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  BFH-Urteil vom 23.7.1997 (X R 106/94) BStBl. 1998 II S. 15

1. Der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 EStG steht dem Steuerpflichtigen nur zu, wenn er die von ihm angeschaffte oder hergestellte Wohnung später tatsächlich zu eigenen Wohnzwecken nutzt (Anschluß an das Senatsurteil vom 17. Juli 1991 X R 6/91, BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916).

2. Hatte der Steuerpflichtige vor Bezugsfertigkeit der Wohnung die Eigennutzungsabsicht aufgegeben und sich statt dessen zu deren Vermietung entschlossen, kann er von dem Zeitpunkt an, zu dem sich die Vermietungsabsicht anhand objektiver Umstände feststellen läßt, vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend machen. Vor einer solchen Absichtsänderung entstandene Aufwendungen sind nicht als Werbungskosten abziehbar.

EStG § 10e Abs. 6, § 21 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden.

Im Juni 1988 erwarb die Klägerin zwei im Rohbau befindliche, nebeneinander liegende Eigentumswohnungen, die zu einer Wohnung umgestaltet und Anfang Dezember 1989 bezugsfertig wurden.

Durch notariellen Vertrag vom 19. Januar 1990 veräußerte die Klägerin die Wohnung; Nutzungen und Lasten gingen am 1. Februar 1990 auf den Erwerber über.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1988 machten die Kläger für die Wohnung einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 8.467 DM geltend, den der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Einkommensteuerbescheid für 1988 antragsgemäß berücksichtigte.

Für das Streitjahr 1989 erklärten die Kläger einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 31.533 DM. Das FA berücksichtigte den Verlust in Höhe von 31.496 DM, setzte die Einkommensteuer für 1989 aber hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorläufig fest (§ 165 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -), weil es inzwischen aufgrund einer Veräußerungsanzeige vom Verkauf der Wohnung erfahren hatte.

Nachdem die Kläger im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid für 1990 erklärt hatten, die Klägerin habe die Eigentumswohnung ursprünglich zur Eigennutzung erworben, hob das FA den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für 1988 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 auf und führte einen Lohnsteuerjahresausgleich durch, bei dem der Verlust aus Vermietung und Verpachtung nicht mehr berücksichtigt wurde. Ferner änderte es den vorläufigen Einkommensteuerbescheid für 1989 und erkannte den Verlust aus Vermietung und Verpachtung ebenfalls nicht mehr an. Der Bescheid erging nach § 165 Abs. 2 AO 1977 endgültig.

Auf die Einsprüche der Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide für 1988 und 1989 änderte das FA den Einkommensteuerbescheid für 1989 erneut. Es sah die Vermietungsabsicht ab 1. September 1989 als erwiesen an und berücksichtigte die für 1989 geltend gemachten Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung anteilig in Höhe von 18.592 DM. Im übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück.

Mit der Klage begehrten die Kläger, die vor September 1989 angefallenen Aufwendungen (1988: 8.467 DM, 1989: 13.518 DM) als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) abzuziehen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ist der Auffassung, Aufwendungen seien auch dann als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG abziehbar, wenn der Steuerpflichtige das Objekt entgegen seiner ursprünglichen Absicht nicht zu eigenen Wohnzwecken nutze.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e Abs. 6 EStG.

Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Zu Unrecht hat das FG die vor September 1989 angefallenen Aufwendungen als Vorkosten berücksichtigt.

1. Nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG sind Aufwendungen als Vorkosten abziehbar, "die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung einer Wohnung i. S. d. Absatzes 1 zu eigenen Wohnzwecken entstehen" und die - neben weiteren einschränkenden Voraussetzungen - im Fall der Vermietung oder Verpachtung als Werbungskosten abgezogen werden könnten.

a) "Entstehen der Aufwendungen bis zum Beginn der erstmaligen Eigennutzung" bedeutet, daß der Eigentümer die Wohnung (später) tatsächlich zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Bereits im Urteil vom 17. Juli 1991 X R 6/91 (BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916) ist der Senat davon ausgegangen, daß der Vorkostenabzug die tatsächliche Eigennutzung durch den Eigentümer voraussetzt (gl. A. z. B. Urteile des Hessischen FG vom 19. November 1990 7 K 102/90, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1991, 189; FG Köln vom 22. Juni 1994 3 K 2578/93, EFG 1994, 1096; Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 31. Dezember 1994, BStBl I 1994, 887, Rz. 87, 102; Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10e EStG Rz. 603; Kleeberg in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10e H 22; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10e EStG Anm. 501, 514; Stuhrmann in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10e EStG Rz. 143).

