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BFH-Urteil
vom 3.7.1997 (IV R 2/97) BStBl. 1997 II S. 742
Besteht eine Kontokorrentschuld mehr als ein Jahr, so kann eine Dauerschuld auch dann angenommen werden, wenn zwischenzeitlich ein Guthaben nur an einigen wenigen Tagen besteht. GewStG § 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1. Vorinstanz: FG München (EFG 1997, 756) Sachverhalt Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Groß- und Einzelhandel. Ihren Gewinn ermittelt sie durch Vermögensvergleich. Das Wirtschaftsjahr beginnt am 1. Juli und endet am 30. Juni. Bei einer Außenprüfung stellte der Prüfer u. a. fest, daß im Wirtschaftsjahr 1982/83 das Konto der Klägerin bei der A-Bank an vier Tagen, und zwar dem 12. und 15. November 1982 sowie am 13. und 14. Dezember 1982 ein Guthabensaldo und im übrigen einen Schuldsaldo aufwies. Dieser bewegte sich während des gesamten Wirtschaftsjahres zwischen 1.180.378 DM und 71.667 DM. Der achtniedrigste Kontostand (vgl. Abschn. 47 Abs. 8 Satz 8 der Gewerbesteuer-Richtlinien - GewStR -) betrug ./. 119.455 DM. Der durchschnittliche Zinssatz betrug 11,85 v. H. Im Wirtschaftsjahr 1985/86 wies das Konto der Klägerin bei der B-Bank am 14. April 1986 ein Guthaben auf. Im übrigen schwankte der Schuldsaldo zwischen 472.097 DM und 10.247 DM. Der achtniedrigste Kontostand lag bei ./. 136.076 DM; der durchschnittliche Zinssatz betrug 8 v. H. Das Konto bei der A-Bank war in den Wirtschaftsjahren 1984/85 und 1985/86 an zwei Tagen positiv. Der Schuldsaldo schwankte zwischen 1.531.785 DM und 2.928 DM. Der achtniedrigste Kontostand lag bei ./. 75.094 DM. Auf Vorschlag des Prüfers nahm der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) in Höhe des jeweils achtniedrigsten Kontostandes Dauerschulden an. Die Zinsen auf den Mindestbetrag des Kredits bei der A-Bank erfaßte er für das Wirtschaftsjahr 1982/83 zu 60 v. H. und auf den Mindestbetrag des Kredits bei der B-Bank im Wirtschaftsjahr 1985/86 zu 50 v. H. als Dauerschulden. Das Gewerbekapital 1986 erhöhte er um die Hälfte des den Betrag von 50.000 DM übersteigenden Mindestkredits. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA begründete seine Entscheidung damit, daß der Klägerin ein während eines längeren Zeitraums bestehender Mindestkredit als allgemeiner Geschäftskredit langfristig zur Verfügung gestanden habe. Die Dauerschuldzinsen errechneten sich aus dem niedrigsten Schuldenstand, sofern dieser nicht nur während weniger Tage bestanden habe. Um dem Rechnung zu tragen, habe es die sieben niedrigsten Kontostände außer acht gelassen. Mit der Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie machte u. a. geltend, das FA vermenge die Frage der Qualifizierung eines Kredits als Dauerschuld mit der Frage des Mindestbetrages. Die strittigen Kredite erfüllten aber nicht einmal die Voraussetzungen einer Dauerschuld. Wegen der Guthaben habe eine Schuld nicht ununterbrochen bestanden. Dadurch sei die alte Schuld getilgt und eine neue Schuld begründet worden. Zu einer dauerhaften Verstärkung des Betriebskapitals sei es daher nicht gekommen. Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u. a. aus: Im allgemeinen seien Kontokorrentschulden zwar laufende Schulden, sie könnten aber Dauerschulden sein, wenn aus den Umständen der Kreditgewährung und -abwicklung geschlossen werden müsse, daß trotz der äußeren Form des Kontokorrentverkehrs ein bestimmter Mindestkredit dem Unternehmen auf Dauer gewidmet sein solle. In diesem Fall diene der Mindestbetrag der Kontokorrentschuld der dauernden Verstärkung des Betriebskapitals (Senatsurteil vom 15. Mai 1986 IV R 14/85, BFH/NV 1987, 324). Erst durch die dauernde Widmung eines bestimmten Mindestbetrages und nur in dieser Höhe würden Kontokorrentschulden zu Dauerschulden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Februar 1984 I R 15/80, BFHE 140, 468, BStBl II 1984, 379). Für die Ermittlung des Mindestbetrages sei von dem niedrigsten Schuldenstand auszugehen, der während einer nicht nur ganz kurzen Zeit bestanden habe. Die Klägerin habe in den Wirtschaftsjahren 1982/83, 1984/85 und 1985/86 dauerhaft über eine bestimmte Kreditlinie verfügt, die sie überwiegend zwischen 500.000 DM und 900.000 DM bei der A-Bank und zwischen 180.000 DM und 270.000 DM bei der B-Bank in Anspruch