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  BFH-Urteil vom 22.7.1997 (VIII R 12/96) BStBl. 1997 II S. 761

1. Stellt eine Vielzahl von Kapitalanlegern einem Unternehmer gegen hohe Erfolgsbeteiligung auf einem Sammelkonto Geldbeträge zur Verfügung, die der gegenüber dem Anleger nicht weisungsabhängige Unternehmer zu nicht näher bezeichneten Börsentermingeschäften verwenden soll, so können die betreffenden Rechtsverhältnisse typische stille Gesellschaften i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG darstellen.

2. Hat der Anleger (typische stille Gesellschafter) die Wahl zwischen sofortiger Auszahlung und Wiederanlage der ihm in den Büchern des Unternehmens gutgeschriebenen "Gewinnanteile" und entscheidet er sich im subjektiv eigenen Interesse für die Wiederanlage, so kann die darin liegende Schuldumschaffung (Novation) zu einem Zufluß der "Gewinnanteile" führen. Das gilt auch dann, wenn ein Anspruch des gutgläubigen Anlegers auf die ihm gutgeschriebenen "Gewinnanteile" gar nicht bestand, weil der Unternehmer die "Gewinne" nur vorspiegelte.

3. Zufluß im Fall der Novation setzt voraus, daß der Unternehmer bei entsprechender Wahl des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen "Renditen" fähig gewesen wäre. Zahlungsfähigkeit in diesem Sinne bedeutet das Imstandesein des Schuldners, seine sofort zu erfüllenden Verbindlichkeiten im wesentlichen tilgen zu können (Anschluß an Senatsurteil vom 22. Mai 1973 VIII R 97/70, BFHE 109, 573, BStBl II 1973, 815).

4. Erklärt der Unternehmer gegenüber dem gutgläubigen Anleger, daß der diesem gutgeschriebene und wiederangelegte Betrag auf dessen (vermeintlichen) Anspruch auf Gewinnbeteiligung geleistet werde, so ist die betreffende Geldsumme als Kapitalertrag und nicht als Kapitalrückzahlung zu qualifizieren (Anschluß an Senatsurteil vom 10. Juni 1975 VIII R 71/71, BFHE 116, 333, BStBl II 1975, 847).

EStG § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nrn. 4 und 7; AO 1977 § 39 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 41 Abs. 1; BGB § 366 Abs. 1, § 705; HGB n.F. §§ 230 ff.; HGB § 335.

Vorinstanz: FG Münster (EFG 1996, 277)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schloß mit der Ambros S. A. (A) - einer Kapitalgesellschaft panamaischen Rechts, deren Verwaltungsrat seinen Sitz in Vaduz/Liechtenstein hatte - zwei "Verwaltungsverträge", aufgrund deren sie der A in den Jahren 1987 und 1988 Kapitalbeträge in Höhe von insgesamt 17.000 DM zur Verfügung.

Die A stellte ihren Anlegern monatliche "Renditen" bis zu 6 % in Aussicht. In den Verwaltungsverträgen erklärten die Anleger, daß sie als Investoren dem Verwalter Eigenkapital in einer bestimmten Höhe zur Verfügung stellten und über den spekulativen Charakter der Kapitalanlagen einschließlich deren Risiken ausführlich aufgeklärt worden seien. Die Anleger hatten die Wahl zwischen einer monatlichen Wiederanlage der Gewinne und einer vierteljährlichen Gewinnausschüttung. Die Klägerin hatte sich für die Wiederanlage der "Renditen" entschieden. In den zu Bestandteilen der Verwaltungsverträge gewordenen - vorformulierten - Vertragsbedingungen heißt es u. a.:

"...

2.1 Der Verwalter kann die Anlage mehrerer Investoren zu einheitlichen Transaktionen zusammenfassen, um Geschäfte an US-Börsen über einen oder mehrere Broker zu tätigen.

3.1 Getätigt werden überwiegend Stillhaltegeschäfte.

4.1 Die Anlagen haben spekulativen Charakter. Verluste können daher nicht ausgeschlossen werden. Eine Nachschußpflicht des Investors besteht nicht.

4.2 Das Kapital der Investoren wird mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns verwaltet. Eine Garantie für die Erzielung eines bestimmten Anlageerfolges kann jedoch nicht übernommen werden.

