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  BFH-Beschluß vom 17.4.1997 (III B 216/96) BStBl. 1997 II S. 752

Daß Aufwendungen für den Schulbesuch eines Kindes durch die Vorschriften des Kinderlastenausgleichs und § 33a Abs. 2 EStG abgegolten werden und daher grundsätzlich nur dann außergewöhnliche Belastungen sein können, wenn es sich bei diesen Aufwendungen um unmittelbare Krankheitskosten handelt, bedarf nicht der rechtsgrundsätzlichen Klärung, weil diese Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt ist. Die dazu ergangene Rechtsprechung ist durch die Änderung des § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG durch das Steueränderungsgesetz 1992 nicht überholt.

EStG §§ 10 Abs. 1 Nr. 9, 32 Abs. 6, 33 Abs. 1 und 2 Satz 2, § 33a Abs. 2 und 5.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind 1993 (Streitjahr) in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) gezogen. Mit ihrer Einkommensteuererklärung machten sie Schulgeld steuermindernd geltend. Sie trugen dazu vor, daß ihre beiden minderjährigen Kinder wegen fehlender Deutschkenntnisse keine deutsche Schule besuchen könnten und deshalb in einer internationalen Privatschule eingeschult worden seien. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) erkannte von dem geltend gemachten Betrag lediglich 30 % nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben an. Die hiergegen erhobene Klage blieb ohne Erfolg.

In dem Urteil des Finanzgerichts (FG) heißt es, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne bei gesunden Kindern § 33 EStG für Schulausbildungskosten nicht zur Anwendung kommen, wenn dem Steuerpflichtigen ein Kinderfreibetrag oder ggf. ein Ausbildungsfreibetrag gewährt werde; denn die Leistungen aus dem Familien- und Kinderlastenausgleich verdrängten § 33 EStG. Mit ihnen seien alle Aufwendungen für die Schulausbildung gesunder Kinder abgegolten. Ausnahmen habe der BFH nur zugelassen, wenn die Aufwendungen durch ein unausweichliches Ereignis tatsächlicher Art begründet würden, etwa durch eine Krankheit oder durch eine Katastrophe. Ein Ausnahmefall i. S. dieser Rechtsprechung liege jedoch nicht vor. Eine Zwangslage, die Kinder in eine englischsprachige Schule einzuschulen, habe für die Kläger nicht bestanden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Kläger, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird.

Von grundsätzlicher Bedeutung sei die Frage, ob Schulgeldzahlungen durch den Familien- und Kinderlastenausgleich abgegolten seien. Die vom FG hierzu angeführte Rechtsprechung des BFH, gegen die im Schrifttum mannigfache Kritik geäußert werde, sei zu § 33 Abs. 2 EStG in der bis zum Inkrafttreten des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 geltenden Fassung ergangen; sie habe Fälle betroffen, auf die § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG noch nicht anzuwenden gewesen sei. In der BTDrucks 12/1108 sei jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß mit der Änderung des § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG sichergestellt werden solle, daß Schulgeldzahlungen, die über den begrenzten Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG hinausgehen, als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden könnten. Die Rechtsprechung der Finanzgerichte nach Einfügung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG und Änderung des § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG sei uneinheitlich. Es sei fraglich, inwieweit der BFH an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten werde.

Ferner habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Frage, ob Schulgeldzahlungen zwangsläufig sein könnten, wenn die Einschulung in eine Privatschule unumgänglich sei und einer sittlichen Verpflichtung entspreche.

Die Kläger beantragen, die Revision gegen das Urteil des FG zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zuzulassen. Denn die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage nach der Abgeltung von Aufwendungen für Schulgeld durch besondere, § 33 EStG ausschließende gesetzliche Regelungen ist von der Rechtsprechung des BFH bereits hinreichend geklärt, ohne daß die in der Beschwerdebegründung aufgezeigten Gesichtspunkte eine erneute Prüfung in einem Revisionsverfahren erforderten.