genommen habe. Eine konkrete Zuordnung zu einzelnen Geschäftsvorfällen sei weder behauptet noch ersichtlich. Daß die Konten an wenigen Tagen Guthaben aufwiesen, sei unerheblich. Allerdings bringe das Schwanken der Kredithöhe und das gelegentliche Erreichen der Nullgrenze zum Ausdruck, daß bei dem Kontokorrentkredit nicht an eine dauerhafte Verstärkung des Betriebskapitals gedacht sei (Senatsurteil vom 4. August 1977 IV R 57/74, BFHE 123, 50, BStBl II 1977, 843). Auch werde bestritten, daß das - von dem Fall der rechtsmißbräuchlichen Fremdmittelumschichtung (Senatsurteil vom 20. November 1980 IV R 81/77, BFHE 132, 89, BStBl II 1981, 223) einmal abgesehen - auch gelte, wenn der Ausgleich nur einen Zeitraum von wenigen Tagen umfasse (Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, 9. Aufl., § 8 Nr. 1 Anm. 152; Niemeyer, Der Betrieb - DB - 1977, 1070; FG München, Urteil vom 27. November 1979 VII 205/75, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1980, 192). Doch komme es bei einem Kontokorrentkonto wirtschaftlich nicht auf einzelne Verfügungen, sondern auf die Kreditlinie an, auch wenn zivilrechtlich durch das Guthaben die Schuld erlösche. Entscheidend sei die auf Dauer angelegte Einräumung einer Kreditlinie, sofern diese wie geplant das gesamte oder nahezu das gesamte Jahr in Anspruch genommen werde (BFH-Urteile vom 16. Januar 1974 ... und in BFH/NV 1987, 324). Es könne dahinstehen, ob ein Guthaben in einem Zeitraum von mindestens 14 zusammenhängenden Tagen (so BFH-Urteile vom 5. November 1980 I R 132/77, BFHE 132, 87, BStBl II 1981, 219; in BFHE 123, 50, BStBl II 1977, 843) die Annahme einer Dauerschuld ausschließe. Jedenfalls habe hier das Guthaben jeweils nur wenige Tage bestanden (vier Tage, zwei Tage und ein Tag). Die vorgenommene Auslegung stehe im Einklang mit dem Gesetz. Die in § 8 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) geforderte nachhaltige (nicht nur vorübergehende) Verstärkung des Betriebskapitals setze nicht das ununterbrochene Bestehen einer Schuld voraus. Dem Urteil des FG München in EFG 1980, 192 sei nicht zu folgen. Im übrigen habe das FA die angesetzten Beträge richtig errechnet. Mit der vom FG - wegen grundsätzlicher Bedeutung - zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht (§ 8 Nr. 1 und § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG). Entscheidungsgründe Die Revision ist unbegründet. Das FG (EFG 1997, 756) hat zu Recht entschieden, daß die strittigen Kontokorrentkredite und -zinsen Dauerschulden und Dauerschuldzinsen sind. 1. Nach § 8 Nr. 1 GewStG ist die Hälfte der Entgelte für Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb wieder hinzuzurechnen. Die zugrundeliegenden Verbindlichkeiten selbst, die sog. Dauerschulden, sind, soweit der abgezogene Betrag 50.000 DM übersteigt, gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG dem Einheitswert des Betriebs hinzuzurechnen. Eine nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals wird angenommen, wenn der Gegenwert der Schulden aufgrund ihrer tatsächlichen Laufzeit das Betriebskapital für längere Zeit stärkt (BFH-Urteil vom 7. August 1990 VIII R 30/89, BFHE 162, 129, BStBl II 1990, 1081). Kontokorrentschulden sind danach ebenfalls Dauerschulden (vgl. z. B. Senatsurteile in BFHE 123, 50, BStBl II 1977, 843; in BFHE 132, 89, BStBl II 1981, 223, und in BFH/NV 1987, 324, sowie BFH-Urteile vom 17. März 1959 I 171/58 U, BFHE 70, 131, BStBl III 1960, 49; in BFHE 140, 468, BStBl II 1984, 379, und vom 20. Juni 1990 I R 127/86, BFHE 161, 568, BStBl II 1990, 915), wenn aus den Umständen der Kreditgewährung und -abwicklung geschlossen werden muß, daß trotz der äußeren Form des Kontokorrentverkehrs ein bestimmter Mindestkredit dem Unternehmen dauernd gewidmet werden soll (so schon das Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 22. November 1938 I 406/38, RStBl 1939, 216). In dieser Höhe stehen die Fremdmittel nicht nur für kurze Zeit, sondern auf Dauer zur Verfügung. Der Mindestbetrag dient dann der dauernden Verstärkung des Betriebskapitals (BFH-Urteil in BFHE 140, 468, BStBl II 1984, 379). Auch für Kontokorrentschulden gilt, daß die Laufzeit mehr als ein Jahr ausmachen muß (vgl. BFH-Urteile in BFHE 123, 50, BStBl II 1977, 843; in BFHE 132, 89, BStBl II 1981, 223; vom 28. Juli 1976 I R 