5.2 Der Investor erhält 70 % vom Netto-Wertzuwachs.

7.2 Die Nettoergebnisse werden im monatlichen Kontoauszug mitgeteilt.

7.3 Eventuelle Verluste werden bis zu drei Monate vorgetragen.

8.1 Eine Kündigung ist vierteljährlich mit einer Frist von sechs Wochen zum Quartalsende möglich.

8.3 Das Guthaben wird per Scheck bis zum 15. des auf das Quartalsende folgenden Monats an den Investor ausgezahlt."

Aus den mit den gepoolten Kapitalbeträgen getätigten Spekulationsgeschäften erwirtschaftete die A zunächst - in der Zeit von Oktober 1986 bis September 1987 - per Saldo Gewinne in Höhe von rd. 2 Mio. DM. Im Oktober 1987 verlor die A - in der Folge eines Börsencrashs - ihr gesamtes Anlagekapital (rd. 15 Mio. DM). Allein in diesem Monat erlitt die A einen Verlust in Höhe von rd. 19 Mio. DM. Dennoch wies sie auch für diesen Monat ihren Anlegern gegenüber eine "Rendite" in Höhe von 3,8 % aus. In den Monaten November 1987 bis Juli 1988 gelang es der A sodann, per Saldo Gewinne in Höhe von ca. 35 Mio. DM zu erzielen, wodurch der Verlust des Monats Oktober 1987 ausgeglichen und darüber hinaus ein beträchtlicher Gewinn erwirtschaftet werden konnte. Auch in diesem Zeitabschnitt ergaben sich jedoch in einzelnen Monaten Verluste, die indessen wiederum gegenüber den Anlegern verheimlicht wurden. Nach außen wies die A stets positive Monatsergebnisse aus.

In der Folgezeit ging es dann stetig "bergab". In der Zeit von August 1988 bis zum Zusammenbruch der A im Januar 1991 wurden per Saldo Verluste in Höhe von insgesamt ca. 247 Mio. DM erzielt. Gleichwohl spiegelte die A den Anlegern stets Renditen vor, die - ebenso wie die angelegten Kapitalbeträge - auf Anforderung bzw. Kündigung bis zum 30. September 1990 prompt an die Anleger ausgezahlt wurden. Diese Auszahlungen wurden zunehmend im "Schneeballsystem" aus den Kapitaleinlagen neu hinzugetretener Anleger bestritten. Zum Zusammenbruch des "Schneeballsystems" kam es anläßlich des am 15. Januar 1991 erneut anstehenden Auszahlungstermins, zu dem rd. 78 Mio. DM benötigt wurden, jedoch nur noch ein Kapital von ca. 40 Mio. DM vorhanden war. Das Konkursverfahren über das (Inlands-)Vermögen der A wurde mangels Maße eingestellt.

Die Klägerin erhielt auf ihre Kapitalanlagen in den Streitjahren 1988 und 1989 "Renditen" in Höhe von 5.394,50 DM (in 1988) und 4.323,63 DM (in 1989) gutgeschrieben. Diese gutgeschriebenen "Renditen" und die gesamten Kapitalbeträge in Höhe von 17.000 DM wurden der Klägerin - nach vorheriger Kündigung der Verwaltungsverträge - am 30. Juni 1989 ausgezahlt.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gab die Klägerin die in Rede stehenden "Renditen" nicht (als Einnahmen aus Kapitalvermögen) an. Dementsprechend führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre 1988 und 1989 zunächst ohne Berücksichtigung dieser "Renditen" durch.

Nach Eingang einer Kontrollmitteilung der Oberfinanzdirektion Düsseldorf vom 6. Dezember 1993 änderte das FA durch die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1988 vom 28. Dezember 1993 und für 1989 vom 26. Januar 1994 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) die Einkommensteuerveranlagungen für die Streitjahre dahin, daß nunmehr die in Rede stehenden "Renditen" in den Zeitpunkten ihrer Gutschrift (1988: 5.394 DM, 1989: 4.323 DM) als zusätzliche Einnahmen aus Kapitalvermögen erfaßt wurden.

Mit ihrer nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klage begehrte die Klägerin, die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide aufzuheben. Sie macht geltend, die von der A getätigten Stillhaltegeschäfte hätten nicht zu steuerpflichtigen Kapitaleinkünften geführt. Die vereinbarte Gewinn- und Verlustbeteiligung entspreche eher dem Charakter einer Spekulation als dem vom FA angenommenen Zinsgeschäft. Rechtliche Bewertungen, die beim Zusammenbruch der A vorgenommen worden seien, könnten nicht berücksichtigt werden, weil die von ihr - der Klägerin - geschlossenen Verwaltungsverträge bereits etwa zwei Jahre vor diesem Ereignis gekündigt worden seien. Im übrigen sei eine Kontrollierbarkeit von Stillhaltegeschäften und Optionen auch für solche Anleger nicht gegeben, die ein deutsches Geldinstitut mit derartigen Geschäften betrauten.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1996, 277 veröffentlichten Urteil als unbegründet abgewiesen.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragt, die Vorentscheidung und die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide 1988 und 1989 sowie die Einspruchsentscheidungen vom 28. November 1994 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Im Ergebnis zutreffend hat das FG entschieden, daß die von der A der Klägerin in den Streitjahren gutgeschriebenen "Renditen" als Einnahmen aus Kapitalvermögen i. S. von § 20 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu erfassen waren.

a) Die streitigen "Renditen" stellten Einnahmen der Klägerin "aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter" i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative EStG dar (gleicher Ansicht Pannen, Der Betrieb - DB - 1995, 1531, 1534; Paus, Die steuerliche Betriebsprüfung 1992, 21; Meyer-Scharenberg, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1994, 889, 896; ferner wohl auch FG Baden-Württemberg, Beschluß vom 20. Oktober 1994 14 V 17/94, EFG 1995, 74, 75).

