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  BFH-Urteil vom 13.8.1997 (I R 19/96) BStBl. 1997 II S. 794

1. Der formellen Satzungsmäßigkeit ist Genüge getan, wenn sich steuerbegünstigter Zweck und die Art seiner Verwirklichung im Wege der Satzungsauslegung feststellen lassen.

2. Die Satzung einer gemeinnützigen Körperschaft muß keine ausdrückliche Regelung darüber enthalten, unter welchen Voraussetzungen ein Bewerber um die Mitgliedschaft abgelehnt werden kann.

3. Eine Satzungsbestimmung, wonach jedes Aufnahmegesuch von zwei Vereinsmitgliedern befürwortet werden muß, ist nicht per se gemeinnützigkeitsschädlich.

4. Hat das FG anhand statistischen Materials festgestellt, daß die Höhe der im Eintrittsjahr von einem Neumitglied zu zahlenden Beiträge u. ä. eine Repräsentation der Allgemeinheit im Verein nicht ausschließt, so ist der BFH daran grundsätzlich gebunden. Betrugen im Jahr 1990 die Zahlungsverpflichtungen eines Neumitglieds eines Golfclubs im Eintrittsjahr 4.800 DM, so kann nicht davon ausgegangen werden, daß damit die Allgemeinheit von dem Beitritt ausgeschlossen wurde.

5. Sog. erwartete Spenden sind einem Eintrittsgeld nicht gleichzustellen, wenn festgestellt wird, daß keinem Bewerber die Mitgliedschaft vorenthalten oder wieder entzogen wurde, weil die Spende nicht oder nicht in der erwarteten Höhe geleistet wurde.

AO 1977 §§ 52, 60; KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG (EFG 1996, 604)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein eingetragener Verein, wurde 1987 gegründet. Nach § 2 seiner Satzung besteht sein Zweck in der ausschließlichen und unmittelbaren Förderung des Golfsports. Der Kläger erwarb 1988 für 500.000 DM ein Gelände, auf dem im Streitjahr 1990 neun Golfbahnen eröffnet wurden.

Für die Aufnahme als Mitglied war in der Satzung folgendes Verfahren vorgesehen: Die an den Vorstand zu richtenden Aufnahmegesuche mußten von zwei stimmberechtigten Vereinsmitgliedern befürwortet werden. Über das Aufnahmegesuch entschied der Vorstand, nachdem es zuvor durch Aushang im Clubhaus o. ä. den Mitgliedern zur Kenntnis gebracht wurde. Bei Widerspruch aus dem Kreis der Mitglieder konnte die Aufnahme nur durch einstimmigen Beschluß des Vorstandes erfolgen. Ein Mitglied konnte ausgeschlossen werden, wenn es sich in grober Weise vereinswidrig verhielt oder wenn es fällige Beträge nicht bezahlte.

Nach Beschluß der Mitgliederversammlung hatten aktive erwachsene Mitglieder ein Eintrittsgeld von 1.500 DM und einen Jahresbeitrag von 900 DM zu entrichten. Für Jugendliche und inaktive Mitglieder waren niedrigere Sätze vorgesehen.

Neben den genannten Gebühren kalkulierte der Kläger mit Spenden seiner Mitglieder, auf deren Zahlung er mit einigem Nachdruck bestand. Auf diese Weise gingen bis zum 31. August 1991 von den bis Ende 1990 eingetretenen 151 Mitgliedern insgesamt Spenden in Höhe von 464.300 DM ein. Im einzelnen:

Ehepaare

Einzelmitglieder

DM

DM

 

15.500

1x

70.000

1x

13.500

1x

6.150

1x

11.000

1x

6.000

2x

10.900

1x

5.000

4x

10.000

2x

4.500

1x

8.000

8x

4.000

4x

7.850

1x

3.500

1x

7.200

1x

3.000

5x

7.000

11x

2.000

4x

6.000

7x

1.100

1x

5.500

1x

1.000

3x

5.000

5x

600

1x

3.000

1x

   

