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BFH-Urteil vom
25.10.1995 (I R 9/95) BStBl. 1997 II S. 703
1. Vereinbarungen, die eine Kapitalgesellschaft mit ihrem beherrschenden Gesellschafter abschließt, sind auslegungsfähig. Vor allem bei Dauerschuldverhältnissen kann zu Auslegungszwecken auf die tatsächliche Übung ab dem Zeitpunkt zurückgegriffen werden, ab dem sie objektiv erkennbar nach außen in Erscheinung tritt. 2. Bestehen keine Anhaltspunkte, die die Ernsthaftigkeit einer abgeschlossenen Rohgewinntantiemevereinbarung in Zweifel ziehen, kann der Fremdvergleich zu einer Entgeltkorrektur nur unter Angemessenheitsgesichtspunkten führen. KStG 1977 §§ 8 Abs. 3 Satz 2, 27 Abs. 3 Satz 2. Vorinstanz: FG Köln Sachverhalt I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahre 1985 mit einem Stammkapital von 200.000 DM gegründete GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland, deren Unternehmensgegenstand der Vertrieb von technischen Dichtungen und industriellen Wartungsprodukten sowie die Erbringung von Service- und Beratungsleistungen auf diesem Gebiet ist. Im Streitjahr 1988 waren an der Klägerin A und B mit je 50 v. H. beteiligt. Beide Gesellschafter waren auch zu Geschäftsführern der Klägerin bestellt. Es bestanden Geschäftsführerverträge vom 1. Juli 1987. Danach hatten A und B Anspruch auf ein Geschäftsführergehalt in Höhe von 43 v. H. des Rohgewinns. Dies entspricht auch einem Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 3. August 1987. Am 2. August 1988 beschloß die Gesellschafterversammlung, daß die Geschäftsführer in Abweichung von der bisherigen Gehaltsvereinbarung mit Wirkung ab dem 1. August 1988 ein zusätzliches Gehalt von 1.500 DM monatlich "für die bisher nicht vergütete Geschäftsführer-Tätigkeit" erhalten sollten. Die Klägerin hatte ein abweichendes Wirtschaftsjahr, das vom 1. Juli 1987 bis zum 30. Juni 1988 dauerte. Sie wurde für 1988 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO 1977) zur Körperschaftsteuer veranlagt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) führte für die Veranlagungszeiträume 1989 bis 1991 eine Betriebsprüfung durch. Außerhalb der eigentlichen Betriebsprüfung vertrat das FA die Auffassung, daß die vom 1. Juli 1987 bis zum 30. Juni 1988 an A und B gezahlten Geschäftsführervergütungen in Höhe von 107.338 DM (A) und 113.016 DM (B) als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 und als andere Ausschüttungen i. S. des § 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 zu behandeln seien. Es erließ am 25. November 1992 einen geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1988, in dem das zu versteuernde Einkommen mit 166.060 DM, die Tarifbelastung mit 92.994 DM festgestellt und die Körperschaftsteuer mit 124.367 DM festgesetzt wurde. Der Einspruch und die Klage bleiben erfolglos. Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 8 Abs. 3 Satz 2 und 27 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977. Sie beantragt, das angefochtene Urteil vom 30. Juni 1994 aufzuheben, den Körperschaftsteuerbescheid zu ändern, die Körperschaftsteuer, das zu versteuernde Einkommen und die Tarifbelastung jeweils auf 0 DM festzusetzen bzw. festzustellen. Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Entscheidungsgründe II. Die Klage ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht - FG - (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). 1. Unter einer vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Februar 1994 I R 78/92, BFHE 173, 412, BStBl II 1994, 479). Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der BFH die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist allerdings der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn erbringt, für die es an einer klaren, im voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1990 I R 6/89, BFHE 160, 459, BStBl II 1990, 795). Schließlich kann die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch darin begründet sein, daß das zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter tatsächlich abgeschlossene Rechtsgeschäft zwar auch von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter vereinbart worden wäre, jedoch aus anderen Gründen des Fremdvergleichs als von Anfang an nicht ernstlich gewollt anzusehen ist (vgl. BFH-Urteile vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673; vom 17. Oktober 1984 I R 22/79, BFHE 142, 276, BStBl II 1985, 69; vom 2. Juli 1986 I R 144/85, BFH/NV 1987, 398; vom 2. Dezember 1992 I R 54/91, BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311; vom 16. Dezember 1992 I R 2/92, BFHE 170, 175, BStBl II 1993, 455; vom 29. Juni 1994 I R 11/94, BFHE 175, 253, BStBl II 1994, 952). 