Eine stille Gesellschaft in diesem Sinne (typische stille Gesellschaft) setzt nach § 230 des Handelsgesetzbuchs (HGB) den vertraglichen Zusammenschluß zwischen einem Unternehmensträger ("Inhaber eines Handelsgeschäfts") und einem anderen voraus, kraft dessen sich der andere ohne Bildung eines Gesellschaftsvermögens mit einer Einlage an dem Unternehmen ("Handelsgewerbe") beteiligt und eine Gewinnbeteiligung erhält (vgl. Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20 Rdnr. F 2).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Eine dahingehende rechtliche Würdigung vermag der erkennende Senat trotz des Umstands zu treffen, daß das FG offenließ, ob die Klägerin das von ihr der A überlassene Kapital als "normales" oder partiarisches Darlehen, im Rahmen einer (typischen) stillen Gesellschaft oder im Rahmen eines sonstigen Kapitalnutzungsverhältnisses i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gewährte. Hat das FG eine (präzise) Auslegung der betreffenden Verträge und Willenserklärungen unterlassen, so kann sie das Revisionsgericht selbst vornehmen, wenn das FG die dazu erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen hat; dies gilt auch dann, wenn mehrere Auslegungsmöglichkeiten bestehen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 118 Rdnr. 17, m. w. N. aus der Rechtsprechung).

aa) Die A übte mit ihren im großen Stil betriebenen Wertpapieroptionsgeschäften eine selbständige, planmäßige und mit Gewinnabsicht verfolgte Tätigkeit und damit eine gewerbliche Betätigung aus, die gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 HGB ein Grundhandelsgewerbe darstellte (ebenso FG Baden-Württemberg in EFG 1995, 74, 75).

bb) Mit den zwischen der A und der Klägerin geschlossenen Verwaltungsverträgen wurde ein Gesellschaftsverhältnis i. S. von § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) begründet. Diesem Ergebnis steht der Wortlaut der getroffenen Vereinbarungen, insbesondere die fehlende Erwähnung des Begriffs der stillen Gesellschaft und die äußere Bezeichnung der Abreden als "Verwaltungsverträge", nicht entgegen. Die von den Vertragsparteien gewählten Formulierungen können zwar - besonders in Grenzfällen - eine indizielle Bedeutung haben. Sie schließen indessen eine davon abweichende Beurteilung nicht aus. Entscheidend ist stets, was die Vertragsparteien wirtschaftlich gewollt haben und ob dieser - unter Heranziehung aller Umstände zu ermittelnde - Vertragswille dem objektiven Rechtsbild der (stillen) Gesellschaft entspricht (Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. F 52, m. w. N.). Ergibt sich danach, daß sich die Vertragspartner zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks verbunden haben und nicht lediglich jeweils ihre eigenen Interessen verfolgen, so ist die Vereinbarung als Gesellschaftsvertrag i. S. des § 705 BGB zu qualifizieren (Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. F 3, m. w. N.; vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. März 1992 I R 41/91, BFHE 168, 239, BStBl II 1992, 889, 890, betreffend die Abgrenzung der stillen Beteiligung vom partiarischen Darlehen).

Im Streitfall spricht entscheidend für die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses, daß den Anlegern eine hohe Erfolgsbeteiligung (in Höhe von 70 % des "Nettowertzuwachses" aus den von der A getätigten Geschäften) zugesagt war (vgl. Tz. 5.2 der Vertragsbedingungen) und daß sie überdies - bis zur Höhe ihres Anlagekapitals - auch an den Verlusten aus den getätigten Handelsgeschäften teilnahmen (vgl. Tz. 4.1 und 7.3 der Vertragsbedingungen). Die in Rede stehenden Kapitalanlagen bargen daher sowohl erhebliche Gewinnchancen als auch beträchtliche Risiken, die nicht nur in der erwähnten Verlustbeteiligung, sondern auch in dem Fehlen jeglicher Sicherheiten begründet waren (zum Fehlen von Sicherheiten als Indiz für ein Gesellschaftsverhältnis vgl. z. B. Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. F 67). Eine derartige Risikogemeinschaft bildet ein typisches Merkmal eines Gesellschaftsverhältnisses. Vor allem die Vereinbarung der Verlustbeteiligung zeigt die "Teilnahme am unternehmerischen Risiko" und damit eine (stille) Gesellschaft an (Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. F 65 und F 67). Sie schließt zugleich zwingend das Vorliegen eines partiarischen Rechtsverhältnisses, namentlich eines partiarischen Darlehens, aus, mit dessen Wesen eine Teilnahme am Verlust nicht vereinbar ist (vgl. auch Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. F 51 und F 65).