1. Die Rechtsprechung des BFH hat sich bereits mehrfach mit der Frage der Berücksichtigung von Schulgeldzahlungen im Rahmen des § 33 EStG befaßt. In dem Urteil vom 26. Juni 1992 III R 8/91 (BFHE 169, 37, BStBl II 1993, 278) hat der erkennende Senat in diesem Zusammenhang insbesondere auf § 33a Abs. 5 EStG hingewiesen, wonach der Steuerpflichtige für Aufwendungen für die Berufsausbildung von Kindern i. S. des § 33a Abs. 2 EStG eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG nicht in Anspruch nehmen könne. Das gilt unabhängig davon, ob die sonstigen Voraussetzungen jener Gesetzesbestimmung in seinem Fall vorliegen, der Steuerpflichtige also einen Ausbildungsfreibetrag tatsächlich erhält. Dabei ist der Begriff der Berufsausbildung weit zu fassen; er umfaßt insbesondere auch die gesamte Schulausbildung (BFH-Urteil vom 9. November 1984 VI R 40/83, BFHE 142, 450, BStBl II 1985, 135).

Allerdings hat der erkennende Senat in dem vorgenannten Urteil hervorgehoben, daß § 33a Abs. 5 EStG die Anwendung des § 33 EStG in Ausnahmefällen nicht ausschließe. Einen solchen Ausnahmefall hat der Senat angenommen, wenn einem Steuerpflichtigen durch außergewöhnliche Umstände zusätzliche, durch die Pauschalregelungen des § 33a Abs. 2 EStG sowie des § 32 Abs. 6 EStG und die Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) nicht abgegoltene besondere Aufwendungen entstehen. Der Senat hat dies für möglich gehalten, wenn die Aufwendungen für den Schulbesuch (unmittelbare) Krankheitskosten darstellen (Urteil vom 18. April 1990 III R 160/86, BFHE 161, 447, BStBl II 1990, 962), d. h. ausschließlich zum Zwecke der Heilung einer Krankheit getätigt werden oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen (ebenso BFH-Urteile vom 14. Februar 19975 VI R 125/74, BFHE 115, 322, BStBl II 1975, 607; vom 28. Februar 1964 VI 314/63 U, BFHE 79, 104, BStBl III 1964, 270). Die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für den Schulbesuch nach § 33 EStG ist in diesem Fall nicht ausgeschlossen, weil sie einem unterhaltspflichtigen Dritten entstehen, der auch für die eigentlichen Kosten der Schulausbildung des Kindes aufkommen muß. Krankheitskosten in diesem Sinne hat der Senat z.B. angenommen, wenn für ein an Asthma erkranktes Kind eine längerfristige Unterbringung in einem Heilklima zur Heilung oder Linderung der Krankheit unabdingbar notwendig ist und die Schulausbildung nur anläßlich dieser Heilbehandlung gleichsam nebenbei und nachrangig erfolgt (Senatsurteil vom 26. Juni 1992 III R 83/91, BFHE 169, 43, BStBl II 1993, 212) oder wenn eine Legasthenie einer medizinisch indizierten Behandlung unterworfen wird und im Zusammenhang damit Kosten einer auswärtigen Unterbringung in einem Internat anfallen, die zugleich der schulischen Ausbildung dient (Senatsurteil in BFHE 169, 37, BStBl II 1993, 278). Kosten, die um der schulischen Förderung des Kindes willen aufgewendet werden, sind in diesem Zusammenhang hingegen allenfalls mittelbare (Folge-)Kosten einer Krankheit, denen der BFH die steuerliche Anerkennung nach § 33 EStG grundsätzlich versagt (vgl. BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 105/78, BFHE 133, 550; vom 1. Dezember 1978 VI R 149/75, BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78, und vom 16. Mai 1975 VI R 132/72, BFHE 116, 130, BStBl II 1975, 536). Deshalb ist § 33 EStG nicht anwendbar auf die Unterbringung eines Kindes in einer Privatschule, die aus sozialen, psychologischen oder pädagogischen Gründen erfolgt (vgl. Senatsurteil in BFHE 161, 447, BStBl II 1990, 962), und zwar auch dann nicht, wenn die Unterbringung erfolgt, weil das Kind behindert ist (BFH-Urteile in BFHE 126, 302, BStBl II 1979, 78, und in BFHE 161, 447, BStBl II 1990, 962) oder weil es kein Deutsch spricht (BFH-Urteil vom 23. Februar 1968 VI R 236/67, BFHE 91, 418, BStBl II 1968, 374). Denn die in solchen Fällen entstehenden Kosten sind Kosten der Berufsausbildung und nicht Krankheitskosten, die nach § 33 EStG berücksichtigt werden könnten.

