ein Mitunternehmer ist - auch mit dem Einsatz seines Sonderbetriebsvermögens - nur insoweit gewerblich tätig, als er im Wege seiner Beteiligung an der Personengesellschaft gemeinschaftlich mit anderen einen Gewerbebetrieb unterhält (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616, unter C. III. 6. a, bb). Entgegen der Auffassung des FG gibt es kein gewerbliches Unternehmen des Gesellschafters, das die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern an die Gesellschaft zum Gegenstand hat. Der Hinweis des FG auf das Umsatzsteuerrecht vermag seine Auffassung nicht zu stützen. Zwar unterscheidet das Umsatzsteuerrecht danach, ob der Gesellschafter Leistungen gegen Sonderentgelt oder als Gesellschaftsbeitrag erbringt (BFH-Urteil vom 12. Februar 1987 V R 116/86, BFHE 149, 120, BStBl II 1987, 438). Das Ertragsteuerrecht kennt diese Unterscheidung indessen nicht. Vielmehr werden die Leistungen des Mitunternehmers an die Gesellschaft seit dem BFH-Urteil vom 18. Juli 1979 I R 199/75 (BFHE 128, 516, BStBl II 1979, 750) durchweg als Beiträge zur Erfüllung des Gesellschaftszwecks angesehen, gleichgültig, ob sie gegen schuldrechtliche Vergütung oder gegen Gewinnbeteiligung erbracht werden.

Im Streitfall war die beigeladene KG zu keinem Zeitpunkt in ihrer Existenz bedroht und damit nicht sanierungsbedürftig.

b) Ein steuerfreier Sanierungsgewinn kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der sog. unternehmerbezogenen Sanierung angenommen werden. Der BFH hat zwar mehrfach entschieden, daß es für die Sanierungseignung genügt, wenn der Forderungserlaß einem Einzelunternehmer oder einem persönlich haftenden Gesellschafter die Möglichkeit bietet, nach Aufgabe des Unternehmens als Angestellter oder in irgendeiner Form wirtschaftlich weiterzubestehen, ohne von den bisherigen Schulden beeinträchtigt zu sein (BFH-Urteile vom 14. März 1990 I R 64/85, BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810; I R 106/85, BFHE 161, 34, BStBl II 1990, 813; vom 24. Oktober 1990 X R 129/87, BFH/NV 1991, 372; in BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784).

Allerdings hat der BFH in diesen Fällen lediglich das Erfordernis der Sanierungseignung unternehmerbezogen gesehen. Dagegen hat er bei der Beurteilung der Sanierungsbedürftigkeit, d. h. der Existenzbedrohung durch Überschuldung o. ä., auf die Verhältnisse des Unternehmens, sofern es um die Existenzsicherung eines Mitunternehmers ging, also auf die der Gesellschaft abgestellt (Urteil in BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784).

Das gefundene Ergebnis verstößt weder gegen den Zweck des § 3 Nr. 66 EStG noch führt es zu unbilligen Ergebnissen. Die Rechtsprechung hat den Sinn und Zweck der Vorschrift darin gesehen, daß notleidende Unternehmen als Faktor des Wirtschaftslebens, insbesondere als Einkunftsquelle des Unternehmers und seiner Arbeitnehmer erhalten bleiben sollen (Senats-Urteil vom 7. Februar 1985 IV R 177/87, BFHE 143, 531, BStBl II 1985, 504). Darüber hinausgehend hat der BFH in bezug auf die unternehmerbezogene Sanierung ausgeführt, durch die Steuerbefreiung der Sanierung solle der Erlaß von Forderungen begünstigt werden, die nicht mehr vollwertig seien, jedoch den Schuldner in seiner Existenz bedrohten (Urteile in BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810, und in BFHE 164, 404, BStBl II 1991, 784). Beiden Zielvorstellungen ist jedoch gemeinsam, daß die Existenz des Schuldners infolge seiner unternehmerischen Tätigkeit bedroht sein muß. Das ist - wie der Streitfall zeigt - bei einem Erlaß, der ausschließlich wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten eines Kommanditisten notwendig wird, regelmäßig nicht der Fall. Die Schwierigkeiten beruhen in solchen Fällen nicht auf gewerblichen Verlusten, sondern darauf, daß die anderweitigen Einkünfte des Kommanditisten nicht ausreichen, um Zinsen und Tilgungen für die Schulden, die der Finanzierung seines Sonderbetriebsvermögens, aber auch der Finanzierung anderer - möglicherweise rein privater - Engagements dienen, aufzubringen. Wenn er in Zahlungsschwierigkeiten gerät, obwohl das Unternehmen, an dem er beteiligt ist, floriert, ist das ein Anzeichen dafür, daß seine wirtschaftliche Existenz mit der des Unternehmens nicht in gleicher Weise verknüpft ist, wie die eines persönlich haftenden Gesellschafters oder Einzelunternehmers.

Ob beim Kläger ein Sanierungsgewinn deshalb entstanden ist, weil sich die Schulden seines freiberuflichen Betriebsvermögens verringert haben, kann im vorliegenden Verfahren nicht geprüft werden.