Entgegen einer bisweilen vertretenen Ansicht - vgl. z. B. FG Düsseldorf, Beschluß vom 15. August 1994 6 V 2422/94 A (E), EFG 1995, 30, 31 - spricht im Streitfall nicht gegen das Vorliegen eines Gesellschaftsverhältnisses, daß die Verwaltungsverträge keine ausdrücklichen Regelungen über Kontrollrechte des Anlegers enthielten (vgl. auch Schlegelberger/K. Schmidt, Handelsgesetzbuch, 5. Aufl., § 335 Rdnr. 57, m. w. N.). Hieraus läßt sich ein zwingender Schluß gegen die Annahme eines (stillen) Gesellschaftsverhältnisses schon deswegen nicht herleiten, weil das "Gesetz umgekehrt davon aus(geht), daß im Falle einer stillen Gesellschaft ein Informationsrecht bestehen muß (§ 338)" (Schlegelberger/K. Schmidt, a. a. O.; ebenso zutreffend FG Baden-Württemberg in EFG 1995, 74, 75). Nach den "Verwaltungsverträgen" war die A zu einer monatlichen "Mitteilung der Ergebnisse" verpflichtet (vgl. Tz. 7.2 der Vertragsbedingungen). Schon im Hinblick auf die hohe Ergebnisbeteiligung der Anleger unterliegt es keinen ernsthaften Zweifeln, daß diese auch ohne entsprechende ausdrückliche Abrede die Richtigkeit der Ergebnismitteilungen "unter Einsicht der Bücher und Papiere" prüfen konnten und daß die A für ausgewiesene Verluste beweispflichtig gewesen wäre (zu letzterem vgl. etwa Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., § 230 Rdnr. 19, m. w. N.). Ob die Anleger von diesen ihnen zustehenden Mindestkontrollrechten i. S. von § 233 HGB (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 1995 IV R 79/94, BFHE 178, 180, BStBl II 1996, 269, unter II. 1.) auch tatsächlich Gebrauch machten, ist ohne Belang.

Der Geschäftsinhaber ist dem stillen Gesellschafter zur Führung des Handelsgeschäfts für gemeinsame Rechnung verpflichtet. Er hat die Einlage des stillen Gesellschafters bestimmungsgemäß zu verwenden und darf dem Unternehmen nicht bestimmungswidrig Vermögen entziehen (vgl. z. B. Baumbach/Hopt, a. a. O., § 230 Rdnr. 13). Auch diesen typischen Rechtsfolgen des stillen Gesellschaftsverhältnisses genügen die streitigen Verwaltungsverträge. Deren Auslegung ergibt, daß die A die von den Anlegern bereitgestellten Mittel zum Betreiben der dort, wenn auch nur beispielhaft und weit umschriebenen (Spekulations-)Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (vgl. Tz. 4.2 der Vertragsbedingungen) einsetzen mußte. Bei der Führung der Handelsgeschäfte hat der tätige Gesellschafter einer stillen Gesellschaft einen großen kaufmännischen Handlungsspielraum, auch bezüglich der Ausdehnung und Einschränkung des Handelsgeschäfts (Baumbach/Hopt, a. a. O., § 230 Rdnr. 13). Es steht deswegen der Annahme eines (stillen) Gesellschaftsverhältnisses nicht im Wege, daß die Verwaltungsverträge Weisungs- oder Mitwirkungsrechte der Anleger nicht vorsahen; solche Rechte stehen dem stillen Gesellschafter nach dem typischen Bild der stillen Gesellschaft, d. h. nach den (dispositiven) Regeln der §§ 230 ff. HGB nicht zu (statt vieler vgl. Heymann/Horn, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., § 230 Rdnr. 34).

Schließlich wird die Annahme eines (stillen) Gesellschaftsverhältnisses auch nicht dadurch gehindert, daß die Anleger die Verwaltungsverträge relativ kurzfristig - d. h. vierteljährlich mit sechswöchiger Frist - kündigen konnten (vgl. Tz. 8.1 der Vertragsbedingungen). Die für die GbR maßgebliche (abdingbare) Regelung des § 723 Abs. 1 Satz 1 BGB geht von der jederzeitigen Kündigungsmöglichkeit aus. Gleichwohl ist nicht zu verkennen, daß eine derart leichte Lösbarkeit des Gesellschaftsverhältnisses nur bei Gelegenheitsgesellschaften dem regelmäßigen Parteiwillen entsprechen wird. So ist namentlich die stille Gesellschaft als Dauerschuldverhältnis mit mitgliedschaftsrechtlichem Einschlag typischerweise darauf angelegt, einen Zustand zu schaffen, der über die kurzfristige Inanspruchnahme von Fremdmitteln durch den Geschäftsinhaber hinausgeht (Schlegelberger/K. Schmidt, a. a. O., § 335 Rdnr. 60). Dementsprechend kann nach § 234 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 132 HGB die (ordentliche) Kündigung einer auf unbestimmte Zeit eingegangenen stillen Gesellschaft nur mit sechsmonatiger Frist auf den Schluß des Geschäftsjahres erfolgen. Eine kürzere Kündigungsmöglichkeit kann daher indiziell gegen das Vorliegen eines (stillen) Gesellschaftsverhältnisses sprechen. Indessen ist die Regelung des § 234 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 132 HGB ohne weiteres mit der Maßgabe abdingbar, daß die Gesellschafter auch eine jederzeitige fristlose ordentliche Kündigung vereinbaren können (vgl. z. B. Baumbach/Hopt, a. a. O., § 132 Rdnr. 8). Das in Rede stehende Indiz tritt daher gegenüber den aufgezeigten übrigen, ein (stilles) Gesellschaftsverhältnis anzeigenden Umständen zurück, zumal die Vertragsbeteiligten nur eine quartalsmäßige Kündigung mit sechswöchiger Frist vereinbart hatten.

