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  BFH-Urteil vom 17.9.1997 (II R 24/95) BStBl. 1997 II S. 776

1. Der Senat hält daran fest, daß allein die Verpflichtung des Erwerbers eines sich im Zustand der Bebauung befindlichen Grundstücks gegenüber dem Grundstücksverkäufer, an dessen Stelle in einen bestehenden Vertrag mit einem Dritten über die Errichtung bzw. Fertigstellung des Bauvorhabens einzutreten, nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Schluß zuläßt, der Grundstücksverkäufer und der Dritte hätten in Abstimmung untereinander darauf hingewirkt, dem Erwerber ein Grundstück in fertig bebautem Zustand zu verschaffen.

2. Zwar kann ein Grundstück auch in einem erst zukünftigen (z. B. bebauten) Zustand zum Gegenstand des Vertrages gemacht werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 1994 II R 52/90, BFHE 173, 442, BStBl II 1994, 409), nicht aber in einem Zustand, den es nicht mehr hat und auch nicht mehr erhalten soll.

GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom 20. Mai 1988 von der A ein aus mehreren Teilparzellen bestehendes, in B gelegenes Grundstück zu einem Kaufpreis von 3.114.300 DM. Die A hatte beabsichtigt, auf dem Grundstück 18 Reihenhäuser zu errichten. Hierzu hatte sie am 12. Dezember 1987 die Firma C als Generalübernehmerin beauftragt. Mit der Errichtung der Häuser war im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages bereits begonnen worden.

In dem Grundstückskaufvertrag vom 20. Mai 1988 verpflichtete sich die Klägerin u. a., sämtliche Verpflichtungen aus dem Generalübernehmervertrag anstelle der A zu übernehmen. Dies sollte im Wege der befreienden Schuldübernahme erfolgen. Für den Fall, daß die Generalübernehmerin dies nicht genehmigen sollte, war die A zum Rücktritt vom Grundstückskaufvertrag berechtigt. Diese sollte ausdrücklich keine Bauverpflichtung gegenüber der Klägerin eingehen. Darüber hinaus sollte die Klägerin das von der A übernommene Architektenhonorar in Höhe von 51.724 DM übernehmen. Hinsichtlich der bereits erbrachten Bauleistungen wurde vereinbart, daß diese "als für den Käufer erbracht gelten" und die A einen Anspruch auf die Bezahlung dieser Leistungen durch die Klägerin haben sollte.

Aufgrund einer privatschriftlichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Generalübernehmerin vom 21. Juni 1988 trat die Klägerin anstelle der A in den Generalübernehmervertrag ein.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, einheitlicher Vertragsgegenstand sei im Streitfall das Grundstück mit der Reihenhausbebauung und setzte durch Bescheid vom 8. September 1988 gegen die Klägerin nach einer Gesamtgegenleistung von 7.446.406 DM (Grundstückskaufpreis) 3.114.300 DM; Architektenhonorar: 51.724 DM und Herstellungskosten für die Reihenhäuser: 4.280.382 DM) Grunderwerbsteuer in Höhe von 148.928 DM fest.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, die Grunderwerbsteuer dürfe nur nach dem Grundstückskaufpreis festgesetzt werden, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seiner klageabweisenden Entscheidung die Auffassung, zwischen Grundstückskaufvertrag und Generalübernehmervertrag bestehe ein so enger sachlicher Zusammenhang, daß die Klägerin bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand nur die Grundstücke mit den Reihenhäusern habe erwerben können. Dies ergebe sich aus der Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Grundstücksverkäuferin hinsichtlich des Eintritts der Klägerin in den Generalübernehmervertrag sowie aus dem vorbehaltenen Rücktrittsrecht. Die Klägerin habe deshalb das Grundstück nur im Zusammenhang mit der Reihenhausbebauung erwerben können. Die Klägerin habe nicht mehr frei entscheiden können über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung. Im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages durch die Klägerin habe festgestanden, daß sie bebaute Grundstücke erhalten würde. Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Beschluß vom 2. September 1993 II B 71/93 (BFHE 172, 534, BStBl II 1994, 48) zu einer vergleichbaren Fallgestaltung eine gegenteilige Auffassung vertreten habe, könne dem nicht gefolgt werden, zumal dieser Beschluß im Widerspruch zu den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung des BFH stehe. Ein "krasserer Fall" eines sogenannten einheitlichen Vertragswerks, das auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks im Sinne der bisherigen BFH-Rechtsprechung gerichtet sei, sei nach Auffassung des FG kaum denkbar.

Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision der Klägerin. Sie beruft sich auf die Senatsentscheidung in BFHE 172, 534, BStBl II 1994, 48.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG München aufzuheben sowie den Grunderwerbsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung zu ändern und die Grunderwerbsteuer auf der Basis einer Bemessungsgrundlage von 3.166.024 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet, sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Der Senat hält an seiner in dem o. g. Beschluß (BFHE 172, 534, BStBl II 1994, 48 f.) vertretenen Rechtsauffassung fest, daß allein die Verpflichtung des Erwerbers eines sich im Zustand der Bebauung befindlichen Grundstücks, anstelle des Grundstücksverkäufers in einen bestehenden Vertrag mit einem Dritten über die Errichtung bzw. Fertigstellung des Bauvorhabens einzutreten, nur bei Hinzutreten weiterer Umstände den Schluß zuläßt, der Grundstücksverkäufer und der Dritte hätten in Abstimmung untereinander darauf hingewirkt, dem Erwerber ein Grundstück in fertig bebautem Zustand zu verschaffen. Soweit das FG insoweit eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, vermag dem der Senat nicht zu folgen.

Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein objektiver enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und den Verträgen, die der Errichtung des Gebäudes dienen, u. a. in den Fällen vorliegen, in denen der Erwerber (spätestens) mit dem Abschluß des Grundstückskaufvertrages in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung gegenüber der Veräußererseite nicht mehr frei war. Die Bindung an eine bestimmte Bebauung reicht als solche aber in den Fällen nicht aus, in denen auf der Veräußererseite mehrere Personen auftreten. Hier liegt ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen nur vor, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen aufgrund einer vertraglichen Abrede bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß aller Verträge hinwirken (vgl. BFH-Urteile vom 14. März 1990 II R 169/87, BFH/NV 1991, 263; vom 20. Februar 1991 II R 96/88, BFH/NV 1992, 55, 56, und vom 8. November 1995 II R 83/93, BFH/NV 1996, 637, 639).

Dies hat das FG verkannt und ausschließlich darauf abgestellt, daß die Klägerin der Grundstücksverkäuferin gegenüber verpflichtet war, in den Generalübernehmervertrag einzutreten. Dabei hat das FG übersehen, daß die Grundstücksverkäuferin selbst nach dem ausdrücklichen Inhalt des Grundstückskaufvertrags nicht zur Übereignung eines vollständig bebauten Grundstücks, also zur Bebauung des Grundstücks der Klägerin gegenüber verpflichtet war. Diese wollte sich vielmehr von dem Grundstück, so wie es sich im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages befand, trennen. Die Auferlegung der Verpflichtung zum Eintritt in den Generalübernehmervertrag erfolgte nicht, um der Klägerin ein bebautes Grundstück zu verschaffen, sondern zur Vermeidung etwaiger Schadensersatzforderungen der Generalübernehmerin. Es war ausschließlich Sache der Klägerin, durch eine Einigung mit der Generalübernehmerin die Bedingungen ihres Eintritts in den Vertrag auszuhandeln.

Vertragliche Bindungen zwischen der Klägerin und der Generalübernehmerin entstanden erst zu einem viel späteren Zeitpunkt und aufgrund eigenen Tätigwerdens der Klägerin. Der Klägerin trat somit keine aus mehreren Personen bestehende geschlossene Anbieterseite gegenüber, die durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß des Grundstückskaufvertrages und des Bauerrichtungsvertrages hinwirkte, vielmehr mußte die Klägerin - wenn auch wegen der der Grundstücksverkäuferin gegenüber bestehenden vertraglichen Verpflichtung - hinsichtlich der Bebauung des Grundstücks selbst initiativ werden (vgl. Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 6. Aufl., § 8 Rdnr. 16). Dies steht - nach ständiger Senatsrechtsprechung - der Annahme eines objektiv sachlichen Zusammenhangs zwischen den Verträgen entgegen.

2. Die Sache ist nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG lassen eine abschließende Beurteilung des Streitfalls nicht zu.

Entscheidend für die Besteuerung ist zwar grundsätzlich nicht, in welchem Zustand sich das Grundstück im Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs befindet, sondern in welchem Zustand das Grundstück erworben werden soll, d. h. in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück nach dem Willen der Vertragsbeteiligten zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 19. Januar 1994 II R 52/90, BFHE 173, 442, BStBl II 1994, 409). Dies gilt aber dann nicht, wenn ein Grundstück nach dem Willen der Vertragsbeteiligten in einem Zustand zum Gegenstand des Vertrages gemacht wird, den es nicht mehr hat und auch nicht mehr erhalten soll. Befindet sich ein Grundstück im Zeitpunkt des Abschlusses eines Grundstückskaufvertrags im Zustand der Bebauung und hat sich - wie im Streitfall - der Veräußerer gegenüber dem Erwerber nicht zur Fertigstellung des Gebäudes verpflichtet, erfaßt der Grundstückskaufvertrag - unabhängig vom Willen der Vertragsbeteiligten - grunderwerbsteuerrechtlich notwendigerweise auch diejenige Bausubstanz, die im Zeitpunkt der bürgerlich-rechtlichen Wirksamkeit des Kaufvertrages bereits vorhanden ist (vgl. hierzu Hofmann, a. a. O., § 8 Rdnr. 10).

Gegenstand des Erwerbsvorgangs der Klägerin vom 20. Mai 1988 war nach diesen Grundsätzen das bereits teilweise bebaute Grundstück. Die Gegenleistung für diesen Vertragsgegenstand ist als Besteuerungsgrundlage maßgebend. Die Feststellungen des FG reichen aber nicht aus, um die Höhe dieser Gegenleistung zu ermitteln. Hierzu bedarf es noch der Aufklärung, welcher Anteil an den Gesamterrichtungskosten auf die bis zum Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrages erbrachten Bauleistungen entfällt.