91/74, BFHE 119, 569, BStBl II 1976, 789). Eine Dauerschuld liegt daher stets vor, wenn es dem Schuldner nicht innerhalb eines Jahres gelingt, die Schuld voll auszugleichen. Besteht das Guthaben innerhalb des Jahreszeitraums jedoch nur an einigen wenigen Tagen, so steht das der Annahme einer Dauerschuld nicht entgegen (Senatsurteil in BFH/NV 1987, 324; Blümich/Hofmeister, Gewerbesteuergesetz, § 8 Rz. 90 "Kontokorrentschulden"; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, § 8 Nr. 1 Anm. 63; a. A. u. a. Lenski/Steinberg, a. a. O., § 8 Nr. 1 Anm. 152; Niemeyer, DB 1977, 1070; Ott, Betriebs-Berater - BB - 1978, 750). Es gilt somit nichts anderes als für die Höhe des Mindestkredits, die sich ebenfalls nicht nach dem nur kurzfristig gegebenen niedrigsten Schuldsaldo richtet (ständige Rechtsprechung seit dem RFH-Urteil vom 14. November 1938 VI 698/38, RStBl 1939, 160). 2. Zu Recht ist das angefochtene Urteil nicht der Auffassung des FG München im Urteil in EFG 1980, 192 gefolgt, das keine Dauerschuld mehr annimmt, wenn ein Kontokorrentkonto - wie hier - an nur einigen wenigen Tagen im Jahr ein Guthaben aufweist. Auch in diesem Fall kann trotz der äußeren Form des Kontokorrentverkehrs aus der Abwicklung des Kredits geschlossen werden, daß dem Unternehmen ein bestimmter Mindestbetrag dauernd als Kredit zur Verfügung steht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 132, 89, BStBl II 1981, 223, und in BFHE 140, 468, BStBl II 1984, 379). Allerdings ist es richtig, daß im regelmäßig erfolgenden oder im gesetzlich vorgesehenen jährlichen Rechnungsabschluß (§ 355 Abs. 1 und 2 des Handelsgesetzbuches - HGB - ) für diese Tage keine Schuldzinsen berechnet werden können. Das ändert aber nichts daran, daß zumindest wirtschaftlich betrachtet der Kontokorrentkredit in Höhe des Mindestbetrages einer nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals gedient hat. Es kann dahinstehen, ob zivilrechtlich - wie die Klägerin meint - bei einem Kontokorrentkredit im Fall eines zwischenzeitlichen Guthabens die alte Schuld erlischt und eine neue Schuld entsteht (so Heymann, Handelsgesetzbuch, Kommentar, § 355 Rdnr. 21 unter Berufung auf das Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 24. Januar 1985 IX ZR 65/84, BGHZ 93, 315, 323; dagegen BGH-Urteile vom 28. Juni 1968 I ZR 156/66, BGHZ 50, 277 ff., 280, und vom 24. Januar 1985 I ZR 201/82, BGHZ 93, 307 ff., 314; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., § 355 Rn. 9; Schlegelberger/Hefermehl, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., § 355 Rz. 37). Weder nach dem Wortlaut noch nach dem Zweck der §§ 8 Nr. 1 und 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG ist es geboten, den Dauerschuldcharakter mehrerer selbständiger, mit demselben Kreditgeber abgeschlossenen Kreditgeschäfte allein nach handelsrechtlichen Gesichtspunkten zu bestimmen (BFH-Urteile vom 6. Juni 1973 I R 257/70, BFHE 109, 465, BStBl II 1973, 670; vom 16. Januar 1974 I R 254/70, BFHE 111, 425, BStBl II 1974, 388). Die Selbständigkeit der einzelnen Kredite muß vielmehr bei der Würdigung als mehr formaler Gesichtspunkt hinter die für die Annahme eines Dauerkredits maßgebenden wirtschaftlichen Verhältnisse zurücktreten. Für die einzelnen Rechnungsabschlüsse nach Ablauf der Rechnungsperiode ist das unbestritten. Es muß aber auch für die durch kurzzeitige Guthaben eintretende Unterbrechung gelten. Selbst Verbindlichkeiten, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr des Unternehmens regelmäßig eingegangen und gewöhnlich aus den laufenden Geschäftseinnahmen abgedeckt werden, sind Dauerschulden, wenn die Beziehung zu den laufenden Geschäften nicht nachweisbar ist (vgl. BFH-Urteil vom 3. August 1993 VIII R 40/92, BFHE 174, 174, BStBl II 1994, 664, m. w. N.). 3. Zu Recht hat das FG im angefochtenen Urteil nicht darauf abgestellt, ob die kurzfristig bestehenden Guthaben etwa darauf zurückzuführen sind, daß die Klägerin sich die entsprechenden Mittel anderweitig durch entsprechende kurzfristige Kredite verschafft hat. Hierauf könnte es nur dann ankommen, wenn die Guthaben länger als einige Tage pro Jahr bestanden hätten (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 1987, 324), was vorliegend jedoch nicht der Fall war.
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