2.000

1x

   

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ für 1987 bis 1989 Freistellungsbescheide, die bestandskräftig wurden. Im Anschluß an eine Steuerfahndungsprüfung ging er jedoch davon aus, daß faktisch von den Mitgliedern neben den Eintrittsgeldern und Jahresgebühren Spenden aufzubringen waren, die durchschnittlich 3.075 DM pro Mitglied betrugen. Damit sei weiten Kreisen der Bevölkerung der Zutritt in den Kläger verwehrt. Das FA setzte daher die Körperschaftsteuer für 1987 bis 1990 auf 0 DM fest.

Die hiergegen erhobene Klage hatte nur betreffend 1987 bis 1989 Erfolg (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 604).

Mit seiner Revision, die nur noch das Streitjahr 1990 betrifft, rügt der Kläger Verletzung der §§ 52, 59, 60 der Abgabenordnung (AO 1977) und beantragt, das angefochtene Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA vom 15. Juni 1993 betreffend das Streitjahr 1990 sowie den Bescheid für 1990 über die Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag mit der Maßgabe aufzuheben, daß der Kläger von der Körperschaftsteuer freigestellt werde.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet.

1. Die gegen den Körperschaftsteuerbescheid 1990 erhobene Klage, in der die Körperschaftsteuer auf 0 DM festgesetzt wurde, ist zulässig, da mit diesem Bescheid die Steuerpflicht des Klägers festgestellt wurde (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. September 1994 I R 153/93, BFHE 176, 229, BStBl II 1995, 499, m. w. N., und vom 13. Juli 1994 I R 5/93, BFHE 175, 484, BStBl II 1995, 134).

2. Die Satzung des Klägers erfüllt die an sie gestellten formellen Voraussetzungen. Insbesondere erhält sie ausreichende Angaben zur Art der Verwirklichung des Satzungszwecks.

Gemäß § 60 Abs. 1 AO 1977 müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, daß aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind (sog. formelle Satzungsmäßigkeit). Diese Festschreibung in der Satzung hat die Funktion eines Buchnachweises (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1992 I R 47/89, BFH/NV 1992, 695; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 60 AO 1977 Tz. 1).

Zwar enthält die für das Streitjahr maßgebliche Satzung vom 22. Januar 1987 Angaben zum Satzungszweck (§ 2), nicht aber gesonderte Vorschriften zur Art der Verwirklichung des Satzungszwecks. Der formellen Satzungsmäßigkeit ist aber genügt, wenn sich die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die steuerliche Vergünstigung aufgrund einer Auslegung aller Satzungsbestimmungen ergeben (vgl. BFH-Urteile vom 29. August 1984 I R 203/81, BFHE 142, 51, BStBl II 1984, 844, m. w. N., und in BFH/NV 1992, 695). Die Art der Zweckverwirklichung ergibt sich im Streitfall aus dem Namen des Klägers so wie er ihn sich in der Satzung gegeben hat ("Golf Club ...), dem satzungsmäßigen Zweck ("Förderung des Golfsports") und § 12 der Satzung, wonach der Vorstand aus dem Kreis der Mitglieder u. a. einen sog. Platzausschuß zur Betreuung des Spielgeländes bilden kann. Daraus folgt, daß der Zweck des Klägers durch Errichtung und Unterhalt einer Golfsportanlage verwirklicht werden soll.

3. Eine Gemeinnützigkeit des Klägers ist auch nicht bereits deswegen aus formellen Gründen ausgeschlossen, weil in der Satzung nicht geregelt ist, aus welchen Gründen Personen die Aufnahme verwehrt werden kann. § 60 Abs. 1 AO 1977 erfordert ausdrücklich nur Angaben über Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung. Wie dargestellt entspricht die Satzung im Streitfall diesen Anforderungen.