cc) Der nach den Ausführungen zu bb) zu bejahende Gesellschaftsvertrag zwischen der A und ihren Anlegern diente dem gemeinsam verfolgten Zweck, ein Handelsgewerbe (s. dazu oben aa) durch die nach außen allein in Erscheinung tretende A zu betreiben. Die Anleger der A trugen zur Erreichung dieses gemeinsamen Zwecks dadurch bei, daß sie der A auf unbestimmte Zeit - bis zur Kündigung der Verwaltungsverträge - Kapital überließen, mit dessen Hilfe die A ihre Handelsgeschäfte (vgl. oben aa) betreiben sollte. Dieses Kapital, das zugleich den Gesellschafterbeitrag und die (stille) Einlage der Anleger verkörperte (vgl. dazu etwa Schlegelberger/K. Schmidt, a. a. O., § 335 Rdnr. 137), ging in das Vermögen der A über. Der Beitrag der A zur stillen Gesellschaft bestand in der Übernahme der Verpflichtung, das Handelsgeschäft unter Einsatz des von den Anlegern als stillen Gesellschaftern bereitgestellten Kapitals zu betreiben (vgl. dazu schon unter bb).

dd) Unverzichtbares Erfordernis einer stillen Gesellschaft ist die Beteiligung des stillen Gesellschafters am Gewinn des Handelsgeschäfts (vgl. § 231 Abs. 2, 2. Halbsatz HGB). Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Ausweislich der "Verwaltungsverträge" waren die Anleger mit 70 % am "Nettozuwachs" beteiligt (vgl. Tz. 5.2 der Vertragsbedingungen). Das ist derjenige Bruchteil des Gesamtgewinns, der dem Quotienten zwischen der Einlage des betreffenden Anlegers und der Summe der Einlagen aller stillen Teilhaber (Anleger), die mangels jedweder Verbindung der Anleger untereinander mit der A jeweils zweigliedrige stille Gesellschaften begründet hatten, entspricht.

b) Aufgrund dieser Erwägungen sind die Rechtsverhältnisse zwischen der A und ihren Kapitalanlegern als stille Gesellschaften i. S. der §§ 230 ff. HGB zu qualifizieren. Es handelt sich um typische stille Gesellschaften i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative EStG. Anhaltspunkte für das Vorliegen von atypischen stillen Gesellschaften im steuerrechtlichen Sinne und damit von Mitunternehmerschaften i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG bestehen nicht. So haben die Vertragsbeteiligten namentlich nicht vereinbart, daß die Anleger - über die Beteiligung am laufenden Geschäftsergebnis hinaus - schuldrechtlich am Geschäftsvermögen (an dessen stillen Reserven) partizipieren und ihre Kontroll- und Mitwirkungsrechte über die in § 233 HGB vorgesehenen Befugnisse hinausgehen und etwa denen eines Kommanditisten i. S. von §§ 164 und 166 HGB entsprechen sollten (zur Abgrenzung der typischen von der atypischen stillen Gesellschaft im Steuerrecht vgl. z. B. Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 20 Rdnr. F 35 ff.).

c) Mit der Annahme eines Kapitalnutzungsverhältnisses i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative EStG ist zugleich auch die Frage verneint, ob die von der A getätigten (Börsen-)Geschäfte den Anlegern direkt zuzurechnen sind. Es kann daher offenbleiben, ob die von der A entfaltete Tätigkeit - falls diese den Anlegern (unmittelbar) zuzurechnen wäre - zu steuerbaren Einkünften, etwa i. S. von § 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 EStG oder i. S. von § 22 Nr. 3 EStG, hätte führen können.

2. Dem FG ist auch darin zu folgen, daß es die streitigen "Renditen" bereits in den Jahren ihrer jeweiligen Wiederanlagen als Einnahmen i. S. von § 8 Abs. 1 EStG angesehen hat, die der Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG zugeflossen sind.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind Einnahmen (vgl. § 8 Abs. 1 EStG) i. S. von § 11 Abs. 1 EStG zugeflossen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480). Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen in der Regel dadurch zu, daß sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.

aa) Jedoch kann auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten einen Zufluß bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck gebracht wird, daß der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht (BFH-Urteil in BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480, unter 2. a der Gründe, m. w. N.). Allerdings muß der Gläubiger diesfalls in der Lage sein, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun des im übrigen leistungsbereiten und leistungsfähigen Schuldners herbeizuführen (BFH-Urteile vom 30. Oktober 1980 IV R 97/78, BFHE 132, 410, BStBl II 1981, 305, und in BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480 unter 2. a der Gründe).

bb) Ein Zufluß kann zudem durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, daß der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll. In dieser Schuldumschaffung (Novation) kann eine Verfügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung liegen, die einkommensteuerrechtlich so zu werten ist, als ob der Schuldner die Altschuld durch tatsächliche Zahlung beglichen hätte (= Zufluß beim Gläubiger) und der Gläubiger den vereinnahmten Betrag infolge des neu geschaffenen Verpflichtungsgrundes dem Schuldner sofort wieder zur Verfügung gestellt hätte (= Wiederabfluß des Geldbetrages beim Gläubiger; vgl. z. B. BFH-Urteile in BFHE 140, 542, BStBl II 1984, 480 unter 2. c der Gründe; vom 24. März 1993 X R 55/91, BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499, unter 3. c, aa der Gründe). Der zuletzt beschriebene lange Leistungsweg wird durch die Novationsvereinbarung lediglich verkürzt, indem auf den überflüssigen Umweg der Aus- und Rückzahlung des Geldbetrages verzichtet wird.

Von einem Zufluß der Altforderung i. S. von § 11 Abs. 1 EStG kann in derartigen Fällen der Schuldumschaffung nach der Rechtsprechung des BFH allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn sich die Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers (Steuerpflichtigen) über den Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf einem freien Entschluß des Gläubigers beruht (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 17. Juli 1984 VIII R 69/84, BFHE 142, 215, BStBl II 1986, 48, unter 2. d der Gründe; in BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499, unter 3. c, aa der Gründe). Für die Beantwortung der Frage, ob dies zutrifft, kommt dem Umstand eine wichtige Bedeutung zu, in wessen Interesse die Novation lag. Lag sie im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Gläubigers, indiziert dies dessen Verfügungsmacht über den Gegenstand der Altforderung (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 14. Mai 1982 VI R 124/77, BFHE 135, 542, BStBl II 1982, 469, unter III. 2. c, dd der Gründe; in BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499, unter 3. c, aa der Gründe).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall sind die streitigen "Renditen" der Klägerin in den jeweiligen Zeitpunkten ihrer Gutschrift und Wiederanlage zugeflossen.

aa) Die "Renditen" waren der Klägerin in monatlichen Kontoauszügen mitgeteilt und einem bei der A geführten Konto der Klägerin gutgeschrieben worden. Sie waren jeweils am 15. des auf das Quartalsende folgenden Monats "fällig" geworden.

bb) Die Klägerin hatte nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG die freie Wahl, die ihr von der A monatlich gutgeschriebenen "Renditen" entweder vierteljährlich auszahlen zu lassen oder aber wiederanzulegen, d. h. zum Zwecke der Erhöhung ihrer Kapitalanlagen zu verwenden. Wenn sie sich unter diesen Umständen in Ausübung ihrer freien Dispositionsbefugnis über die gutgeschriebenen und fälligen Geldbeträge dafür entschied, auf die sofortige Auszahlung der "Renditen" zu verzichten und die entsprechenden Beträge statt dessen zur ertragbringenden Wiederanlage zu verwenden, steht dies einem Zufluß der Renditen i. S. von § 11 Abs. 1 EStG nicht entgegen.

aaa) In der Wahl einer solchen Wiederanlage lag zivilrechtlich eine Novation.

bbb) Die Klägerin hatte die ihr zu Gebote stehende freie Wahl zwischen Auszahlung der Renditen und deren Wiederanlage im eigenen Interesse - um fortan höhere Renditen erzielen zu können - im Sinne der letztgenannten Alternative ausgeübt (vgl. auch FG Düsseldorf in EFG 1995, 30, 31; Pannen, DB 1995, 1531, 1536).

Ohne Belang ist dabei, daß die Klägerin diese Wahl nicht getroffen hätte, wenn ihr die Täuschungsmanöver der A bekannt gewesen wären. Hierbei handelt es sich um einen für die einkommensteuerrechtliche Wertung unbeachtlichen Motivirrtum. Unbeachtlich ist auch, daß die Wahl der Klägerin zur Wiederanlage der "Renditen" zugleich dem nach außen hin nicht bekundeten Interesse der A entsprach, zwecks Aufrechterhaltung ihres Schneeballsystems möglichst wenige "Renditen" und Kapitalbeträge auszahlen zu müssen. Entscheidend ist allein, daß die A es der Klägerin freigestellt hatte, statt der Wiederanlage die sofortige Auszahlung der gutgeschriebenen "Renditen" zu verlangen, und ihr damit die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Renditebeträge eingeräumt hatte.

Dem Zufluß i. S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG steht des weiteren auch nicht entgegen, daß die Klägerin die Wahl zwischen Auszahlungsverlangen und Wiederanlage der "Renditen" nicht mehr zu den Zeitpunkten treffen konnte, in denen ihr die jeweiligen "Renditen" gutgeschrieben und diese fällig wurden. Es genügte vielmehr, daß der Klägerin diese freie Dispositonsbefugnis bei Abschluß der Verwaltungsverträge offenstand. Die zu diesen Zeitpunkten von ihr getroffene Wahl zur Novation wirkte als "Vorausverfügung" auf die Zeitpunkte der späteren Wiederanlagen fort (vgl. auch BFH-Urteile vom 9. April 1968 VI 267/64, BFHE 92, 221, BStBl II 1968, 525, 526, li. Sp., und in BFHE 171, 191, BStBl II 1993, 499, unter 2. und 3. der Gründe).

cc) Die A wäre - hätte die Klägerin statt der Wiederanlage der "Renditen" deren vierteljährliche Auszahlung gewählt - an den betreffenden Zeitpunkten zu den entsprechenden Zahlungen bereit und fähig gewesen.