2. a) A und B waren beherrschende Gesellschafter der Klägerin. Sie waren zu jeweils 50 v. H. an ihr beteiligt. Ihnen waren dem Grunde nach gleich hohe Tantiemen versprochen worden. Zwar erhielten A und B im Streitjahr unterschiedlich hohe Vergütungen ausbezahlt. Dies beruhte jedoch ausschließlich darauf, daß die von ihnen erzielten "Rohgewinne" unterschiedlich hoch waren. Darauf kommt es aber bei der Beurteilung der beherrschenden Gesellschafterstellung nicht an. Entscheidend ist, daß A und B die gleiche Chance hatten, rohgewinnbezogene Vergütungen zu erzielen. Dies rechtfertigt die Annahme, daß sie bei Abschluß der Vergütungsvereinbarungen gleichgerichtete Interessen verfolgten. b) Die vom FA vertretene Rechtsauffassung, es lägen unklare Vereinbarungen vor, wird durch die tatsächlichen Feststellungen des FG nicht getragen. Auch wenn das FG diese Frage nicht abschließend beurteilt hat, so hat es doch offensichtlich der Annahme einer klaren Vereinbarung zugeneigt. Zwar läßt der in den Vereinbarungen verwendete Begriff "Rohgewinn" seine Bezugsgröße nicht erkennen. Insbesondere ist unklar, welche Aufwendungen in die Ermittlung des Rohgewinns eingehen müssen und ob es sich dabei um den Rohgewinn der Klägerin insgesamt oder um den Rohgewinn nur aus der Tätigkeit von A bzw. B handelt. Jedoch sind Vereinbarungen, die eine Kapitalgesellschaft mit ihrem beherrschenden Gesellschafter abschließt, auslegungsfähig (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 1991 I R 63/90, BFHE 166, 279, BStBl II 1992, 362). Entgegen der Auffassung des FA kann vor allem bei Dauerschuldverhältnissen zu Auslegungszwecken auf die tatsächliche Übung ab dem Zeitpunkt zurückgegriffen werden, ab dem sie objektiv erkennbar nach außen in Erscheinung tritt (vgl. BFH in BFHE 166, 279, BStBl II 1992, 362). Auf den Streitfall bezogen ist dies der Augenblick, ab dem die tatsächliche Übung in den Büchern der Klägerin nachweislich festgehalten wurde. Sollten deshalb A und B einerseits und die Klägerin andererseits den vertraglich angesprochenen Begriff "Rohgewinn" stets übereinstimmend in einem bestimmten Sinne ausgelegt und sollte diese Auslegung in der Buchführung der Klägerin ihren Niederschlag gefunden haben, so kann von einem mündlichen Einvernehmen über den Inhalt des Begriffes ausgegangen werden, was die Annahme einer unklaren Vereinbarung ausschließt. Vor diesem Hintergrund wäre das Fehlen vertraglicher Vereinbarungen über Fälligkeiten und Abschlagszahlungen unschädlich. Solche Vereinbarungen betreffen nur den Vollzug des Vertrages und nicht das Entstehen von Forderungen und Verbindlichkeiten. Bezüglich des Vollzugs des Vertrages reicht es aus, wenn die Klägerin sowie A und B sich wie einander fremde Personen verhielten. Soweit das FA auf Abrechnungsfehler für den Monat Februar 1990 hinweist, hat der Sachvortrag keine Berührung mit dem Streitjahr. Gleiches gilt für die am 2. August 1988 getroffene zusätzliche Vergütungsvereinbarung. Die im Schriftsatz des FA vom 28. März 1995 unter Nr. 2 Buchst. e bis g angestellten Überlegungen betreffen nicht die Rechtsprechung zum beherrschenden Gesellschafter, sondern die zu einem Fremdvergleich. 3. a) Der erkennende Senat pflichtet der vom FG vertretenen Rechtsauffassung nicht bei, wonach die im Streitfall vereinbarte rohgewinnbezogene Tantieme steuerlich wie eine Umsatztantieme zu behandeln sei. Das FG hat nicht näher dargelegt, weshalb die Risiken der beiden genannten Vergütungen für die Klägerin ähnlich waren. Das Anknüpfen an einen Rohgewinn bedeutet zunächst das Einbeziehen von Aufwandspositionen in die Bemessungsgrundlage der Vergütung. Insoweit besteht ein wesentlicher Unterschied zu einer Umsatztantieme. Bei dieser Sachlage hätte das FG die Bedeutung des Einkaufspreises gegenüber den anderen betrieblich veranlaßten Aufwendungen gewichten müssen, um schlüssig darzulegen, daß für die Klägerin das ernsthafte Risiko bestand, eine Vergütung auch dann zahlen zu müssen, wenn sie insgesamt einen Verlust erleidet. b) Das FG hat die rohgewinnbezogenen Provisionen unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs insgesamt als vGA und als andere Ausschüttung behandelt. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats käme diese Rechtsfolge jedoch vor allem beim Fehlen einer klaren, von vornherein abgeschlossenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung in Betracht. Zwar kann eine Entgeltsvereinbarung auch unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs schon dem Grunde nach unüblich sein. Für den Streitfall gilt jedoch insoweit, daß Geschäftsführer einer GmbH im Regelfall entgeltlich tätig werden. Auch brachten A und B durch den Abschluß der rohgewinnbezogenen Vergütungsvereinbarung von vornherein unmißverständlich zum Ausdruck, daß sie nur gegen Entgelt als Geschäftsführer für die Klägerin tätig werden wollten. Bestehen aber keine Anhaltspunkte, die die Ernsthaftigkeit der tatsächlich abgeschlossenen Entgeltsvereinbarung in Zweifel ziehen, dann kann der Fremdvergleich zu einer Entgeltkorrektur nur unter Angemessenheitsgesichtspunkten führen. So gesehen hätten FA und FG zumindest ein angemessenes Geschäftsführergehalt für A und B steuerlich anerkennen müssen. Da die in Höhe von 107.338 DM bzw. von 113.016 DM tatsächlich gezahlten Vergütungen nicht schon auf den ersten Blick als unangemessen bezeichnet werden können, ist es nicht ausgeschlossen, daß sowohl eine vGA als auch eine andere Ausschüttung zu verneinen sind. 4. Die Vorentscheidung entspricht nicht den hier wiedergegebenen Rechtsgrundsätzen. Sie kann deshalb keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Deshalb war die Vorentscheidung aufzuheben. Es sind weitere tatsächliche Feststellungen erforderlich, die nachzuholen die Aufgabe des FG ist. Das FG wird insbesondere prüfen müssen, ob und ab welchem Zeitpunkt die zwischen der Klägerin und A und B getroffenen Vereinbarungen als inhaltlich klar und von vornherein abgeschlossen behandelt werden können. Ggf. wird das FG die Angemessenheit der Leistungen der Klägerin an A und B überprüfen müssen. Zu diesem Zweck war die Sache an das FG zurückzuverweisen.
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