2. Diese Rechtsprechung ist durch die Einfügung des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG und die Änderung des § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht überholt. Denn § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG regelt lediglich das Verhältnis, in dem der in § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG zugelassene Sonderausgabenabzug zur Gewährung eines Abzugsbetrages für Aufwendungen für den Schulbesuch nach § 33 Abs. 1 EStG steht. § 33 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 enthält dazu eine Klarstellung, die § 33 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 EStG erforderlich erscheinen lassen kann. Nach dieser Bestimmung bleiben nämlich Aufwendungen im Rahmen des § 33 EStG grundsätzlich außer Betracht, die zu den Sonderausgaben gehören. Aufwendungen für den Besuch einer Schule sollen jedoch gemäß § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht deshalb als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG unberücksichtigt bleiben, weil Aufwendungen dieser Art - unter bestimmten Voraussetzungen und in begrenzter Höhe - nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG steuerlich als Sonderausgaben berücksichtigt werden. § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG stellt also lediglich klar, daß - entsprechend der Rechtsprechung des BFH - § 33 Abs. 1 EStG auf Kosten dieser Art nach wie vor angewandt werden kann, wenn es sich um Krankheitskosten handelt und die Unterbringung des Kindes in der betreffenden Schule wesentlich nicht durch schulische Zwecke veranlaßt ist, sondern der Behandlung oder Linderung seiner Krankheit dient. § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG bestimmt hingegen nicht, daß - entgegen der Rechtsprechung des BFH - die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für den Schulbesuch seiner Kinder nicht als durch die Regelungen über den Kinderfreibetrag und über das Kindergeld sowie § 33a Abs. 2 EStG abgegolten anzusehen sind. Auch die Gesetzesbegründung, auf die sich die Beschwerde beruft, will offenbar sinngemäß nur darauf hinweisen, daß durch die Gesetzesänderung die bisherige Rechtsprechung des BFH unberührt bleibt, daß Aufwendungen für den Schulbesuch eines Kindes nach § 33 EStG berücksichtigt werden können, wenn sie Krankheitskosten sind; ihr ist nicht die weitergehende Aussage zu entnehmen, der Gesetzgeber solle vorschreiben, daß Aufwendungen für die schulische Ausbildung der eigenen Kinder ungeachtet des BKGG und der §§ 32 Abs. 6, 33a Abs. 2 und 5 EStG stets als außergewöhnliche Belastungen anzusehen seien, wenn sie im übrigen die Voraussetzung des § 33 EStG erfüllen.

Es ist danach nicht zweifelhaft und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, daß Aufwendungen für den Schulbesuch eines Kindes, das kein Deutsch spricht, durch die genannten gesetzlichen Regelungen abgegolten und daher unbeschadet der in §§ 10 Abs. 1 Nr. 9, 33 Abs. 2 Satz 2 EStG i. d. F. des StÄndG 1992 getroffenen Regelungen nach § 33 EStG selbst dann nicht zu berücksichtigen sind, wenn sie im Einzelfall außergewöhnlich hoch sind und zwangsläufig entstehen.

3. Die von der Beschwerde aufgeworfene weitere Frage, ob die Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule in Fällen der vorliegenden Art zwangsläufig sind, würde sich folglich in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen.