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  BFH-Urteil vom 26.8.1997 (VII R 60/97) BStBl. 1997 II S. 744

Ein sog. Kombinationskraftwagen mit zulässigem Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t ist kein hubraumbesteuerter Personenkraftwagen mehr, sondern kraftfahrzeugsteuerrechtlich stets als "anderes", der Gewichtbesteuerung unterliegendes Fahrzeug zu behandeln.

KraftStG § 8, § 2 Abs. 2 Satz 1; StVZO § 23 Abs. 6a.

Vorinstanz: Hessisches FG (EFG 1997, 883, UVR 1997, 179)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hält seit 1991 ein Kraftfahrzeug "Toyota" mit zulässigem Gesamtgewicht von 2.960 kg. Bei dem verkehrsrechtlich als Lastkraftwagen (geschlossen, Kasten) anerkannten Fahrzeug wurden die hintere Sitzbank und die Gurthalterungen entfernt; dafür wurden eine Platte im Laderaum und eine Abtrennung hinter den Vordersitzen (Netz) eingebaut. Das mit Anhängerkupplung ausgestattete Fahrzeug hat vier Seitentüren und eine große Heckklappe; es ist rundum verglast, wobei die mittleren und hinteren Fenster mit dunkler Folie versehen sind. Nachdem das Fahrzeug zunächst auch kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Lastkraftwagen behandelt worden war, wurde es von dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) nach einem Standortwechsel als Personenkraftwagen eingestuft und ab 10. November 1994 hubraumbesteuert (Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 2. Januar 1995, bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 26. Juli 1995). Die Klage gegen diese Veranlagung hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, aus den maßgebenden Verkehrsvorschriften (insbesondere § 23 Abs. 6 a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO -) folge, daß Kombinationskraftwagen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 2,8 t nicht mehr als Personenkraftwagen zu behandeln seien. Ein solches, mithin "anderes" Fahrzeug liege hier vor. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den Abdruck der Vorentscheidung in Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (UVR) 1997, 179 verwiesen (Leitsatz auch in Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1997, 833).

Das FA macht mit der Revision geltend, das FG habe sich über die die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Bindung verkehrsrechtlicher Einstufungen verneinende höchstrichterliche Rechtsprechung hinweggesetzt. Selbst bei Überschreitung der Gewichtsgrenze von 2,8 t könne ein nach Typ und Erscheinungsbild einem Personenkraftwagen entsprechendes Fahrzeug nicht als Lastkraftwagen besteuert werden. § 23 Abs. 6 a StVZO sei hier nicht anwendbar.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zutreffend entschieden, daß ein für die Güter- wie Personenbeförderung eingerichtetes Fahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 2,8 t kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht als hubraumsteuerbarer Personenkraftwagen (§ 8 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes - KraftStG -) anzusehen ist, mit der Folge, daß es als gewichtsteuerbares "anderes" Fahrzeug (§ 8 Nr. 2 KraftStG) zu gelten hat. Dies ist nach den im Streitfall getroffenen Feststellungen bei dem Fahrzeug des Klägers der Fall.

Im KraftStG verwendete verkehrsrechtliche Begriffe bestimmen sich grundsätzlich nach den verkehrsrechtlichen Vorschriften (§ 2 Abs. 2 Satz 1 KraftStG). Auf den Begriff "Lastkraftwagen" wird zwar nicht (unmittelbar) verwiesen, denn dieser Begriff ist im KraftStG nicht enthalten. Wohl aber gilt die Verweisung für den im KraftStG verwendeten Begriff "Personenkraftwagen". Maßgebend für dessen Bestimmung ist somit, nachdem es keine eigenständige kraftfahrzeugsteuerrechtliche Definition mehr gibt, das Verkehrsrecht. Eine darüber hinausgehende Bindung besteht nicht; verkehrsrechtliche Einstufungen sind, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 und 3 KraftStG), als solche kraftfahrzeugsteuerrechtlich nicht verbindlich (ständige Rechtsprechung; dazu etwa Senat, Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97, UVR 1997, 298, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1997, 598, zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen; Olbertz, UVR 1996, 383 f.; Egly/Mösslang, Kraftfahrzeugsteuer, 3. Aufl. 1981, S. 95).

Nach den maßgebenden Verkehrsvorschriften (zu ihnen Senat in VII R 1/97) sind "Personenkraftwagen" beschaffenheitsgemäß zur Beförderung von Personen bestimmte Kraftfahrzeuge mit nicht mehr als acht Fahrgastplätzen einschließlich der Fahrzeuge mit zulässigem Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t, die nach Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt sind, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen (§ 23 Abs. 6 a StVZO i. d. F. von Art. 2 Nr. 5 der Verordnung vom 9. Dezember 1994, BGBl I 1994, 3755, früher § 23 Abs. 1 Satz 6 StVZO; dazu gehörende Übergangsvorschrift in § 72 Abs. 2 StVZO: sog. Kombinationskraftwagen). Hieraus ergibt sich nicht nur positiv die Begriffsbestimmung "Personenkraftwagen", sondern auch - durch Gegenschluß -, unter welchen Voraussetzungen Kraftfahrzeuge nicht als Personenkraftwagen anzusehen sind. Keine Personenkraftwagen sind danach Kombinationskraftwagen mit zulässigem Gesamtgewicht über 2,8 t (ebenso FG München, Urteil vom 25. Oktober 1995 4 K 694/95, UVR 1996, 251; Strodthoff, Kraftfahrzeugsteuer, KraftStG § 8 Rz. 18 Abs. 6; zweifelnd FG Nürnberg, Urteil vom 12. November 1996 VI 188/96, EFG 1997, 499, 502 f.; vom Senat im Hauptpunkt - nicht hinsichtlich jener beiläufigen Ausführungen - bestätigt durch Urteil vom 26. Juni 1997 VII R 10 und 11/97).

Die Einwendungen des FA gegen die Vorentscheidung, durch die die Hubraumbesteuerung des Fahrzeugs aufgehoben und die frühere Gewichtbesteuerung wiederhergestellt worden ist, gehen fehl. Die fehlende Verbindlichkeit verkehrsrechtlicher Entscheidungen läßt die Bindung an verkehrsrechtliche Begriffe unberührt. Letztere erstreckt sich auch auf ein durch Gegenschluß zu einer positiv-rechtlichen Definition gefundenes Ergebnis (so schon Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. Februar 1984 II R 144/81, BFHE 140, 474, BStBl II 1984, 461). Typ und Erscheinungsbild eines (Kombinations-)Kraftfahrzeugs sind bei Überschreitung der Gewichtsgrenze ohne Bedeutung und vermögen für sich die Qualifikation als "Personenkraftwagen" nicht zu rechtfertigen.