aaa) Angesichts der unbedingten Leistungsbereitschaft der A spielt es dagegen einer in der Literatur und in der Rechtsprechung der Finanzgerichte vertretenen Ansicht (vgl. z. B. Carl/Klos, die Information über Steuer und Wirtschaft 1994, 680, 684 f.; FG Baden-Württemberg in EFG 1995, 74, 76, li. Sp.) keine Rolle, ob die A tatsächlich entsprechende Netto-Wertzuwächse in Höhe von 10/7 der den Anlegern gutgeschriebenen Renditebeträge erwirtschaftet hatte und daher zivilrechtlich zu entsprechenden Leistungen verpflichtet war oder nicht (vgl. auch schon Senatsurteil vom 21. Juli 1987 VIII R 211/82, BFH/NV 1988, 224, 225). Mit Recht hat daher das FG nicht im einzelnen untersucht, ob die von der A gegenüber deren Anlegern ausgewiesenen Renditen nicht zumindest teilweise durch tatsächlich erzielte Netto-Wertzuwächse gedeckt waren, was namentlich insbesondere für die ersten sieben Monate des Streitjahres 1988 nahelag, in denen die A beträchtliche Gewinne erwirtschaften konnte.

Zwar setzt der Zufluß eines Geldbetrages im Falle dessen bloßer Gutschrift in den Büchern des Schuldners im Regelfall voraus, daß insoweit eine eindeutige und unbestrittene Leistungsverpflichtung des Schuldners besteht, diesem also insbesondere kein Leistungsverweigerungsrecht zusteht (vgl. Senatsurteil vom 16. November 1993 VIII R 33/92, BFHE 174, 322, BStBl II 1994, 632). Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich der Schuldner erkennbar auf zivilrechtliche Einwendungen und Einreden gegen die Forderung des Gläubigers nicht berufen will (vgl. § 41 Abs. 1 AO 1977; vgl. auch Senatsurteile vom 10. Juni 1975 VIII R 71/71, BFHE 116, 333, BStBl II 1975, 847, 848, und vom 6. April 1993 VIII R 68/90, BFHE 172, 25, BStBl II 1993, 825, 827, re. Sp.). So lag es im Streitfall. Die A schrieb den Anlegern (meist) Scheinrenditen gut und zahlte diese nach Eintritt der vereinbarten Fälligkeit an die Anleger aus oder räumte ihnen im Wege der Novation neue (Kapital-)Forderungen ein, obwohl sie wußte, daß sie zu diesen Leistungen nicht verpflichtet war.

bbb) Die A wäre in den maßgeblichen Wiederanlagezeitpunkten auch zur Auszahlung der gutgeschriebenen "Renditen" fähig gewesen.

Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein Zufluß i. S. des § 11 Abs. 1 EStG sowohl in den Fällen der bloßen Gutschrift des betreffenden Betrages in den Büchern des Schuldners als auch in den Fällen der Novation grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn der Schuldner in dem betreffenden Zeitpunkt zur Zahlung des Betrages in der Lage gewesen wäre, also nicht zahlungsunfähig war (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 22. Mai 1973 VIII R 97/70, BFHE 109, 573, BStBl II 1973, 815, betreffend Buchgutschrift; in BFH/NV 1988, 224, 225, unter 2. b der Gründe, betreffend Novation). Als Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne ist das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners anzusehen, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im wesentlichen zu berichtigen (vgl. insbesondere Senatsurteile in BFHE 109, 573, BStBl II 1973, 815, 816, und in BFH/NV 1988, 224, 225, re. Sp.).

Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall davon auszugehen, daß die A in den maßgeblichen Zeitpunkten der jeweiligen Wiederanlagen der "Renditen" objektiv zahlungsunfähig war. Dies folgt schon aus der vom FG für den Senat bindend festgestellten Tatsache, daß die A in dem hier zu beurteilenden Zeitraum (Anfang 1988 bis Mitte 1989) allen Auszahlungsverlangen von Anlegern sowohl in bezug auf "Renditen" als auch in Hinsicht auf gekündigte Kapitaleinlagen prompt nachkam. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die A in diesem Zeitraum auch imstande gewesen wäre, alle ihre Verbindlichkeiten, also auch die noch nicht innerhalb eines absehbaren Zeitraums (von drei bis sechs Monaten; vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1984 I R 44/80, BFHE 140, 421, BStBl II 1984, 415, unter 1. a) fällig werdenden Renditen und gekündigten Kapitaleinlagen, auf einmal auszuzahlen. Denn mit einer solchen Konstellation mußte die A bei verständiger und objektiver Beurteilung der vom FG festgestellten Sachlage nicht rechnen (vgl. auch Senatsurteil in BFH/NV 1988, 224, 225, re. Sp.). Wiederholt gelang es der A, möglichen Zweifeln an ihrer Solvenz durch die Schaffung "vertrauensbildender Faktoren" entgegenzuwirken, so namentlich insbesondere durch die Veranstaltung zahlreicher - äußerst werbewirksamer - Kundenseminare, durch die Bekanntgabe des (uneingeschränkten) Testats einer renommierten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft über die Kongruenz von Soll- und Istkontenständen am 30. Juni 1988, durch das Anerbieten der Einschaltung eines Treuhänders und einer entsprechenden Umfrage bei den Anlegern sowie durch die publizierte Tatsache, daß ein 1988 gegen ihre Verantwortlichen von der Staatsanwaltschaft eingeleitetes Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde. Dementsprechend überwogen denn auch noch im Jahre 1989 die Einzahlungen der Anleger bei der A in Höhe von rd. 314 Mio. DM die von der A geleisteten Auszahlungen an Anleger in Höhe von rd. 209 Mio. DM bei weitem.