Satzungsmäßige Regelungen über die Voraussetzungen für die Aufnahme in einen Verein setzt das Gesetz darüber hinaus nicht voraus. Satzungsklauseln über die Aufnahme können daher nur unter dem Gesichtspunkt beurteilt werden, ob sie inhaltlich darauf gerichtet sind, die Allgemeinheit von der satzungsmäßigen Förderung auszuschließen und folglich eine Förderung der Allgemeinheit im Rahmen der tatsächlichen Geschäftsführung (§ 59 AO 1977) nicht mehr gewährleistet sein kann. Hierfür bietet die streitgegenständliche Satzung keine Anhaltspunkte. § 6 der Satzung, wonach Aufnahmegesuche von zwei stimmberechtigten Vereinsmitgliedern befürwortet werden müssen, entspricht allgemeiner Vereinspraxis (vgl. auch z. B. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1978 I R 64/77, BFHE 127, 342, BStBl II 1979, 488) und dient ausschließlich der Gewährleistung eines geordneten Vereinslebens. Bedenken bestehen im Streitfall allenfalls gegen die Regelung, wonach jedes Mitglied der Aufnahme eines Bewerbers widersprechen kann und dieser Widerspruch nur durch einen einstimmigen Beschluß des Vorstandes, der üblicherweise mit einfacher Mehrheit entscheidet (§ 11 Abs. 1 der Satzung), überstimmt werden kann. Diese Regelung allein ist aber nicht geeignet, bereits vor einem satzungsmäßigen Ausschluß der Allgemeinheit auszugehen. Es bleibt diesbezüglich dem FA die Aufgabe, im Rahmen der laufenden Überprüfung der Geschäftsführung festzustellen, ob die tatsächliche Handhabung der Vorschriften über den Mitgliedschaftserwerb zu einem Ausschluß der Allgemeinheit geführt hat. Anhaltspunkte dafür liegen nicht vor.

Der Senat weicht mit dieser Entscheidung nicht vom Urteil des X. Senats vom 5. August 1992 X R 165/88 (BFHE 169, 3, BStBl II 1992, 1048) ab. Dort hat der X. Senat eine Regelung in der Satzung als zu unbestimmt bezeichnet, wonach ein Mitglied "im Interesse des ADAC" ausgeschlossen werden konnte. Vergleichbare unbestimmte Regelungen über den Erwerb bzw. den Verlust der Mitgliedschaft enthält die Satzung des Klägers nicht.

Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß auch die Finanzverwaltung in ihrer Mustersatzung keine Notwendigkeit für entsprechende Satzungsregelungen sieht (vgl. Einführungserlaß zu § 60 AO 1977, BStBl II 1987, 678). Dementsprechend hat auch das beklagte FA dem Kläger die Gemeinnützigkeit nicht aus formellen Gründen versagt.

4. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts (FG) ist dem Kläger die Gemeinnützigkeit auch nicht wegen überhöhter Aufnahmebeiträge o. ä. zu versagen.

Gemäß § 52 Abs. 1 AO 1977 verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Ist der Zweck einer Körperschaft - wie im Streitfall - auf die Förderung des Sports gerichtet (§ 52 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 AO 1977), so kommt die Tätigkeit der Körperschaft im wesentlichen ihren Mitgliedern zugute. Von einer Förderung der Allgemeinheit kann daher nur dann ausgegangen werden, wenn im Grundsatz jedermann freien Zutritt zur Körperschaft hat, die Mitglieder sich dementsprechend zumindest als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellen (vgl. BFH-Urteile vom 26. Januar 1973 III R 40/72, BFHE 108, 451, BStBl II 1973, 430; vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482; Koch/Scholtz, Abgabenordnung, 5. Aufl., § 52 Rdnrn. 12, 13; Troll, Besteuerung von Verein, Stiftung und Körperschaft des öffentlichen Rechts, 3. Aufl., S. 468). Gemeinnützigkeitsschädlich sind daher Verpflichtungen zur Zahlung von laufenden Beiträgen, Aufnahmebeiträgen und Umlagen, deren Höhe eine Repräsentation der Allgemeinheit im Mitgliederbestand nicht mehr gewährleistet (vgl. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1978 I R 64/77, BFHE 127, 342, BStBl II 1979, 488; vom 20. Januar 1982 I R 256/78, BFHE 135, 197, BStBl II 1982, 336, und vom 13. November 1996 I R 152/93, BFHE 181, 396).