Diese Auslegung ergibt sich auch aus der Bezugnahme auf eine "Wohnung im Sinne des Absatzes 1". Denn die Grundförderung für eine Wohnung nach § 10e Abs. 1 EStG hängt davon ab, daß der Eigentümer die Wohnung tatsächlich zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Die Auslegung wird ferner durch die Überschrift zu § 10e EStG ("Steuerbegünstigung der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung im eigenen Haus") bestätigt und durch § 10e Abs. 7 EStG, nach dem Vorkosten einheitlich und gesondert festgestellt werden können, wenn mehrere Steuerpflichtige Eigentümer einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung sind.

b) Entgegen der Auffassung des FG kann aus der Begründung zum Entwurf des Gesetzes zur Neuregelung der steuerrechtlichen Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums (Wohneigentumsförderungsgesetz) nicht hergeleitet werden, nach § 10e Abs. 6 EStG seien alle Aufwendungen zu berücksichtigen, die nach der Rechtslage vor 1987 bei der Besteuerung der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Haus als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar waren.

Maßgebend für die Auslegung einer gesetzlichen Vorschrift ist der in ihr zum Ausdruck gekommene, objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut und dem Sinnzusammenhang ergibt. Die Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten können daher nur insoweit berücksichtigt werden, als sie aus dem Gesetz selbst erkennbar sind (ständige Rechtsprechung: z. B. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, 130; vom 9. November 1988 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, 106, 121; Urteil des Bundesfinanzhofs vom 5. Dezember 1995 VIII R 10/91, BFHE 179, 119, BStBl II 1996, 281). Aus § 10e Abs. 6 EStG ergibt sich jedoch nicht, daß eine beabsichtigte Eigennutzung ausreicht.

Auch den Gesetzesmaterialien läßt sich nicht entnehmen, daß dies vom Gesetzgeber gewollt war. Nach der Einzelbegründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 10/3633, S. 16) soll durch § 10e Abs. 6 EStG sichergestellt werden, daß die in dem Bau- und Anschaffungszeitraum anfallenden Kosten, die bisher bei eigengenutzten Wohnungen als Werbungskosten abziehbar waren, auch künftig steuermindernd berücksichtigt werden können. Der Hinweis auf die eigengenutzte Wohnung deutet vielmehr darauf hin, daß ein Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Eigennutzung bestehen soll (vgl. Senatsurteil in BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916).

c) Die in § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG geforderte Parallelwertung der Aufwendungen mit den Werbungskosten rechtfertigt den Vorkostenabzug ebenfalls nicht, wenn die Wohnung entgegen ursprünglicher Absicht nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Hierbei handelt es sich um eine weitere Voraussetzung, durch die der Vorkostenabzug eingeschränkt wird. Sie bedeutet jedoch nicht, daß alle Aufwendungen, die nach der Rechtslage vor 1987 als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehbar waren, als Vorkosten zu berücksichtigen sind (Senatsurteil in BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916).

2. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.

a) Die Kläger haben die Eigentumswohnung nie zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Daher steht ihnen der Vorkostenabzug für diese Wohnung nicht zu.

b) Die vor September 1989, also vor der Absichtsänderung angefallenen Aufwendungen sind auch nicht als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) abziehbar (a. A. Urteil des FG Düsseldorf vom 12. März 1997 14 K 4341/94 E, EFG 1997, 656; möglicherweise auch Kleeberg in Kirchhof/Söhn, a. a. O., § 10e EStG Rz. H 2; vgl. auch Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, a. a. O., § 10e EStG Anm. 514).

Ein Abzug als Werbungskosten setzt voraus, daß zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Ein solcher Zusammenhang ist von dem Zeitpunkt an anzunehmen, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen läßt, daß ein Steuerpflichtiger den Entschluß, durch die Errichtung oder den Erwerb eines Gebäudes oder einer Eigentumswohnung die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu begründen, endgültig gefaßt hat (Senatsurteil in BFHE 165, 85, BStBl II 1991, 916, m. w. N.). Im Streitfall haben die Kläger selbst erklärt, sich erst im Herbst 1989 zur Vermietung der Wohnung entschlossen zu haben. Die davor entstandenen Aufwendungen sind somit nicht durch die Erzielung von Vermietungseinnahmen veranlaßt.

c) Bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften können die streitigen Aufwendungen schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil nach Aktenlage kein Spekulationsgewinn angefallen ist und Verluste aus Spekulationsgeschäften nur bis zur Höhe des Spekulationsgewinnes ausgeglichen werden dürfen (§ 23 Abs. 3 EStG).