Unter den gegebenen Umständen konnte das FG - mangels Entscheidungserheblichkeit - mit Recht offenlassen, ab welchem (genauen) Zeitpunkt die A objektiv überschuldet war, insbesondere ob dies bereits im Streitjahr 1988 zutraf, in dessen ersten sieben Monaten die A jedenfalls noch erhebliche Gewinne erwirtschaftet hatte.

c) Der Zufluß von Einnahmen i. S. der §§ 8 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Satz 1 EStG setzt allerdings voraus, daß beim Steuerpflichtigen eine Vermögensmehrung, d. h. eine objektive Bereicherung, eintritt (vgl. z. B. BFH-Urteile in BFH/NV 1988, 224, 225, m. w. N.). Dies trifft im Streitfall zu. Einer objektiven Bereicherung der Klägerin i. S. von § 8 Abs. 1 EStG durch die bezeichneten Vorgänge stand nicht entgegen, daß die A die Auszahlungen von "Renditen" und die diesen - wie dargelegt - i. S. von § 11 Abs. 1 EStG gleich zu erachtenden Wiederanlagen von "Renditen" mit Mitteln bestritt, die ihr von anderen Anlegern oder gar von der Klägerin selbst zur Verfügung gestellt worden waren. Woher die vom Schuldner zur Begleichung seiner (vermeintlichen) Verbindlichkeiten verwendeten, in seinem wirtschaftlichen Eigentum stehenden Geldmittel stammten, ob sie z. B. aus selbst erwirtschafteten Umsätzen oder Erträgen, Krediten, Schenkungen oder strafbaren Handlungen erlangt wurden, ist für die durch die Zahlung oder bei einem vergleichbaren Vorgang beim Empfänger eintretende objektive Bereicherung i. S. von § 8 Abs. 1 EStG grundsätzlich ohne Belang (vgl. auch Schmidt-Troje/Buciek, EFG, Beilage 8/1994, S. 29).

Etwas anderes könnte im Streitfall nur dann gelten, wenn die der Klägerin gutgeschriebenen Renditebeträge aus ihrem eigenen - ihr i. S. von § 39 AO 1977 zuzurechnenden - Vermögen ("Eigentum") hergerührt hätten. Dies wäre hier indessen selbst dann nicht der Fall gewesen, wenn man von der (im übrigen kaum realistischen) Annahme ausginge, daß die der Klägerin gutgeschriebenen Geldbeträge gerade aus den Mitteln stammen würden, die sie selbst der A als Kapitaleinlage zur Verfügung gestellt hatte. Denn ebenso wie die übrigen "Investoren" hatte die Klägerin ihre Kapitaleinlagen an die A mit der Maßgabe geleistet, daß die entsprechenden Geldbeträge nicht nur in das zivilrechtliche, sondern auch in das wirtschaftliche Eigentum der A übergehen sollten.

d) Dem FG ist im Ergebnis auch darin beizupflichten, daß die in Rede stehenden "Renditen" der Klägerin in den Streitjahren als Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative EStG zuflossen (§ 8 Abs. 1 i. V. m. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG) und die entsprechenden Gutschriften nicht etwa nicht steuerbaren Kapitalrückzahlungen gleichkamen.

Wie der erkennende Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 116, 333, BStBl II 1975, 847, 848 entschieden hat, hängt die Frage, ob es sich bei der zu beurteilenden Leistung um eine Kapitalrückzahlung oder um ein Entgelt für die Kapitalüberlassung handelt, davon ab, bei welcher dieser Verpflichtungen der Leistungserfolg eingetreten ist. Diese Frage regelt das Steuerrecht nicht unmittelbar und muß mit Hilfe einer ergänzenden Heranziehung des bürgerlichen Rechts beantwortet werden. Danach steht das Leistungsbestimmungsrecht dem Schuldner zu (vgl. § 366 Abs. 1 BGB). Nach den objektiv eindeutigen Erklärungen der A sollten die streitigen Gutschriften auf die (vermeintlichen) Ansprüche der Klägerin auf Gewinnbeteiligung geleistet werden, und so hat auch die Zahlungsempfängerin die Leistungen tatsächlich aufgefaßt.

e) Gegenüber den vorstehend unter 2. b, cc, aaa und bbb sowie unter 2. c und d dargelegten Gründen müssen die vom erkennenden Senat in seinen in Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung ergangenen Beschlüssen vom 20. Dezember 1994 VIII B 143/94 (BFHE 176, 262, BStBl II 1995, 262), vom 8. Februar 1995 VIII B 157/94 (BFH/NV 1995, 773) und vom 16. März 1995 VIII B 158/94 (BFH/NV 1995, 680) gehegten ernstlichen Zweifel daran, ob die von der A erteilten Gutschriften zu (steuerpflichtigen) Kapitalerträgen der Anleger führten, letztlich zurücktreten.