a) Die im Streitjahr geltenden Beitragssätze (für erwachsene Mitglieder Eintrittsgeld 1.500 DM; Jahresbeitrag 900 DM) schließen, wovon auch das FA ausgeht, die Allgemeinheit vom Beitritt nicht aus.

Die "erwarteten Spenden" können im Streitfall einem zwingend zu leistenden Eintrittsgeld nicht gleichgestellt werden (vgl. hierzu BFH in BFHE 127, 342, BStBl II 1979, 488; BFHE 135, 197, BStBl II 1982, 336). Eine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung der "Spenden", z. B. aufgrund der Beitragsordnung oder entsprechender Klauseln in den Aufnahmeanträgen, bestand nicht. Die Annahme eines faktischen Zahlungszwanges scheitert im Streitfall an der für den Senat bindenden Feststellung des FG (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), die auch das Streitjahr 1990 betrifft, wonach keinem Bewerber die Mitgliedschaft vorenthalten oder wieder entzogen wurde, weil er nicht die vom Kläger kalkulierte Spende, eine geringere oder gar keine Spende geleistet hatte. Allein die Tatsache, daß ein Verein seine Mitglieder wiederholt und nachdrücklich zur Leistung von Spenden auffordert, um die von ihm angestrebten Satzungszwecke verwirklichen zu können, macht die Spende nicht zum Pflichtbeitrag.

Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, ob eine Förderung der Allgemeinheit ausgeschlossen ist, wenn einzelne Mitglieder höhere Beiträge leisten, die umgelegt auf die Mitglieder des Vereins die von der Finanzverwaltung zugelassenen Beitragsgrenzen übersteigen. Aus der Sicht des § 52 AO 1977 besteht im allgemeinen kein sachlicher Grund, hohe Einzahlungen (hier: z. B. 70.000 DM) auf die anderen Mitglieder "umzulegen". Gerade den individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßte Zahlungsverpflichtungen gewährleisten einen Mitgliederbestand, der sich als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.

b) Darüber hinaus hat das FG für den Senat bindend festgestellt, daß jedermann, der ein Eintrittsgeld in Höhe von 1.500 DM und eine Spende in gleicher Höhe leistete, aktives Mitglied des Klägers werden konnte. Es hat ferner in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß der bei Eintritt somit zu zahlende Gesamtbetrag in Höhe von 3.000 DM bei Hintanstellung anderer Freizeitausgaben u. ä. zumindest ratenweise von jedermann geleistet werden konnte. Diese Feststellung verstößt weder gegen Denkgesetze noch allgemeine Erfahrungssätze. Letztlich wird sie auch von der Handhabung der Finanzverwaltung ab 1991 getragen, die ein Eintrittsgeld in Höhe von 3.000 DM und einen Beitrag in Höhe von 2.000 DM nicht als gemeinnützigkeitsschädlich ansieht (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 7. August 1991, BStBl I 1991, 792). Wird damit eine finanzielle Gesamtbelastung in Höhe von 5.000 DM im Eintrittsjahr ab 1. Januar 1991 nicht als gemeinnützigkeitsschädlich beurteilt, kann für das Streitjahr 1990 nichts anderes gelten, in dem sich die finanzielle Gesamtbelastung für den Beitritt nach den Berechnungen des FA auf ca. 4.800 DM beläuft.